ZUR PSYCHOGYGIENE VON HUMOR, LACHEN UND GEHOBENER ALBERNEHIT

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Einige ernste Worte zu einer heiteren Gemütsregung

Humor, Lachen und gehobene Albernheit – welch schöne, ja trostvolle Worte. Wer möchte sie nicht besitzen, diese segensreichen Eigenschaften. Sind sie denn wirklich so selten, so ungleich verteilt, so wenig verfügbar und damit hilfreich?

Nein: Humor, Lachen und gepflegte Albernheit sind weit verbreitet, weiter, als so mancher Pessimist behauptet. Sie sind aber auch vielschichtig, ein Teil unserer Gesellschaft und Kultur – und das in jedem Land, in jedem Volk, ja sogar in jeder Gemeinschaft, Familie und Partnerschaft. Und deshalb beschäftigt sich auch die Wissenschaft immer intensiver damit, vor allem Medizin und Psychologie.

Was also sollten wir wissen? Was könnte uns im Alltag weiterhelfen? Wo haben Humor, Lachen und Albernheit ihren (heimlichen) Stellenwert, ihre stützenden, gesundheits-erhaltenden, ja vorbeugenden Funktionen? Und wo und warum fehlen sie? Gibt es Unterschiede nach Alter, Geschlecht, Herkunft, sozialer Schicht usw.?

Dazu eine komprimierte Übersicht, gleichsam einige ernste Worte zu einer heiteren Gemütsregung.


Erwähnte Fachbegriffe:

Humor – Lachen – Albernheit – Humorlosigkeit – deutscher Humor – „ausländischer Humor“ – Geschichte des Humors: Ägypten, Antike, Mittelalter, Neuzeit – Sinnsprüche über Humor und Humorlosigkeit – Psychologie des Witzes – wissenschaftliche Erkenntnisse zu Humor, Lachen und Albernheit – Nonsens-Humor – Blondinen-Witze – Schotten-Witze – Sex-Witze – psychologische, geistige und landsmannschaftliche Voraussetzungen für Humor-Bereitschaft – Seelenlage der Humoristen selber – Humor und Alter – Lach-Bereitschaft und Alter – deutscher Humor regional gesehen – Humor in der Schweiz – Humor in Österreich – Humor in Wien – Lachen aus wissenschaftlicher Sicht – Lach-Wissenschaft – Gelotologie – Humor und Optimismus – Humor und Pessimismus – Lach-Muskeln – Lach-Mimik – Lachen und Lebensalter – Kinderlachen – Erwachsenen-Lachen – Senioren-Lachen – körperliche Lach-Folgen – geistige Lach-Folgen – seelische Lach-Folgen – Lachen neurophysiologisch gesehen – Lachen neurochemisch gesehen – Biologie des Humors – Biologie des Lachens – Lach-Therapie – Lach-Bewegungen weltweit – Lach-Bewegungen in Deutschland – Lach-Yoga – Klinik-Clowns – clownesker Humor in der Medizin – Ausbildung zum therapeutischen Lachen – Lach-Zwang – berufliches Dauer-Grinsen – psychologische Hintergründe des Humors – psychologische Hintergründe des Lachens – Lachen und Geschlecht – Männer-Lachen – Frauen-Lachen – Lachen und gesellschaftliche Zwänge – Lachen in der Psychotherapie – jüdische Humor – Lachen und Persönlichkeit: Unterhalter, Lebensphilosoph, Angriffslustiger, Defensiver u. a. – Lachen als Krankheit – seelische und körperliche Krankheiten mit Humor-Verlust: chronischer Schmerz, Alzheimer-Demenz, Parkinson-Krankheit, Epilepsie, Depressionen, Schizophrenie, Burnout u. a. – positiver Humor-Stil – negativer Humor-Stil – Humor und Lachen in Diktaturen – zur Psychologie von Albernheit und Blödelei – Psychohygiene von Humor, Lachen und Albernheit u.a.m.

„Lachen ist gesund“ und „Humor ist wenn man trotzdem lacht“. Wer kennt sie nicht, diese beiden wohl bekanntesten Sinnsprüche zu diesem Thema. Und doch: Wenn man sich über das Lachen gezielter informieren will, gerät man rasch in trockene Bereiche – besonders im deutschen Sprachraum bzw. durch die deutsche Mentalität.

Der Deutsche ist humorlos – sagt man…

Jeder weiß oder glaubt zu wissen: Der deutsche Humor hält sich in Grenzen. Die Heiterkeit der deutschen Wesensart sei beispielsweise mit englischem Humor oder südländischem Temperament in nichts zu vergleichen. Ausländer, die die deutsche „Seelenlandschaft“ studiert haben, behaupten mehrheitlich, der Deutschen wichtigste Redewendung lautet: „Spaß beiseite...“.

Ähnlich die Bemerkung: „Spaß muss sein!“. Oder gar auf die Spitze getrieben, nämlich wenn es ernst wird: „Das kann ja heiter werden…!“ Und auch das eher als Kompliment gedachte: „Schon lange nicht mehr so gelacht“, ist eigentlich eher traurig.

Nun, wie auch immer: Spaß beiseite, es ist was dran. Zwar verzieht sich nicht jeder, der einmal lachen will, gleich in den Keller, wie uns unterstellt wird, aber Humor, Heiterkeit und vor allem Lachen und gehobene Albernheit gehören nicht zu unseren Stärken, jedenfalls nicht im internationalen Vergleich, so sagt man. Und wer sagt das? Vor allem wir Deutschen selber. Beispiel:

Deutscher Humor ist ja ein echter Schlankmacher: Man muss meilenweit laufen, bis man ihn trifft (Dieter Hallervorden).


Natürlich gibt es auch internationale „Schmähungen“, und zwar reichlich. Und dass diese gegenseitigen Attacken nicht nur den Humor betreffen, beweist auch der bekannte amerikanische Komiker Groucho Marx, man erinnere sich an die Marx-Brothers: Seine drei kürzesten Bücher der Welt-Literatur haben den Titel: „Geheimnisse der britischen Küche“, „Italienische Kriegshelden“ und – natürlich – „Tausend Jahre deutscher Humor“…

Wer nun das alles nicht glauben mag, der lese im Standardwissen einer jeden Nation nach, nämlich in den Zitaten, Redensarten, Aphorismen und Aussprüchen, die ja bekanntlich die Volksseele am besten treffen.

