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W. Bauer, C. Zerling:
DAS LEXIKON DER ORAKEL
Der Blick in die Zukunft
Atmosphären-Verlag, München 2004, 312 S., zahlreiche Abb., € 24,90.
ISBN 3-86533-006-1

B. Martin:
DAS LEXIKON DER SPIRITUALITÄT
Lehren, Meister, Traditionen
Atmosphären-Verlag, München 2005, 396 S., zahlreiche Abb., € 24,90.
ISBN 3-86533-018-5

Der Mensch auf der Suche – schon immer. Auch der moderne Mensch inzwischen mehr und mehr: auf der Suche nach sich selber.

Da fällt dem Psychiater als Erstes ein Kalauer ein, allerdings einer mit ernstem psychologischem Hintergrund (siehe Kasten).

Wenn du in dich gehst, wundere dich nicht, dass du niemand vorfindest… (anonym).

Was die (westliche) Menschheit ab einem gewissen Bildungsgrad immer mehr umtreibt, ist die Frage nach dem Sinn und die Flucht aus der drohenden Sinn-Leere. Das führt vor allem der Spiritualität wieder mehr Interessenten zu. Die einfachste Übersetzung lautet „Geistigkeit“, der Versuch, die Wirklichkeit auf ein geistiges Prinzip zurückzuführen. Aber diesen Wunsch gilt es auszufüllen – vor allem und zu allererst mit Wissen über die spirituellen und philosophischen Fundamente, die sich die Menschheit über Jahrtausende erarbeitet hat. Das führt meist in eine Sackgasse, weil man nicht weiß, an wen man sich wenden, woher man das notwendige Grundlagen-Wissen beziehen soll.

Diese Aussage steht im diametralen Gegensatz zu den laufenden Buchmetern entsprechender Literatur-Angebote in praktisch jeder Buchhandlung (einschließlich der Presse-Zentren auf Bahnhöfen, Flughäfen und sogar Supermärkten) – von den Print-Medien, Funk und Fernsehen sowie Internet-Angeboten ganz zu schweigen. Dabei darf man ruhig den Verdacht aussprechen: Je bunter, desto flacher. Der Geist ist nun mal nicht wohlfeil zu erstehen (Honoré de Balzac: „Auch der Geist hat seine Hygiene: er bedarf, wie der Körper, einer Gymnastik“).

Was die Menschen unserer Zeit und Gesellschaft aber besonders verunsichert, ist das inhaltliche Angebot, das man – seien wir ehrlich – in keiner Weise mehr über- und durchschauen, erfassen und deshalb auch nützlich umsetzen kann. Wer muss nicht resigniert zum Lexikon greifen, wenn ihn wieder einmal Stichwörter wie (unausgelesene Auswahl) Anthroposophie, Atman, Chakra, Kabbala, Mantra, Sufismus, Tantra, Voodoo, Magie, Trance, Spiritismus, Karma, Reinkarnation, Orakel, Tarot, Schamanismus, Numerologie, I Ging, Theosophie, ja Okkultismus, Esoterik, Fundamentalismus u.a.m. überfluten. Dabei will man doch im Grunde nur einen kleinen, schmalen, bescheidenen Pfad zur inneren Ausgeglichenheit, Ruhe, Gelassenheit und – in Gottes Namen – Leistungsfähigkeit und Produktivität erarbeiten. Also: was tun?

Der Rezensent – mancher Leser mag es schon bemerkt haben –, hat eine Schwäche für Lexika. Nichts, so seine Meinung, vermittelt so rasch, fundiert und nicht einmal langweilig oder gar blutleer die gewünschten Erkenntnisse wie Nachschlagewerke aus der Hand des Experten. Manchmal – wie gesagt – sogar animierend lebensnah verfasst, manchmal lexikalisch knochen-trocken, aber das ist ja gerade ihr Vorrecht (früher war es sogar Pflicht, das hat sich glücklicherweise geändert). Gute Lexika enthalten im Übrigen auch ein hilfreiches Literaturverzeichnis. Wer sich also weiter eingraben will, findet sich in der Regel fürsorglich bedient. Lexika haben im Übrigen auch den gemischten Vor-Nachteil, dass man zwar eine seltene Pflanze suchte, dann aber konstruktiv verwundert feststellen muss, dass sie von einer faszinierenden Flora umgeben ist, deren Studium ebenfalls lohnt. Wie es dann weitergeht (gezielt oder „unendlich“), hängt von der jeweiligen Wesensart, Aufgabe, von Zeit, Kraft und spezifischen Bedingungen ab. Anregend ist es allemal. Kurz: Lexika pflegen in der Regel zu halten, was sie versprechen (im Gegensatz zu manchen marktschreierisch aufgedrängten Eintagsfliegen).

