Start Psychiatrie heute Seelisch Kranke Impressum

A. Reitz:
Vom Bauchnabel abwärts
Das Gesundheitsbuch für den Mann
Hirzel-Verlag, Stuttgart 2007. 192 S., € 24,00.
ISBN 978-3-7776-1460-1

Download als PDF

Der Haupttitel: „Vom Bauchnabel abwärts“ provoziert sicher unterschiedliche Meinungsbilder. Das Umschlagsbild desgleichen: Drei Männer (jung – mittel – älter) blicken in die bezeichnete Richtung. Der Untertitel rückt es dann wieder zurecht: Das Gesundheitsbuch für den Mann. Und der Inhalt hält, was der erste Blick nahe legt: informativ und verständlich, unterhaltsam und humorvoll – „ein Buch für Männer von 18 bis 80“.

Denn Information tut Not, vor allem bei Männern, die mit ihrer Gesundheit viel sorgloser umgehen als Frauen („Man(n) bleibt Mann“). Und das in einem Gebiet, das in unvergleichlicherweise demonstrative Hybris und Scham zugleich vereint. Oder kurz und in der Tat ganz griffig: Vom Bauchnabel abwärts. Um was handelt es sich?

Verfasst hat es Privatdozent Dr. med. André Reitz, Facharzt für Urologie, eine in der Tat gelungene Mischung aus lockerer Feder (dabei durchaus respektvoll und einfühlsam) und wissenschaftlich fundierter Information. Kein Wunder, dass im ersten Jahr bereits die 2. Auflage nötig wurde. Und erfreulich, dass sich damit offenbar eine wachsende Zahl verantwortungsbewusster Männer dieser Lektüre annimmt. Denn ihr Körper ist der Männerwelt sicher so wichtig wie dem anderen Geschlecht, aber die Kenntnisse sind begrenzt, aus vielerlei Gründen. Einer ist die gesundheitliche Sorglosigkeit, eine Mischung aus stolzer, auf jeden Fall selbstbewusster Zurückhaltung („nur Frauen interessieren sich für ihr Aussehen, und das bekanntlich im überzogenen Ausmaß…“), zum anderen eine gewisse Indolenz, die auch den seelischen Bereich charakterisiert, mit allen Folgen („Man(n) ist gesund und funktioniert“).

Das geht auch gut, solange man wirklich funktioniert. Und kündigen sich die ersten Defizite an, früher oder später, herrscht Ratlosigkeit, Verwirrung, Resignation – und oft auch eine Art erstarrte Reaktionslosigkeit, ein Gemisch aus Angst, Trotz, Verlegenheit, Furcht vor Gesichtsverlust, ja Demütigung mit Rückzug und Isolationsgefahr.

Man muss dem Problem also auf Umwegen beikommen, sagte sich der Experte A. Reitz, ausgebildet und tätig im In- und Ausland, und schreibt am besten kein Fach-, sondern ein Sachbuch für Männer, ein Männergesundheits-Buch, verständlich, eingängig, für das notwendige Wissen sensibilisierend, wissenschaftlich auf dem neuesten Stand, aber auch unterhaltsam und gelegentlich augenzwinkernd. Das ist gelungen.

Es gibt zwar neben einem hilfreichen Glossar (anschauliche Übersetzungen der Fachbegriffe) ein ausführliches Stichwortverzeichnis (das heimliche, für den Routinierten aber entscheidende „Schaufenster“ eines Buches), doch ist der Text so aufgebaut, dass man die annähernd 200 Stichworte am besten von vorne nach hinten durchliest. Das braucht nebenbei nicht lange, flott und spannend geschrieben rückt man hier relativ schnell vor, hat aber vor allem einen wichtigen Vorteil: Alles im menschlichen Organismus bezieht sich irgendwie aufeinander und so erarbeitet man sich ein realistisches Bild von Anatomie, Funktion und deren Defiziten und Erkrankungen, was besser im Gedächtnis haften bleibt, als wenn man plötzlich mit der gnadenlosen Wirklichkeit konfrontiert wird (z. B. Prostata und Folgen – s. u.).

Dabei steigt der Autor sofort „öffentlichkeits-wirksam“ ein, nämlich mit dem ersten Kapitel über „Penis, Erektion und Erektionsstörungen“ (seine ersten Zeilen siehe Kasten).