Zwar stehen uns mehr als ein halbes hundert deutschsprachige Zitatenbücher zur Verfügung. Und über alles gibt es was zu lesen – nur nicht über das Lachen bzw. in der Tat erbärmlich wenig. Und das meiste macht einen auch nicht so recht froh. Das Lachen, die schönste und befreiendste menschliche Regung wird eher als verdächtig bis gefährlich eingestuft. Das betrifft allerdings nicht nur die deutsche Mentalität allein (siehe später). Nicht umsonst heißt es ja international: Only bad news are good news. Und auch der reine Sprachschatz spricht Bände. So hat einer, der es genau wissen will herausgefunden, dass in einem Wörterbuch durchschnittlichen Umfangs von mehr als 100.000 Wörtern nur rund 4.200 als positiv, anregend, freudvoll bezeichnet werden können. Das sind knapp 4%. Dagegen finde man doppelt soviel bedrückende, herabsetzende, negative oder gar hinterhältige Wörter, nämlich mehr als 8.800 (Neil James). Kein Wunder, wenn der natürliche Gesprächsfluss, die Gedanken und Ideen eher zum Negativen tendieren, zumal uns das Negative offenbar weit schneller von der Zunge geht als das Positive. Aber zurück zum Thema. So heißt es beispielsweise:

-Die Hälfte der Menschen lacht auf Kosten der anderen (ein zwar altes Problem, das sich aber heute vor allem bestimmte Radio- und Fernseh-Modera­toren zunutze machen, was besonders Jugendlichen imponiert – leider)

-Oder etwas anders ausgedrückt: Unter Humor verstehen die meisten Menschen das Gelächter über Dinge, die einem anderen zugestoßen sind (Curt Goetz, Schriftsteller und Theaterautor)

-Es lacht mancher, der lieber weinen möchte

-Je mehr Narren, desto mehr Gelächter

-Oft lacht der Mund, wenn das Herz weint

-Es lacht mancher, der beißen will

-Das Lachen würde seinen Zweck verfehlen, wenn es von Sympathie und Güte gekennzeichnet wäre (Henri Bergson, Philosoph)

Oder noch negativer:

-Witz ist doch immer die Degradierung eines anderen (Henri Bergson)

und so manches andere mehr.

Die Mehrzahl dieser Sinnsprüche drängt also in Richtung: Vorsicht, wer lacht, führt etwas im Schilde, will Sie aufs Glatteis führen, oder hat zumindest keinen Grund bzw. lacht, obgleich es ihm elend zumute ist.

Glücklicherweise gibt es auch einige positive Lach-Interpretationen aus dem Weisheitsschatz der Menschheit, insbesondere was einen der häufigsten Lach-Auslöser anbelangt, den Witz:

-Der Mensch ist ein lachendes Lebewesen (Spinoza, Philosoph)

-Oder der Schauspieler Heinz Rühmann, der so viele Menschen in Rührung und Lachen zugleich versetzt hat: Lächeln ist das Kleingeld des Glücks

-Oder sein englischer Schauspielerkollege Peter Ustinov: Lachen ist die zivilisierteste Form menschlichen Geräuschs

-Oder die sinn-gleiche Aufforderung aus dem humoristischen Volksschatz: Der verlorenste aller Tage ist der, an dem man nicht gelacht hat (Nicolas de Chamfort) bzw. vom wohl berühmtesten Leinwand-Humoristen seiner Zeit, nämlich Charlie Chaplin: Ein Tag, an dem man nicht lacht, ist ein verlorener Tag.

-Humor ist keine Gabe des Geistes, es ist eine Gabe des Herzens (Ludwig Börne, Schriftsteller).

-Humor ist die Kunst, sich ohne Spiegel selbst ins Gesicht zu lachen (Paul Hörbiger, Schauspieler).

Oder international:

-Lache, und die Welt lacht mit Dir; weine, und Du weinst allein (sagen die Amerikaner)

-Lachen reinigt die Zähne (sagt man in Afrika)

-Nur Kinder verstehen es, vollkommen arglos zu lachen, deshalb sind sie auch so bezaubernd (sagt man in Russland)

-Wer grundlos lacht, lacht am besten (mahnt der Schriftsteller Ephraim Kishon, eine jüdische Weisheit zitierend)

Und einiges über Witze:

-Der Witz ist das einzige Ding, was umso weniger gefunden wird, je eifriger man es sucht (Friedrich Hebbel, Dichter)

-Der Witz ist ein verkleideter Priester, der jedes Paar traut (Jean Paul, Dichter)

-Gelehrter Witz ist selten nütz

-Witze und Geldborger müssen unangemeldet kommen

-Jeder hat einen Narren im Ärmel

-Witz: Das Niesen des Gehirns (Alfred Polgar, Schriftsteller)

und anderes mehr.

Humor und Lachen in der Geschichte

Der Humor im Allgemeinen und das Lachen im Speziellen hat die Menschheit von jeher bewegt – so oder so. Nachfolgend deshalb eine kurz gefasste Übersicht (u. a. zitiert aus D. Thoma u. Mitarb., 2003 und P. Köhler, 2004 – siehe weiterführende Literatur):

Man nimmt an, dass die Menschen seit etwa 200.000 Jahren sprechen können. Seitdem werden sie einander alles Mögliche erzählt haben – wohl auch lustige Begebenheiten, vielleicht sogar Witze. Allerdings wurde alles erst einmal mündlich überliefert. Eine Schrift gibt es erst seit etwa 5.000 Jahren. Als Schriftträger nutzte man zunächst Stein, Ton, Holz, Metalle, Tierhäute – und schließlich Papyrus. Und hier denkt man sofort an die Ägypter.

Tatsächlich sollen schon die Ägypter Witze oder wenigstens witzige Scherzfragen gekannt haben. Deren ältestes Beispiel wurde auf einem alten Papyrus gefunden – 4.600 Jahre alt. Er lautet, für unser Verständnis vielleicht ein wenig flach, aber wir hatten ja auch Tausende von Jahren Zeit uns in puncto Humor zu vervollkommnen…: „Wie heitert man einen gelangweilten Pharao auf? – Indem man eine Schiffsladung junger Frauen, die nur Netze anhaben, über den Nil schwimmen lässt – und den Pharao zum Angeln schickt…“.

Eines jedenfalls beweist dieser mumifizierte Witz: Der Witz machte schon immer vor nichts halt, auch nicht vor dem obersten Würdenträger der altägyptischen Gesellschaft, später sogar gott-gleich. Doch schon in der Antike schieden sich die Geister, was Humor im Allgemeinen und das Lachen im Speziellen anbelangt – und darf. So beschrieb der antike Dichter Homer beispielsweise das „unauslöschliche Gelächter der seligen Götter“, während der Philosoph Plato diese „Enthemmung“ mit dem Hinweis tadelte, hier würden die Himmelsbewohner ein schlechtes Vorbild abgeben.

Auch die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse über den therapeutischen Wert des Lachens sind natürlich so alt wie die Menschheit. Schon der antike Philosoph Demokrit propagierte nicht nur das seelische Gleichgewicht, sondern auch die Gemütsruhe: Ziel aller Erkenntnisse und Lebensweisheiten. Und hier vor allem die Fröhlichkeit und das Lachen. Deshalb galt er auch als „lachender Philosoph“.

Und sein römischer Kollege Quintus Horatius Flaccus mahnte: Ein Scherz, ein lachend Wort entscheidet oft die größten Sachen treffender und besser als Ernst und Schärfe.

Deshalb wurden auch im Altertum Witze gerissen, wofür sogar Witz-Bücher im Gebrauch waren. Die griechische, vermutlich in der Spät-Antike angelegte Sammlung „Der Lachfreund“ von Hierokles und Philagrios hat sich bis heute erhalten. Darin findet sich sogar ein Witz, der noch immer kursiert, vor allem in wirtschafts-politischer Hinsicht, auch wenn er längst einen langen Bart trägt: „Ein Studierter wollte seinem Esel das Fressen abgewöhnen und gab ihm kein Futter mehr. Als der Esel vor Hunger starb, sagte er: Wie schade! Gerade, als er gelernt hatte, nicht mehr zu fressen, ist er gestorben!“

„Der Lachfreund“ war aber nicht die einzige und schon gar nicht die erste Witz-Anthologie. Schon der römische Dramatiker Plautus erwähnte solche Zusammenstellungen, mit denen sich professionelle Spaßmacher am Tisch der Reichen für Unterhaltung munitionierten (und später wahrscheinlich auch die Komödien-Dichter).