Wo findet man nun Unterstützung in der Suche nach dem Sinn, nach einer neuer Spiritualität beispielsweise?

  • Das Lexikon der Spiritualität

Der Atmosphären-Verlag in München hat sich u. a. auf solche Frage spezialisiert (z. B. Lexikon der Geister, Magie bzw. Magie für den Alltag usw.). Er bietet jetzt das Lexikon der Spiritualität an, zusammengestellt von Bruno Martin (*1946), der als Bewusstseinserforscher, Autor und Seminarleiter schon eine Reihe ähnlicher Werke veröffentlicht hat (z. B. Handbuch der spirituellen Wege, 1997; Zen der plötzlichen Erleuchtung, 2004). Er hat sein Leben und seine Arbeit den spirituellen Angeboten unterschiedlicher Provenienz gewidmet und verfolgt als Lehrer und Autor vor allem die Vision einer vernetzten und undogmatischen Spiritualität, die zur „harmonischen Entwicklung des Menschen“ beitragen soll.

In seinem – dies sei schon vorgezogen: empfehlenswerten – Lexikon nimmt er zu seiner Fleißarbeit wie folgt Stellung:

„Wir befinden uns heute, im beginnenden 21. Jahrhundert, in einer einzigartigen Situation: Noch nie hat die Menschheit einen so umfassenden globalen Überblick über alle Ebenen menschlicher Aktivitäten gehabt, seien es nun soziologisch-politische, historische, religiöse oder spirituelle Ereignisse. (…) Das „Lexikon der Spiritualität“ ist deshalb als Überblick zu den kaum noch überschaubaren Lehren, Richtungen und Techniken im spirituellen Bereich ein notwendiges Nachschlagewerk. Es beschäftigt sich mit „spirituellen“ Philosophien und Methoden, also nicht mit Religionen, Religionswissenschaft oder Theologie. Es grenzt sich in vieler Hinsicht auch ab vom „Okkultismus“, den so genannten Geheimwissenschaften, und auch dem, was heute unter dem Populärbegriff der „Esoterik“ bis in die Wellness-Magazine Eingang gefunden hat (…). Es sollte aber auch die neueren Entwicklungen der Philosophie, der Geisteswissenschaften, der Psychologie und Neurobiologie berücksichtigen. Seit dem Aufkommen der „neuen Spiritualität“ all der geistigen Strömungen von der Theosophie über die humanistische Psychologie bis hin zu den rasanten Forschungsentwicklungen auf zahlreichen Gebieten, von der Archäologie über die Ethnologie, bis hin zur Quantenphysik und Chaos-Theorie hat sich die Sprache und das Weltbild der Menschen heute, die über den „Sinn des Lebens“ nachdenken, grundlegend verändert.“

Im Weiteren weist der Autor darauf hin, dass sich das Christentum nicht mehr einer unangefochtenen Position erfreuen kann, sondern mit vielen anderen spirituellen Lehren, Ideen und Religionen im Wettbewerb steht, im fruchtbaren Wettbewerb, auch wenn es so mancher deren Vertreter noch immer anders sieht. Im Übrigen trifft dies auch auf alle anderen institutionalisierten Religionen zu, was vor allem das Problem des „Fundamentalismus“ und den damit oft verbundenen „Fanatismus“ zur Sorge Nummer 1 auf unserer Welt zu machen droht. Besonders in einfach strukturierten Kreisen hat der extreme Umbruch von Gesellschaft, Wirtschaft, Technologie und Wissenschaft oft genug zur Folge, dass die Menschen ihren geistigen Halt lieber in unbeweglichen Glaubenssätzen suchen, anstatt eigene spirituelle Erfahrungen zu machen.

Dennoch – so der Autor – bewegt sich etwas, insbesondere in Europa. Die Menschen sind es leid, in Dogmen gefangen zu bleiben, und dies angesichts einer Vielfalt an geistigen Strömungen, die – wenn man sich einen entsprechenden Durchblick verschafft hat – keinesfalls anderen Glaubensrichtungen überlegen sind.

Deshalb soll aus unterschiedlichen Wegen und spirituellen Traditionen aus aller Welt eine Auswahl an Ideen, Informationen und Werken vorgestellt werden, die dazu beitragen könnte, das Bewusstsein des interessierten Lesers zu erweitern, ohne sich in fest gefügten Weltanschauungen oder Dogmatismen zu verfangen.

„Lehren können nur der Finger sein, der auf den Mond deutet, doch er ist nicht der Mond selbst“ (Zen-Sinnspruch).

Allerdings – so räumt der Autor ein – gerade das Thema „Spiritualität“ oder „andere Wirklichkeiten“ ist so komplex und umfangreich und schwer zu beurteilen, weil es in vielen Fällen nicht unmittelbar überprüfbar oder erfahrbar ist. Sein Rat: Das eigene Wissen oder die Sachkenntnis über ein Gebiet dadurch zu verbessern und zu befruchten, dass man es wagt, „über den Zaun zu blicken“.

