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K.-L. Täschner, B. Bloching, G. Bühringer, G. Wiesbeck:
THERAPIE DER DROGENABHÄNGIGKEIT
Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart 2010. 2. völlig überarb. u. erw. Aufl., 296 S., € 49,90.
ISBN 3-17-020860-5

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Man sollte es angesichts der heutigen medizinischen, gesellschaftlichen, kriminalistischen, ja finanziell-wirtschaftlichen Situation nicht für möglich halten, aber Rauschdrogen waren vor etwa einem halben Jahrhundert in Europa kein Problem, das die Gemüter beunruhigt hätte, und zwar weder die Fachärzte noch die Allgemeinheit. Wer das nicht glauben mag, befrage die noch für diesen Zeitraum erinnerungs-fähigen Nervenärzte. Dann aber rollte die bestenfalls erahnte Drogen-Flut über Mitteleuropa hinweg: erste Krisen-Schwerpunkte waren London, Amsterdam, Berlin, Basel u. a. Doch nur in Basel hatte man die Initiative und vor allem das Geld (reicher Kanton Basel-Stadt: Pharma-Industrie!), um die erste Drogen-Spezialabteilung aufzubauen. Das war eine wahre Pionier-Arbeit, denn außer einigen durchaus verdienstvollen Sammelwerken gab es in deutscher Sprache praktisch nichts, was das in seiner Vielschichtigkeit durchaus neue Phänomen auch nur annähernd zu beschreiben vermochte.

Da aber die Rauschdrogen-Problematik immer bedrängender wurde, mussten sich auch andere Institutionen damit beschäftigen, notgedrungen, und die Zahl der Experten nahm (langsam) zu. Einer davon war Professor Dr. Karl-Ludwig Täschner, vor seiner Pensionierung Ärztlicher Direktor der Psychiatrischen Klinik des Bürgerhospitals Stuttgart, jetzt Leiter des Instituts für Psychiatrische Begutachtung, Stuttgart. Er gab dann auch vor einem Vierteljahrhundert die 1. Auflage vorliegenden Bandes heraus, lange Zeit das Rückgrat entsprechender Fachinformationen, bis es vergriffen war. Schon damals ging es dem Autor vor allem um die Korrektur gängiger Missverständnisse und Vorurteile über das Drogenproblem und die Möglichkeiten, aber auch Grenzen der Behandlung von Drogenabhängigen.

Jetzt liegt die 2. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage vor. Schafft das noch ein einzelner Fachmann? Das wird generell immer seltener, weil real kaum leistbar, und auf diesem Gebiet schon gar nicht. Deshalb sah sich Professor Täschner nach erfahrenen Co-Autoren um und wurde dabei auch fündig, wenngleich mit der üblichen zeitlichen Verzögerung, wie das bei einem Mehr-Autoren-Buch die Regel ist. Gleichwohl: Jetzt liegt es vor und dürfte wieder zum Rückgrat entsprechender Fach-Informationen werden: fundiert, umfassend und dabei doch praxis-nah.

Es beginnt, wie es noch die alten Autoren gelernt und praktiziert haben, nämlich mit einer terminologischen Erklärung der Grundbegriffe (was durchaus nötig ist), setzt sich mit der Wirkung der wichtigsten Störungsbilder psychoaktiver Substanzen auseinander, insbesondere was die Folgen chronischen Konsums anbelangt und geht schließlich über die Ätiologie (biologische, psychologische, soziale und neurobiologische Aspekte) zur Epidemiologie (Jugendliche, Erwachsene, europäischer Vergleich u. a.) über. Danach folgen Großkapitel über Aufgaben und Ausstattung entsprechender Einrichtungen der Suchtkrankenhilfe, professionelle Interventions-Verfahren, Selbst- und Laienhilfe, Beispiele für entsprechende Behandlungs-Einrichtungen und spezielle Fragen im Umfeld der Therapie (bei Letzterem nicht zuletzt die Kosten-Nutzen-Analysen, die Drogenpolitik und Ausbildungsfragen für Sozialarbeiter/Sozialpädagogen, Psychologen und Mediziner).

Man hat es zwar nicht mehr erwartet, aber jetzt ist es da. Und zwar so, wie man es dann doch erwartet hätte. Das Vierteljahrhundert bis zur 2. Auflage war zwar lang, aber hat sich gelohnt. Denn das, was sich vor einem halben Jahrhundert kaum, zumindest aber nicht adäquat abschätzen ließ, hat sich als bittere Entwicklung und Erfahrung erwiesen. Rauschdrogen wurden keine Mode-Diagnose, kein auf den US-amerikanischen Markt konzentriertes Phänomen und keine Krankheit, mit der man rasch fertig zu werden meinte. Rauschdrogen haben immensen Schaden angerichtet, d. h. viele Menschenleben zerstört (und sogar vernichtet), Partnerschaften und Familien zerrüttet, gewaltige Kosten verursacht und eine Reihe von zusätzlichen Krankheitsbildern verstärkt. Da ist ein Buch wie das von Professor Dr. K.-L. Täschner und seinen spezialisierten Mit-Autoren mehr als notwendig und zeigt vor allem mit seiner 25-jährigen Buch-Geschichte, dass das Problem noch lange nicht ausgestanden ist – wahrscheinlich nie abgeschlossen sein wird (VF).

Bei allen Ausführungen handelt es sich um allgemeine Hinweise.
Bei persönlichen Anliegen fragen Sie bitte Ihren Arzt.
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