Im Mittelalter aber verdüsterte sich wieder das Gemüt, was vor allem „von oben“ herab diktiert wurde – besonders aus machtpolitischen Gründen, auch und vor allem von kirchlicher Seite. Das ging soweit, dass man das Lachen stellenweise als Sünde geißelte. Der Mensch sollte Jesus Christus nacheifern, von dem kein Lachen überliefert ist. Das Diesseits bedeutete nicht Lebens-Erfüllung, sondern Vorbereitung auf das Jenseits. Hier hatten Lachen, Humor und Komik keinen Platz (mehr). Die Lach-Feindlichkeit der Kirche wurde begründet mit dem himmlischen Lachen als Lohn für die Lach-Enthaltung auf Erden.

Trotzdem war natürlich das Lachen nicht zu unterdrücken, wie uns die Mediävisten, die Mittelalter-Forscher bestätigen. Es gab sogar eine Poetik des Lachens in mittelalterlichen Romanen mit einem reichen Fundus an Obszönitäten und Belanglosigkeiten, aber auch gesellschaftlichen Ereignissen. Im Parzival-Roman von Wolfram von Eschenbach wurden in den knapp 25.000 Versen an die 40 Lach-Belege gefunden – immerhin. Dabei geht es nicht nur um soziales Lachen zum sinn-stiftenden Nachdenken, es war auch schon damals eine Poetik des Lächerlichen üblich, also auch des Lächerlich-Machen.

Gedruckte Witze-Sammlungen in deutscher Sprache gab es schon seit bald 200 Jahren, was sogar die Großen des Geistes wie Goethe zu nutzen wussten (z. B. „Berliner Witze und schnelle Erwiderungen“).

Trotzdem, übertrieben hat man es wohl nicht. Selbst Anfang des 20. Jahrhunderts stand es offenbar noch immer nicht hoch im Kurs, das Lachen. So liest man in Meyers Konversationslexikon von 1900 lediglich: Lachen ist eine eigentümliche Modifikation der Atembewegungen, bei der die Ausatmung in mehreren schnell hintereinander folgenden Stößen unter mehr oder weniger starkem Schall ausgeführt wird, während die Einatmung meist in einem kontinuierlichen, etwas beschleunigtem und tiefem Zug geschieht... Diese Bewegung ist stets mit einer Zusammenziehung der mimischen Gesichtsmuskeln verbunden, die im Wesentlichen auf eine Verbreiterung der Mundspalte und Hebung der Mundwinkel hinausläuft.

Während der beiden Weltkriege, aber auch davor, dazwischen und danach war es den Betroffenen meist nicht zum Lachen. Oder eher ironisch, zynisch bis sarkastisch getönt (wie so manche bitteren Verse und Abhandlungen der Humoristen dieser Epoche belegen: z. B. zuvor Wilhelm Busch, später Berthold Brecht, Karl Kraus, Kurt Tucholsky, Ringelnatz, Morgenstern, Eugen Roth, Erich Kästner, Heinz Erhardt, Werner Finck, Robert Gernhardt, Loriot u.a.m.). Doch verlernt hat die Menschheit das Lachen nie, nicht einmal in der schweren Zeit der Diktatur und Tyrannei (siehe später). Außerdem:

Es gibt einen Welt-Lach-Tag

Jeweils am ersten Sonntag im Mai wird der Welt-Lach-Tag („World Laughter Day“) begangen.

Punkt 14.00 Uhr deutscher Zeit (12:00 GMT) wird dabei gemeinsam für drei Minuten gelacht.

www.laughterfoundation.org


Neuere wissenschaftliche Erkenntnisse

Inzwischen ist aber zweierlei klar:

  1. Vorurteile halten sich lange, und hier vor allem dann, wenn die Betroffenen selber dazu beitragen. Die Deutschen sind ein solches Beispiel.
  2. Der Humor ist nicht nur so alt wie die Menschheit, er hat auch – wie oben dargelegt – seine eigene Geschichte, entwickelt sich in diese oder jene Richtung. Der Humor ist aber auch ein Teil der jeweiligen gesellschaftlichen Struktur. Und deshalb kann man – zumindest heute – nicht mehr von den gleichen Voraussetzungen ausgehen, wie das vielleicht früher seine Berechtigung hatte.

Nachfolgend deshalb eine kurz gefasste Übersicht zum Thema „Humor“ (und damit auch zum Lachen), wie es der österreichische Psychologie-Professor Willibald Ruch von der Universität Zürich in einem Interview zusammenfasste, das er als Präsident der Internationalen Gesellschaft für Humor-Studien und anhand eigener internationaler Studien gab (SZ Wissen 5 (2005) 57). Seine Schlussfolgerung:

Die meisten Vorurteile treffen nicht (mehr) zu. Das betrifft vor allem Humor, Witze und Cartoons und ihre Folgen in Deutschland, Frankreich, Italien, England, Türkei, Israel und Amerika. So werden die Deutschen zwar als etwas „dumpfbackig“ angesehen, und schlucken diese Häme auch brav, doch die internationalen wissenschaftlichen Untersuchungen besagen etwas anderes, und zwar Überraschendes:

Beispielsweise Nonsens-Humor (Mischwort aus dem Lateinischen und Englischen mit der direkten Übersetzung „Unsinn, dummes Zeug“) stammt ja eigentlich aus England. Am liebsten mögen ihn aber die Deutschen, und zwar mehr als die Briten selber.

Heute ist Nonsens auch ein beliebtes Forschungs-Projekt im Rahmen von Humor-Studien. Hier lassen sich die jeweiligen Persönlichkeits-Merkmale am besten herausarbeiten. Das erwähnte nebenbei schon J. W. v. Goethe, als er sinngemäß bemerkte, dass der Mensch seinen Charakter durch nichts mehr preisgibt als durch das, was er lustig findet.

Tatsächlich sind Menschen, die Nonsens mögen, generell eher offen für neue Erfahrungen, interessieren sich für Fremdes, denken komplexer und sind kreativer. Da dürfen sich die Deutschen freuen.

Umgekehrt: Menschen, die Schotten- und Blondinen-Witze mögen, sind eher Schwarz-weiß-Denker, die im Leben Klarheit, Stabilität und Sicherheit bevorzugen und deshalb auch für law and order sind und eher konservativ wählen, so Professor W. Ruch.

Deshalb dazwischen mal ein klassisches Vorurteil:

Woran erkennt man einen schottischen Dampfer? Keine Möwen!


Auf jeden Fall sind die gängigen Vorurteile aus heutiger Sicht nicht mehr zu halten. Das hat auch die Wissenschaftler der beteiligten Nationen überrascht. Denn der Einwand, so etwas wie Humor könne man doch nicht exakt messen, stimmt ebenfalls nicht. Humor, so der Psychologe, kann man messen wie andere psychologische Faktoren auch. Allerdings ist es hier ein wenig komplizierter, gibt es doch verschiedene Komponenten von Humor, bei denen beispielsweise unterschiedlich intensiv logisches Denken, räumliches Vorstellungsvermögen, verbale und rechnerische Fähigkeiten, soziale und emotionale Intelligenz gefordert sind. (Weshalb im Rahmen des Rückbildungsalters offenbar auch die Humorbereitschaft alter Menschen zurückgeht, psychophysisch bedingt – s. später.)