Dass gerade ein solches lexikalisches Angebot seine Schwäche hat, ja geradezu haben muss, was Umfang, Auswahl, vielleicht sogar Blickrichtung und (unbewusst subjektive) Interpretation anbelangt, das leugnet der Autor nicht. „Vollkommenheit ist niemals vollständig; es gibt immer Dinge und Ideen, die dem einen viel bedeuten, dem anderen wenig“. Dafür bieten sich dann entsprechende Querverweise und – wie bereits erwähnt – ein geradezu mustergültiges Literaturverzeichnis einschließlich Internet-Quellen an, aufgelistet nach Themen-Schwerpunkten und in Einzelfällen sogar mit einer Kurz-Charakterisierung. Dieses Literatur-Angebot ist es dann auch, was selbst jene Skeptiker überzeugen dürfte, die der Meinung sind, über das schier unüberblickbare Phänomen der Spiritualität lasse sich auch in einem Lexikon kein hinreichender Überblick vermitteln, schon gar nicht, wenn es sich nicht um ein Experten-Team, sondern „nur“ einen einzelnen Autor handele.

Dieses Buch allerdings belehrt einem eines Besseren. Dieser einzelne Autor übernimmt sich auch nicht, sondern bietet sein Wissen, seine speziellen Kenntnisse und sogar seine inhaltlichen wie methodischen Zweifel an, die er mit einem Satz von John G. Bennett zusammenfasst: „Wenn eine Anzahl ganz verschiedener Ansichten und Meinungen aufrichtig von Menschen vertreten wird, ist es ein Fehler, einige Ansichten für wahr, andere für falsch zu halten. Es ist sogar ein großer Fehler. Es bedeutet gewöhnlich, dass niemand imstande ist, weit genug zu sehen und jeder eine Teilwahrheit für die ganze Wahrheit hält.“

  • Das Lexikon der Orakel

Das Wort „Orakel“ hat in unserer Zeit und Gesellschaft einen schweren Stand. Was sagt das Lexikon: Rätselwort, rätselhafter Spruch bzw. Weissagung in rätselhafter Form oder Ort der Weissagung im Altertum (z. B. Delphi). Orakelhaft gilt als dunkel und unverständlich und wenn einer „orakelt“, dann redet er in Rätseln, bleibt bei Andeutungen oder äußert gar unbestimmte Prophezeiungen – alles Begriffe, die sich auch abwertend verwenden lassen. Das war nicht immer so, wie wir aus der Geschichte wissen. Und es wird wohl auch nicht so bleiben. Denn wie heißt es ganz richtig im Lexikon der Orakel:

Seit dem der Mensch lernte, immer stärker seiner selber bewusst zu werden, entfremdete er sich zusehends von Natur und göttlicher Welt, die zu immer undurchschaubareren und damit Angst einflössenden Sphären verkam. Wer sich nicht aufgehoben fühlt in seinem Schicksal, sorgt sich um die Zukunft. Deshalb will er wissen, was ihm vergönnt ist oder droht. Und daher gibt es das Orakel seit Menschengedenken.

Heutzutage sollte man allerdings vorsichtig sein, zumindest in „gehobenen Kreisen“, wenn man sich zu Weissagungen bekennt. Das ist im „höchsten Maße“ unzeitgemäß, oder gar „verwerflich“ und wirft ein schlechtes Bild auf den aufgeklärten Menschen in unserer Zeit und Gesellschaft.

Die Realität sieht natürlich anders aus, besonders wenn sie sich nicht durch öffentlichen Tadel bedroht oder gar der Lächerlichkeit ausgeliefert sieht. Und es ist auch gar nicht erwiesen, dass wir uns heute so viel besser stellen wie frühere Generationen, die sich einer Vielzahl von Orakel-Methoden bedienten (ganz zu schweigen von Exzessen oder gar Betrug, was am ehesten im Gedächtnis bleibt und dann auch alles, rundweg alles negativ einfärbt).

Wenn es aber immer noch Menschen gibt, die sich diesem oder jenem Orakel anvertrauen (manche sogar unterwerfen, aber das war in früheren Jahrhunderten oder gar Jahrtausenden mitunter sogar die Regel), dann wäre eines auf jeden Fall nicht falsch: Kenntnis, Wissen, zumindest ein Überblick oder bei offenen Fragen „gewusst wo“.

Nun gibt es in der entsprechenden Literatur ein reichliches Angebot zu diesen Phänomenen, Methoden und Konsequenzen, vor allem zu den Repräsentanten der jeweiligen Richtungen und Verfahren, so dass man rasch zu erlahmen droht oder misstrauisch wird. Und weil man unbefriedigt bleibt, wird man auch leicht negativ gestimmt und damit ungerecht. Denn je mehr man weiß, desto zurückhaltender ist man in der Regel in seinem Meinungsbild. Was also auch hier tun?