Penis-Größe

„Gewöhnlich beginnt ein Kapitel über den Penis so: „Der Penis ist ein mystisches Organ und von jeher ein Symbol männlicher Macht und Potenz“. Wir hingegen beginnen mit einem banalen Thema, der Penis-Größe, und räumen gleich mit einem angeblichen Erfahrungswert auf, wonach es eine Korrelation zwischen der Nasen- und der Penis-Länge gibt. Die gibt es erwiesenermaßen nicht“.

Dieses erste Groß-Kapitel informiert dann über Normalwerte, Frauen und Penisgröße (spannend!), Penishaut, Vorhaut, Schwellkörper und erektiles Gewebe einschließlich Nerven; ferner das weite Spektrum der Erektionen und schließlich die Erektionsstörungen (weit verbreitet, viele Ursachen, z. B. bestimmte Sportarten, also letztlich kontraproduktiv); aber auch durch Medikamente, Rauchen, Alkohol, Rauschdrogen u. a. Und was kann man tun? An erster Stelle die inzwischen weit verbreiteten (und per Zufall entdeckten) Phosphodiesterase-Typ-5-Hemmstoffe (jeder kennt die Namen und inzwischen sogar die raffinierte Werbung außerhalb medizinischer Fach-Publikationen); dann aber auch die früher praktizierten Hilfen (von der Penisprothese bis zur Vakuumpumpe). Vorsicht bei Penis-Notfällen (Dauererektion, Penisbruch), Finger weg von suspekten Verlängerungsverfahren u. a.

Hat das erste Kapitel trotz aller Bedeutsamkeit auch reichlich Unterhaltungswert, wird es bei den sexuell übertragbaren Krankheiten schon ernster: Gonorrhoe, Syphilis, Clamydien-Infektion, Papillomaviren und schließlich AIDS. Auch in den Kapiteln Fruchtbarkeit, Hoden-Notfälle (z. B. Hoden-Torsion, Hoden-Tumoren u. a.) und vor allem Prostata (gefährliche Tabu-Zone) geht es nicht mehr ganz so unterhaltsam zu. Jetzt droht nun wirklich Gefahr um die Männer-Gesundheit bis hin zum rechtzeitigen Erkennen, Eingreifen, Verhindern, Vorbeugen.

Am Schluss die Männergesundheit im Alter: „Im Prinzip altert jeder Mann vom Tage seiner Geburt an, nur fällt es den meisten Männern erst jenseits der 30 auf“. Beginnt also das Altern bereits in den „besten Jahren“? Gewiss, und der Autor spart nicht an Beispielen, die sich jenseits des 40. Lebensjahres häufen. Das kann man zwar eine zeitlang (über-)kompensieren – doch die Natur wartet nicht, das Altern fordert seinen Tribut. Kann man auch hier etwas tun? Ja, die Anti-Aging-Industrie ist rührig. Früher war es der allseits belachte „Jung-Brunnen“, heute sind es die Hormone, denen man spätestens im 3. Lebensalter noch einmal auf die Sprünge helfen will. Auch hier bleibt der Autor freundlich, aber deutlich: Möglichkeiten, Grenzen, Gefahren.

Wer sich bis hierher durchgearbeitet hat, ist nicht unbedingt glücklicher geworden – aber informierter, auf jeden Fall weiß er jetzt, wo er über das besagte Stichwortverzeichnis zu den entscheidenden Erkenntnissen kommen kann, für sich und sein männliches Umfeld (wobei es typischerweise vor allem die Ehefrauen und verantwortungsbewussten Partnerinnen sind, die bei entsprechenden Verdachtsmomenten eine urologische Konsultation anmahnen).

Privatdozent Dr. A. Reitz schließt deshalb sein empfehlenswertes Buch mit dem Satz: „Ich möchte Ihnen zum Ende ans Herz legen, auch für Ihren eigenen Körper die Verantwortung zu übernehmen, so wie Sie es ganz selbstverständlich für Ihre Familie und im Job tun“. Oder kurz: Wer erfolgreich sein und bleiben will, muss für eine reibungslose Struktur und Funktion sorgen. Und hier ist die Nummer 1 die Gesundheit. Denn wie sagte schon der Philosoph Artur Schopenhauer: „Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts“. Wie wahr. Beginnen wir mit uns selber (VF).

Bei allen Ausführungen handelt es sich um allgemeine Hinweise.
Bei persönlichen Anliegen fragen Sie bitte Ihren Arzt.
Beachten Sie deshalb bitte auch unseren Haftungsausschluss (s. Impressum).