Außerdem bestätigt sich leider oftmals die alte Erkenntnis, die vielleicht schon jeder einmal in seinem Umfeld registriert hat: Menschen, die Humor mögen, sind nicht unbedingt dieselben, die auch Humor produzieren (können). Humoristen sind bekanntermaßen nur selten „Frohnaturen im Alltag“, im Gegenteil: Oft zu Resignation, Angst, ja Schwermut neigend („fassadäre Frohnatur mit depressivem Kern“).


Nun gibt es aber Vorurteile, die so konkret sind, dass man sich einen Irrtum kaum vorstellen kann. Beispiel: Wie sieht es eigentlich mit Sex-Witzen aus?

Die sind in anderen Nationen, zumindest in den untersuchten, statistisch auffällig häufiger als in Deutschland. Das hat nebenbei nicht unbedingt etwas mit der Einstellung zum Sex zu tun. Es ist offenbar vielmehr ein Bedürfnis nach Macht, bei denen auch Klischees (also die erwähnten Vorurteile, ja chauvinistischen Haltungen im Sinne von blindem, exzessivem Nationalismus) eine Rolle spielen.

Die Sexualität allein ist also bei den meisten Sex-Witzen gar nicht so vordergründig. Umgekehrt können Nonsens-Sexwitze durchaus etwas mit Sex zu tun haben, aber eher in spielerischer Einstellung (was dann auch die Deutschen gerne haben – s. o.).

Davon abgesehen sind die Deutschen – so Professor Ruch – nicht so humorlos, wie es im Ausland immer heißt und wie die Deutschen oftmals selber glauben. Nur sind die Regeln bei uns viel strenger, wann etwas witzig sein darf und wann nicht. In den USA und in England umfasst der Humor mehr Bereiche des Lebens als bei uns. Das ist beim Einkaufen schon die Norm, in durchaus ernsthaften Sitzungen nicht selten und selbst im Parlament nicht die Ausnahme. In Deutschland bleibt man da – überall – lieber ernst oder gar „würdevoll“ – wenigstens bisher.

Außerdem muss man – wie erwähnt – natürlich das Alter berücksichtigen (siehe später). Jüngere Menschen zwischen 15 und 30 sind beispielsweise in England, den USA und Deutschland alle ungefähr gleich ernst oder humor-bereit. In der weiteren Entwicklung aber können sich da schon Unterschiede auftun. So nimmt eine „ernstere Geisteshaltung“ in Deutschland ab dem 40. Lebensjahr spürbar zu. Das kann sich aber auch in einer verstärkten schlechten Laune oder häufigen Miss-Stimmung äußern. US-Amerikaner dagegen sind beispielsweise in allen Altersklassen ziemlich gleich ernst oder humor-, zumindest aber lach-bereit, wenn nicht gar „lach-entschlossen“, auch wenn das vor allem den Mittel-Europäern geradezu albern vorkommen kann. Doch das wäre nun wirklich etwas, an dem man arbeiten müsste: die „deutsche Mentalität“.

Deutschland – regional gesehen

Ob die Deutschen also humorvoll sind oder nicht, ist nach wie vor strittig, lässt sich aber nicht mit einem Satz beantworten. Offenbar ist es ein wenig ähnlich wie mit der Deutschen Fußball-Nationalmannschaft: zwiespältig beurteilt, von außen wie von den eigenen Medien, manchmal so richtig niedergemacht, bevor es überhaupt losgeht – und am Schluss doch häufiger im Endspiel als die meisten Konkurrenten (wie heißt es so schön bzw. bitter aus dem Mund der Konkurrenten: „Der Ball ist rund, auf jeder Seite 11 Spieler – und am Schluss siegen die Deutschen“).

Ganz so einfach ist es beim deutschen Humor aber dann doch nicht, eines aber fällt auf, zumindest denen, die sich detaillierter mit diesem Phänomen beschäftigen: „Immer noch geht der Deutsche zum Lachen in den Keller, aber häufig findet er dort eine Kleinkunst-Bühne“, so der Kabarettist Thomas C. Breuer in PSYCHOLOGIE HEUTE 11/2008 unter dem Titel: Deutschland, ein Ernstfall? Haben die Deutschen Humor?

Dabei beginnt auch er in seiner Übersicht, die sich auf die Kommentare einer Reihe seiner Kollegen in Ost und West stützt, mit Kritik, moderne Begriffe nutzend:

Das dem „Schlapp-Lachen“ verwandte „Ab-Lachen“ lässt zwei Deutungs-Möglichkeiten zu: Man hakt Pointen anhand seiner Erwartungsliste ab, oder man lädt durch Lachen Konflikte, Probleme, Nöte ab. Auch das beliebte „Weg-Schmeißen vor Lachen“ zielt in diese Richtung. Und es fällt auf, wie viele Be­griffe aus dem Entsorgungswesen angewendet werden, wenn es um den deutschen Humor geht.

Dass man aber dann doch fündiger wird, gibt zu denken – siehe oben. Und hier stellt sich bei einer so großen, landsmannschaftlich breit angelegten Nation mit mehr als 80 Millionen in der Mitte Europas die Frage: Gibt es regionale Unterschiede? Lacht der Bayer anders als der Hanseat, der Sachse, der Schwabe, der Rheinländer?

Die von Th. C. Breuer befragten Kollegen, junge und ältere Vertreter von Kabarett, Comedy u. a. verweisen erst einmal auf landsmannschaftliche psychologische Basis-Unterschiede. So hänge die Form des Lachens sehr stark mit der jeweiligen Entspanntheit der Leute zusammen; entspannter heißt, man könne auch besser aus sich herausgehen und ungehemmter losbrüllen. Und dieser Grad der Entspanntheit hänge sehr stark nicht nur mit dem jeweiligen Alkoholgenuss, sondern auch den wirtschaftlichen Umständen, den geographischen Begebenheiten und der grundsätzlichen Lebens-Einstellung zusammen – je nach Region. Und dass die einen den anderen wenig Gegenliebe, d. h. humor-bereite Offenheit entgegenbringen, ist unter denen, die sich damit ihr „Humor-Brot“ verdienen, nicht unbekannt. So ist der rheinische Humor für den Süden eher befremdlich; und worüber der Sachse lache, wolle der Pfälzer gar nicht wissen. Der lache höchstens über den Sachsen und seinen Dialekt direkt.

Natürlich gebe es ein paar überregional erfolgreiche Stars, wobei – Kritik unter den professionellen Humoristen – oft auch nur laue Witze-Erzähler seien, mit „subtiler Ironie in keiner Weise verwandt“. Ansonsten sehen einige der Experten ein Nord-Süd-Gefälle (bisweilen sogar innerhalb eines Bundeslandes, z. B. Bayern). Andere aber wenden ein: Mehr Auftritts-Möglichkeiten südlich der Main-Linie ja, mehr Resonanz hingegen nein. Nord, Süd und West reagierten auf die gleichen Lach-Reize. Gut gesetzte Pointen funktionierten überall. Möglich, sagen andere, aber die Bayern und die Rheinländer hätten hier am meisten Vorbehalte, kreisten am ehesten um sich selber. Humor-Potential sei überfall zu finden, doch im Norden fehle es an Initiativen, was wohl auch eine Mentalitäts-Sache sei. Das betreffe vor allem die in bestimmten Teilen Deutschlands dann doch geradezu explodierenden Kleinkunst-Bühnen, getragen von frustrations-fähigen Idealisten, aufgeführt in Gaststätten-Sälen, manchmal sogar auf eigener Bühne, wenn nicht gar in der Stadthalle, aber oft genug nur schwach unterstützt von örtlicher Presse und Kulturpolitik und stets von der Pleite bedroht. Das allerdings sei ein generelles Phänomen, und trotz allem ein erfreuliches, an dem sich inzwischen auch der Norden zunehmend beteilige.