Unsere erneute Empfehlung lautet, sich entsprechender Lexika zu bedienen. Sie entheben uns der Mühsal, das verfügbare Wissen zusammenzutragen, zu sichten, zu ordnen, ggf. zu kommentieren. Das können Experten-Komitees unter der Leitung eines profilierten Herausgebers sein, das können auch einzelne Autoren oder sich ergänzende Klein-Teams sein. So auch in diesem Fall der Psychologe, Psychotherapeut, Volkskundler, Supervisor, Markt- und Trendforscher W. Bauer (*1940), der sich in zahlreichen Werken einen Namen gemacht hat, z. B. zu Symbolkunde, Altes Wissen, Volksbotanik, religions-psychologische Fragen u. a. Sein Co-Autor ist C. Zerling (*1951), Publizist und Journalist für Kult- und Kulturgeschichte, Brauchtum und Symbolik im Bereich von Göttern, Mensch und Tier. Sie haben für ihr Lexikon der Orakel den alt-griechischen Tragödiendichter Sophokles zum Mentor genommen: „Verbirg nichts! Denn die Zeit, die alles sieht und alles hört, faltet alles auf.“ Oder moderner: „Respektiere die Vergangenheit … achte die Zukunft … und gestalte die Gegenwart.“

Das übersichtlich gestaltete Lexikon mit guter Schrift und kurzweiligem Bildmaterial ausgestattet, besticht vor allem durch die „leichte Feder bei durchaus schwerem Text“. Hier macht sich das jeweils spezialisierte Teammitglied schon einmal vorteilhaft bemerkbar (s. o.). Gedacht ist es als erster Überblick zur raschen Information (wobei es ja erfahrungsgemäß meist bleibt, das ist kein Vorwurf, das ist ein optimaler Wissens-Erwerb, es sei denn, man will sich tiefer einlesen, und dem dient auch hier das durchaus respektable Literaturverzeichnis).

Der Inhalt ist nicht ohne Fußangeln, wenn nicht gar von „Heckenschützen“ bedroht. Dabei soll ja niemand überzeugt oder gar überredet werden; das Ganze hat eine klare, rein informative Linie und strahlt fast eine wohltuende Gelassenheit im Plauderton aus. Spezialisten, die sich der Kritik verpflichtet sehen, mögen so manches Korrektur- oder Ergänzungsbedürftige finden (der Psychiater beispielsweise die Bitte, nicht vom „Unterbewusstsein“ zu reden, auch wenn es langsam Mode zu werden droht, das Unbewusste im Seelenleben einfach „stockwerkmäßig“ zu veranschaulichen). Doch für das, was die Autoren im Sinn hatten, sind sie zu beglückwünschen, nämlich: Dieses Lexikon führt zu den bekanntesten Orakelstätten der Alten Welt und stellt sowohl die klassischen Propheten wie auch modernen Wahrsager vor. Aus einer unüberschaubaren Anzahl von Orakelverfahren findet der Leser die in Mitteleuropa gängigen samt Anleitung zur Vorgehensweise. Er erfährt dabei recht unterhaltsame Aspekte, z. B. aus der Beobachtung ungewöhnlicher Ereignisse auf scheinbar unabwendbare Folgen zu schließen. Daneben versuchen die Herausgeber in speziellen Stichwörtern kritisch zu hinterfragen, wer Antworten auf unsere Orakelfragen gibt und welchen Wert diese haben.

Orakel sind so alt wie die Menschheit und werden die Menschheit wohl auch bis ans Ende ihrer Tage begleiten. Das liegt in ihrer Natur. Ob man es akzeptiert, braucht oder nicht, entscheidet jeder für sich selber. Gerade weil aber die Not in jeglicher Form – seelisch, psychosozial, körperlich, wirtschaftlich u. a. – anfällig macht, anfällig z. B. auch für Weissagungen, kann ein „gesunder“ Kenntnisstand darüber nicht schaden. Dieses Lexikon hilft dabei.

Das wären also zwei Nachschlagewerke, wie man sie nicht alle Tage findet. D. h. finden kann man derlei schon, und zwar derzeit mehr denn je. Der Markt steht bereit und die Offerten drängen sich aus allen Ecken und Enden förmlich auf (siehe Einleitung). Deshalb gilt es den Spreu vom Weizen zu trennen. Der Atmosphären-Verlag hilft dabei (VF).

Bei allen Ausführungen handelt es sich um allgemeine Hinweise.
Bei persönlichen Anliegen fragen Sie bitte Ihren Arzt.
Beachten Sie deshalb bitte auch unseren Haftungsausschluss (s. Impressum).