Berlin hingegen sei ein Sonderfall, in jeder Hinsicht, wobei sich seine mentale Insel-Lage auch nach der Wende kaum geändert habe, so manche Humoristen. Schwierig werde es auch zwischen Ost und West (wobei nur Leipzig, die „alte Bildungsbürger-Hochburg eine Ausnahme mache). Allerdings rege sich auch im Osten immer mehr, wobei man aber auf „West-Importe“ ebenfalls nicht scharf sei.

Ein besonderes Problem ist das deutsch-sprachige Ausland, mit ganz unterschiedlicher Einstellung zum „deutschen Humor“, nämlich mit Minderwertigkeitskomplexen in der Schweiz und Überheblichkeit in Österreich:

-Die Schweiz, oder wie unkt sogar die schweizerische satirische Zeitschrift Der Nebenspalter: „Wer zuletzt lacht, lacht am besten. Wer gar nicht lacht, ist ein Schweizer“. Tatsächlich: Die Schweizer, so die eigenen Experten, ließen es vor allem an satirischem und politischem Humor fehlen. Da schaue man mit Neid auf die deutsche Kabarett-Szene mit ihrer ohnehin langen Tradition.

-Anders in Österreich: Dort ist man selbstbewusst(er) und kann auch auf eine international erfolgreiche Tradition zurückblicken, vor allem in Wien. Zurück, so aber einige aus den eigenen Reihen, ist halt auch „zurück“. Oder: „Wir Wiener blicken vertrauensvoll – in unsere Vergangenheit“ (Karl Farkas).

Das ist übrigens eine schon lang bekannte Wesensart, die auf die alten Charakter-Unterschiede der Preußen und Habsburger zurückgeht, ausgedrückt in: „Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos“ sagt der stramme Deutsche. Und im Gegensatz dazu: „Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst…“, der Österreicher. Glückliches Austria, wenn es nur immer klappen würde.

Ingesamt, so H. Venske in dem erwähnten Beitrag (s. o.), sei der Humor keine Frage der Nationalität oder gar regionalen landsmannschaftlichen Psyche, sondern der Sozialisation, des Alters, des Intellekts und der Gene. Und: Wir haben in Deutschland keineswegs unter Humor-Mangel zu leiden. Die Deutschen lachen viel und gerne, vor allem entsprechend ihrem Bildungsstand und ihrer Hör-Gewohnheiten.

Worunter wir höchsten zu leiden hätten, so die Experten der aktiven Lach-Angebote selber, ist ein sehr fragiles Selbstbewusstsein mit der Neigung, alles schlechter zu machen, als es ist. Und wenn der Deutsche tatsächlich in den Keller geht, um zu lachen, dort aber die erwähnte Kleinkunst-Bühne vorfindet, und das immer häufiger, und zwar Land auf und Land ab, dann sollte er nicht nur dankbar sein, sondern endlich auch einmal ein Humor-Selbstbewusstsein entwickeln, wie es anderen Nationen offenbar schon in die Wiege gelegt ist.

Wie schwer es übrigens ist, in einer Nation mit soviel Bewegung auf allen Ebenen wie in Deutschland zu einer fundierten Aussage zu kommen, zeigt ein Artikel aus der Süddeutschen Zeitung über die Neue Sicht der Dinge: Die Deutschland-Formel – warum Bayern so schlau, Norddeutsche so herzlich und Rheinländer so frech sind? (Süddeutsche Zeitung Wissen, März 2009). Das Ergebnis umfangreicher Recherchen verschiedener Institutionen: Das einheitliche typische Bild ist nichts als eine Wunschvorstellung – in Wirklichkeit blüht seit Jahrhunderten eine bunte Mischkultur. Und dies für so bedeutsame Aspekte wie Ausländerfeindlichkeit, Offenheit für Erfahrung, Verträglichkeit, Extraversion, Gewissenhaftigkeit, Neurotizismus, die Affinität zu einem stabilen kognitiven Orientierungssystem, die Geselligkeit – und die gute oder schlechte Laune. Auf die Frage: „Wo leben die meisten Hedonisten bzw. Dauer-Missgestimmten, Griesgrämigen, ja Aggressiven“? wird ein buntes Bild der guten oder schlechten Laune skizziert, wie sie in Deutschland dominieren soll.

Große Unterschiede sind aber offenbar nicht auszumachen, wenn auch nach Süddeutscher Zeitung die gute Laune eher in Hamburg und die schlechte am ausgeprägtesten in Ost-Berlin zu Hause sein soll. Nun denn…

Lachen aus wissenschaftlicher Sicht

Heute wird dem Lachen also wieder mehr Bedeutung zugewiesen, auch medizinisch gesehen. Was also sagt die medizinische Wissenschaft zum Lachen bzw. die Wissenschaft des Lachens selber, denn das gibt es inzwischen: die Gelotologie (vom griech.: gelos = Gelächter)?

Um es auf einen kurzen Nenner zu bringen: Die älteste Volksweisheit in dieser Hinsicht hat Recht: Lachen ist die beste Medizin. Wer lacht, lebt länger – und vor allem gesünder. Außerdem wirkt man attraktiver und ist damit oftmals erfolgreicher (siehe später).

Dabei sei – ausnahmsweise – ein kleiner Mediziner-Witz zur Einstimmung auf dieses Kapitel erlaubt: Wie alt sind Sie? 53 Jahre. Wenn Sie gesünder gelebt hätten, könnten Sie schon 63 sein! (G. Uhlenbruck, Chirurg und Schriftsteller)


Vielen Menschen ist das Lachen aber vergangen. Manche haben es völlig verlernt. Sie mögen Recht haben, was ihre Gründe anbelangt – doch schädigen sie ihre Gesundheit und nutzen auch ihrer misslichen psychosozialen Situation damit wenig. Warum? Um es einmal schlicht auszudrücken:

Der Pessimist mag am Ende recht haben, doch der Optimist lebt bis dahin besser… (Volksweisheit).


Also: Eine Minute Lachen ist so erfrischend wie 45 Minuten Entspannungstraining, sagen die Mediziner. Was der Volksmund schon lange weiß, haben jetzt die Wissenschaftlicher untermauert: Wer sich beim Lachen so richtig ausschüttelt, bewegt nicht nur die Mehrzahl der 21 Gesichts-Muskeln, nein, er kommt insgesamt auf bis zu 80 aktivierte Muskeln generell. Wo gibt es so etwas sonst? Für diese kurze Zeit gerät der Körper also in einen positiven Stress-Zustand, den so genannten Eu-Stress, der unser Leben erfrischt und verlängert.

Der entscheidende Lachmuskel, bei der Vielzahl der beteiligten Muskeln auch als „Führungsmuskel“ für das Lachen und Lächeln bezeichnet, ist übrigens nicht der Musculus risorius, auch wenn er vom Lateinischen risus = Lachen, Gelächter abgeleitet ist. Der entscheidende Muskel ist der Musculus zygomaticus major, der am Jochbein ansetzt und die Mundwinkel nach oben zieht, was das optisch sichtbare Lächeln oder Lachen auslöst. Wieder ein Beispiel dafür, dass diejenigen, die die Arbeit tun, nicht immer diejenigen sind, denen die dafür zuständige Ehrung zukommt.

Man sollte lieber zwei Muskeln bewegen, um zu lachen, statt 13 Muskeln, um die Stirne zu runzeln und die Zähne zu fletschen (Jacques Tati).


Dabei sollte nicht vergessen werden, dass das echte Lachen nicht (nur) von den bloß-gelegten Zähnen bestimmt wird, sondern von den Augen, und zwar fast noch bedeutsamer. Der Mund mag nämlich „strategisch“ lachen, die Augen hingegen verraten ein echtes oder täuschendes Fassaden-Lachen, sie sind nicht so einfach zu „manipulieren“.

Allerdings greift hier – nebenbei – auch der physiognomische Alterungsprozess in die Lach-Mimik mit ein: Wir alle wissen, dass sich die Gesichtszüge im alternden Gesicht nach unten, der Schwerkraft folgend verlagern. Die Augenbrauen wandern über den oberen Augenhöhlenrand; bekannt sind die hängenden Oberlidfalten und die Tränensäcke (die aber mit den Tränendrüsen gar nichts zu tun haben); der Fettpfropf in den Wangen, der früher einmal für ein pausbackiges Gesicht sorgte, wird schließlich zu den „Hamsterbacken“; dazu die Halsfalten, despektierlich als „Truthahnhals“ bezeichnet.

Und natürlich neben den Augen die wichtigste Lach-Region: die Mundpartie. Nicht nur dass sich die Mundwinkel altersbedingt „griesgrämig“ nach unten ziehen, auch die Lippen rollen sich regelrecht ein, das Lippenrot wird schmaler; es senken sich Ober- und Unterlippe und so ändert sich auch das volle Lachen: Bei jungen Menschen sieht man hier vorwiegend die oberen (und nur selten auch die unteren) Zahnreihen, beim älteren Menschen vorzugsweise nur noch die unteren.

Kurz: Die jugendliche Frische schwindet; dafür tritt die Gelassenheit und Alters-Weisheit an ihre Stelle, auch mimisch – hoffentlich. Denn, wie heißt es doch so ernüchternd:

Mit dem Alter kommt die Weisheit. Oft kommt das Alter auch allein… (Volksweisheit).


Was aber tut sich außerhalb des Gesichtes, im gesamten Organismus?

Die medizinischen Fachleute sagen, es komme zu positiven muskulären Veränderungen im Bereich der Respiration, Vokalisation, Rumpf- und Extremitäten- sowie kardiovaskulären Muskulatur, zu Veränderungen in der exokrinen und endokrinen Sekretion sowie elektrokortikalen Aktivität.

Oder auf Deutsch: Die Schultern zucken, der Brustkorb bebt und das Zwerchfell hüpft (und „massiert“ auf diese Weise auch stimulierend den darunter liegenden Magen-Darm-Bereich). Das Herz schlägt beim Lachen schneller, der Blutdruck steigt in gesundem Maße an und der Sauerstoff wird über die Atmung in die Lungen gepumpt. Und Sauerstoff in den Lungen heißt auch Sauerstoff im Gehirn, wo er besonders nötig ist, auch für die Stimmung.

Freuden- bzw. Lach-Tränen sind übrigens biochemisch ganz anders zusammengesetzt als Tränen der Trauer und des Schmerzes.

Nach dem Lachen beruhigt sich der Organismus wieder rasch – im Gegensatz zum Dis-Stress, der ungesunden Art des Stresses, der lange nachwirkt.

Doch nach dem Lachen sind nicht nur die Stimmung und das Nervensystem stabilisiert, der ganze Organismus befindet sich im Ausgleich – wenn auch nur für kurze Zeit. Der Grund ist die vermehrte Ausschüttung von so genannten Katecholaminen, also jenen Botenstoffen im Zentralen Nervensystem, die auch für die Stimmungsstabilisierung verantwortlich sind. Und sogar die Endorphine melden sich vermehrt zu Wort, dass heißt körpereigene morphin-ähnliche Opiat-Verbindungen, die u. a. für die gute Laune zuständig sind (was sich beispielsweise auch durch körperliche Aktivität wie Walking oder Joggen kurzfristig nutzen lässt, Letzteres sogar bis zum riskanten „Jogger-High“ mit Suchtgefahr). Deshalb besser den täglichen moderaten „Gesund-Marsch“ von rund 30 Minuten Dauer – aber nun wirklich auch täglich.

Humor macht high

Eine Glückdroge, die nichts kostet, nicht verboten ist, nicht dick macht und außer Bauchschmerzen, feuchten Augen und Luftnot keine ernsthaften Nebenwirkungen hat – ein herzhafter Lacher.

Wie amerikanische Wissenschaftler an der Universität Stanford entdeckt haben, sind Menschen, die viel lachen, nicht nur gesünder als ihre griesgrämigen Zeitgenossen, nach neuesten Erkenntnissen kann ein guter Witz sogar „high" machen. Denn Komik aktiviert das Belohnungszentrum im Gehirn.

Die biologischen Daten des Humors sind bereits seit längerer Zeit entschlüsselt. Die Evolutions-Biologen sind der Meinung, dass das Lachen vor etwa 6 Millionen Jahren seinen Anfang nahm. Sie stützen diese Berechnung auf die Erkenntnis, dass das Lachen seinen Ursprung im so genannten limbischen System hat, einem entwicklungsgeschichtlichen sehr alten Teil des Großhirns. Denn inzwischen kennt man sogar Regionen des Gehirns, die für die Analyse der Sprache und der wörtlichen Bedeutung eines Witzes zuständig sind und die den entsprechenden Gesichtsmuskeln und Stimmbändern das mimische und vokale Lachen ermöglichen.

Das eigentliche Geheimnis des Humors liegt jedoch im Nucleus accumbens, also einem „Belohnungszentrum" im Gehirn, das auch durch Kokain, Geld oder ein hübsches Gesicht aktiviert werden kann – so die Wissenschaftler. Offenbar ist es vor allem der Botenstoff Dopamin, der in dieser Gehirnregion laut kernspintomografischer Erkenntnisse besonders kräftig ausgeschüttet wird und sich an zahlreichen Andock-Stellen des Belohnungssystems binde. Je besser der Witz, desto mehr Dopamin – und desto größer Heiterkeit, Lachen und alle ihre physiologischen Konsequenzen im positiven Sinne.

Aus Wissenschaft & Forschung der Gesundheitszeitung (Ärztliche Praxis) 3 (2004) 7


Und was zum Wichtigsten gehört, insbesondere in den grippe-belasteten Jahreszeiten: Das Immunsystem, das Abwehrsystem des Körpers wird gestärkt, und das heißt nicht nur erfolgreiche Infekt-Abwehr.

Tatsächlich haben humorvolle Menschen in der Regel ein stabileres Immunsystem als humorlose „Sauerampfer“, die nicht nur anderen auf die Nerven gehen, sondern sich auch selber krankheitsanfälliger machen. Selbst im Kampf gegen Viren und Bakterien sei Lachen eine wirkungsvolle Vorbeugung. Lachen entspannt, lindert quälende und sogar chronische Schmerzen, senkt den erhöhten Blutdruck, sorgt für eine ruhigere, aber auch tiefere Atmung, regt die Verdauung an, bringt den Kreislauf in Schwung und fördert den nächtlichen Schlaf. Selbst bei Krebs, AIDS, Herzerkrankungen, Kopfschmerzen, ja sogar bei chronischer Angst und Depression habe sich Humor und damit Lachen als wirksames Rezept bewährt – nicht gerade spektakulär, aber nützlich, gleichsam „hinter dem Komma“ – immerhin. So jedenfalls die Optimisten unter den Wissenschaftlern. Oder noch deutlicher:

Wer sich krank lacht, lebt also besonders gesund (P. Jamin, Schriftsteller).


Optimismus ist zwar ggf. erfolgreicher (und das glaubt auch jeder gerne), doch die Wissenschaftler haben es lieber exakt bewiesen. Sind also alle diese erfreulichen Erkenntnisse auch „wissenschaftlich belegt“, wie der Fachausdruck heißt? Macht Lachen wirklich gesund – nachweisbar?

Leider ist das schwer mit den bisher verfügbaren Studien-Daten zu untermauern. Wenn man alle diesbezüglichen Untersuchungen zusammenlegt, um nach der geforderten wissenschaftliche Evidenz (beweisbaren Gewissheit) zu fahnden, dann wird es eher dünn. Einzelheiten dazu wollen wir uns an dieser Stelle lieber schenken. Eines aber müssen wir uns halt doch sagen lassen, nämlich: Das volkstümliche Postulat (Forderung), dass Lachen gesund mache, ist schwer mit den bisher vorliegenden Studien-Daten zu belegen. Wer gesund ist, hat halt gut lachen. Mehr könne man derzeit wohl nicht als evidenz-basierte Erkenntnis anbieten.

Was nun aber wirklich beweisbar ist: Lachen kann den Blutdruck und den stress-abhängigen Cortisol-Spiegel senken. Diesen Effekt zu erzielen, genügt es aber nicht, einfach nur Spaß zu haben. Das Lachen muss vielmehr „ernsthaft betrieben werden“ (weshalb sich immer häufiger regelrechte Lach-Clubs, z. B. Lach-Yoga) anbieten. Sich nur über irgend etwas zu amüsieren, Humor zu haben oder gar „glücklich zu sein“, reicht zumindest in puncto „Blutdruck“ also kaum aus.

Und eine weitere Einschränkung: Bei mittelgradigem bis schwerem Asthma kann Lachen einen Anfall auslösen. Hier also bitte aufpassen.

Erfreulicher hingegen ist wieder die Empfehlung, gegen die vor allem alters-bedingten Gesichts-Falten mit einer lach-basierten Gesichts-Gymnastik anzugehen. Anstrengungen in jeder Form allemal, ja sogar in die Sonne blinzeln oder reines Nachdenken spannt die Gesichtsmuskeln an. Das geschieht meist unbewusst und entspannt sich wieder. Auf lange Sicht aber und bei entsprechender Disposition können sich vor der Zeit unerwünschte Hautfalten bilden, vor allem um die Lippen herum, auf der Stirn und an den Augenwinkeln. Gymnastische Gesichts-Übungen kämpfen dagegen an, trainieren die Muskeln, stärken das Bindegewebe und fördern die Durchblutung. Dabei hilft vor allem das Lachen, wie uns die zuständigen Experten versichern.

In diesem Zusammenhang soll auf die immer häufiger und aktiver werdende „Lach-Bewegung“ in Deutschland kurz eingegangen werden:

1995 wurde in Mumbai (früher Bombay) in Indien die weltweite Lachbewegung durch Dr. Madan Kataria ins Leben gerufen („The idea of starting a laughter club came to me as a flash“). Sie breitete sich in der Tat rasch aus und führte bereits 3 Jahre später in Wiesbaden zum ersten Lachclub in Europa. Inzwischen sind es 31 Lachclubs in Deutschland und zunehmend auch in anderen europäischen Nationen.

Die in der Lachbewegung zusammengeschlossenen Lachclubs werden überregional durch das Yoga-Lach-Zentrum vertreten. Dort werden Tagungen, Workshops, Seminare, „Tanz als Lachkunst“ und damit entsprechende Ausbildungs-Angebote initiiert (Lach-Schulen).

Entsprechende Hinweise dazu siehe www.lachbewegung.de sowie www.hoho-haha.de/lachschulen.


Dauer-Grinsen aber macht krank

Im Gegensatz zum spontanen, befreienden, begründeten Lachen hat sich aber das beruflich verordnete Dauer-Lächeln oder gar -Lachen als psychisch riskant herausgestellt, so die Wissenschaftler, was aber nebenbei schon früher die meisten vermutet haben dürften.

Gefährdet sind hier besonders Stewardessen (vor allem die Flugbegleiter auf Langstreckenflügen mit ihren spezifischen, nicht zuletzt körperlich bedingten Belastungen), ferner VerkäuferInnen, die MitarbeiterInnnen von Call-Centern u. a., von denen das zwanghafte Vortäuschen von Freundlichkeit verlangt wird („der Kunde ist König“).

Denn immer dann, wenn man seine tatsächlichen Gefühle unterdrücken muss, hat das gesundheitliche Folgen. Freundlich-Sein wider Willen ist reiner Stress. Das leuchtet ein. Und wenn man das noch – vor allem beruflich bedingt - dauerhaft pro Tag und ein halbes Arbeits-Leben durchstehen muss, dann darf man sich über die entsprechenden Folgen nicht wundern.

Mit anderen Worten: Heute besteht der erfahrene Arbeitgeber nicht mehr auf einem „kunden-freundlichen Dauer-Grinsen“, und ermöglichst wenigstens kurzfristige Auszeiten, um den „eingepanzerten Gefühlen“ wieder etwas freien Lauf lassen zu können.

Ausbildungsstellen für therapeutisches Lachen

Deshalb gibt es jetzt in immer mehr Kliniken in England und den USA, inzwischen auch ansatzweise bei uns Klinik-Clowns oder Medizin-Clowns für therapeutisches Lachen (was nebenbei eine ernsthafte und breite Ausbildung erfordert, denn Blödeln allein ist ja gerade in der Medizin meist nicht vertretbar, da muss man schon professioneller vorgehen). Einzelheiten siehe Kasten.

Clownesker Humor in der Medizin?

Zwar wirkt die Lach-Therapie auf den ersten Blick nicht sehr überzeugend. Besonders clownesker Humor fristet in unseren Breiten noch ein Schattendasein. Doch in anderen Ländern gehört der Clown als Therapeut, ja als Coach schon länger zum medizinischen Alltag. In den USA soll beispielsweise (fast?) jede Klinik ihren eigenen professionellen Spaßmacher haben, ähnliches zeichne sich in England ab.

Allerdings hatten die Pioniere dieser Behandlung auch in den angelsächsischen Ländern vor noch wenigen Jahren wenig zu lachen. Als sie mit ihren Späßen in den Krankenhäusern begannen, wurden sie von den meisten Kollegen als Exoten belächelt, wenn nicht gar als Ärgernis abgetan. Inzwischen sorgen so genannte Klinik-Clowns (gelegentlich auch als „Clown-Doktoren“ bezeichnet) in einigen deutschen Kliniken für willkommene Abwechslung und gute Laune am Krankenbett. Sie bringen nicht nur Patienten zum Lachen, zumindest aber zum Schmunzeln, sondern muntern auch deren Angehörige auf – und entlasten damit das medizinische Personal.

Inzwischen gibt es sogar Institute für medizinische Clownerie und kreatives Selbstmanagement. Sie knüpfen meist an die Tradition der amerikanischen Vorbilder an – und haben auch mit deren Anlaufschwierigkeiten zu kämpfen. Es fehlt, vor allem bei uns, noch der Respekt – und zugleich der humorvolle Zugang zum kranken Erwachsenen. Bei Kindern lässt man sich das ja noch gefallen, aber erwachsene Menschen in schwieriger (gesundheitlicher) Lage zum Lachen zu animieren, das geht vielen doch zu weit.

Dabei haben diese Therapeuten eine durchaus harte und vielfältige Ausbildung hinter sich, die von den ausländischen Clownschulen über die Pantomime bis zur Psychotherapie geht. Und der professionelle Humor-Therapeut stürmt nicht einfach das Krankenzimmer und vollführt dort seine Späße, ob man ihn sehen will oder nicht, er arbeitet eng mit den Ärzten, Psychologen, Schwestern und Pflegern zusammen, nimmt an Vor- und Nachbesprechungen teil, studiert die Krankenblätter und versucht sich auf den Einzelfall einzustellen.

Inzwischen gibt es sogar Clown-Workshops und das clowneske Coaching für Ärzte und sonstiges Pflege-Personal. Die Strategie ist nachvollziehbar: Humor --> Entspannung --> Regeneration --> verbesserter diagnostischer und therapeutischer Erfolg.

Wenn man allerdings die Sprache auf die Finanzierung solcher Projekte bringt, dann vergeht auch den professionellen Humor-Therapeuten das Lachen. Soweit wie in England sind wir noch lange nicht. Ohne Sponsoren läuft überhaupt nichts. Bis der Humor in deutschen Krankenhäusern seinen therapeutischen Einzug halten kann, scheint noch ein weiter Weg zu sein. Doch dieses Schicksal teilt die alte/neue Therapieform mit vielen anderen Behandlungsmaßnahmen. Ungewöhnliches braucht seine Zeit. Doch Bewährtes setzt sich durch. Vor allem in einer Phase, in der die „grüne Kraft der Natur“ wiederentdeckt wird, findet vielleicht auch die natürlichste Form der Entspannung: Humor und Lachen, eines Tages ihr Plätzchen im therapeutischen Arsenal. Als eine Säule der Gesundheitsvorsorge ist und bleibt sie jedenfalls unverzichtbar (nach mb 2/2000).


Psychologische Aspekte von Humor und Lachen

Von der Not, die wir Deutsche mit Humor und Lachen haben sollen, war bereits eingangs die Rede; und dass es den „anderen“ besser ergeht – scheinbar. Dabei sollte man diese – allerdings wiederum typisch deutsche – „überkritische Nabelschau“ nicht gar so ernst nehmen. Es gibt in jeder Nation, in jedem Volk solche und solche. Freilich, die Art des Humors kann unterschiedlich sein. Aber damit ist noch lange keine Wertung verbunden.

So wurde beispielsweise wissenschaftlich ermittelt, dass in verschiedenen Ländern ganz unterschiedliche Arten von Witzen geschätzt werden. Briten, Iren und Neuseeländer bevorzugen beispielsweise Witze mit Wortspielen, während Amerikaner und Kanadier gerne über Scherze lachen, die auf Kosten anderer gehen und diese dumm aussehen lassen. Weniger wählerisch sollen sich früher offenbar die Deutschen gegeben haben; sie finden scheinbar alles komisch (nach R. Wiseman, University of Hertfordshire, zit. nach D. Thoma u. Mitarb., 2003), wobei allerdings andere Untersucher inzwischen differenziertere Erkenntnisse gewinnen konnten (s. o.).

Viel wichtiger – und das gilt für alle Nationen, Völker und Individuen – als die reine Unterhaltungsseite, von boshafter Schadenfreude einmal ganz abgesehen, ist die psychohygienische Komponente von Humor, Witz und Lachen. Die Psychiater und Psychologen nennen so etwas kathartisch, also eine geistig-seelische Läuterung oder Reinigung von krankmachenden Affekten, d. h. Gemüts-Belastungen.

Und hier sollen einige Philosophen, Dichter und Schriftsteller zitiert werden, die diesen segensreichen Effekt am besten illustrieren:

So sagte schon Friedrich Nietzsche (der berühmte Philosoph, der aufgrund seiner organisch bedingten Geisteskrankheit später nichts mehr zu lachen hatte, vielleicht deshalb sein ahnungsvoller Hinweis): Der Mensch leide so tief, dass er das Lachen erfinden musste.

Oder der in puncto skurriler Humor unerreichte Dichter Joachim Ringelnatz: Humor ist der Knopf, der verhindert, dass uns der Kragen platzt.

Und sein französischer Schriftsteller-Kollege J.-J. Sempé: Humor ist meine Waffe gegen alles Unerträgliche im Leben.

Und der berühmte Humorist Werner Finck ergänzte: An dem Punkt, wo der Spaß aufhört, beginnt der Humor.

Denn: Humor ist die Lust zu lachen, wenn einem zum heulen ist, so Ernst Heimeran – da wahrer Humor ganz genau weiß, dass man im Grunde genommen nichts zu lachen hat.

Und schließlich: Humor ist die Fähigkeit, heiter zu bleiben, wenn es ernst wird (Ernst Penzoldt).

Ja, Lachen legt Bollwerke der Selbstsicherheit in Schutt und Asche, das Pathos der Selbstüberzeugung zerbricht, schreibt der Kunsthistoriker H. Lützeler.

Und der berühmte französische Romancier Emile Zola ergänzte: Das Lachen ist eine Macht, vor dem die Größten dieser Welt sich beugen müssen (siehe auch später).

Außerdem: Lachen gehört einfach zur Entwicklungsstufe, mit der wir Menschen den Tieren intellektuell überlegen wurden, schreibt der Verhaltensforscher K. Lorenz.

Und in der Tat, der Mensch ist bekanntlich das einzige Lebewesen, dass nachweisbar lachen kann (bei manchen Menschenaffen ist man sich da wissenschaftlich noch nicht so sicher). Deshalb spricht man ja auch von „tierischem Ernst“. Denn wenn wir beispielsweise einen Hund anlachen, dann kann das durchaus riskant werden, sollte er das für Zähneblecken halten, bemerkte mit Recht D. Thoma. Und derselbe:

Wir lachen die Dinge tot, die uns krankmachen oder kränken. Letztlich lachen deshalb alle Menschen gern. Wer nichts zu lachen hat, ist arm dran. Womöglich wird er zum Außenseiter und ausgelacht. Der Mensch braucht das Lachen, nimmt ohne Lachen Schaden.

Wer Humor hat, lässt sich beispielsweise schwer mobben. Der Angreifer hat keine Chance, taumelt ins Leere und gerät geradezu zu einer komischen Figur./p>

Oder wie der Psychotherapeut M. Titze, einer der Wegbereiter des therapeutischen Humors in Deutschland, es formuliert: Die eigentliche Funktion des Humors ist die Relativierung – ganz im Sinne des Mottos: „Die Lage ist katastrophal, aber nicht ernst!“. Wer relativieren kann, wird sich von seinen Kontrahenten nicht verletzen oder kränken lassen, sondern wird dem, der eine sarkastische Attacke reitet, nicht nur beipflichten, sondern – im Sinne humorvoller Schlagfertigkeit – noch eins draufsetzen.

Und zum Schluss dazu noch einige Weisheiten aus Dichter-Mund:

-Lustige Leute begehen mehr Torheiten als traurige; aber traurige begehen größere (Ewald Christian von Kleist).

-Humor ist keine Gabe des Geistes, er ist eine Gabe des Herzens (so Ludwig Börne, der bekannte Schriftsteller aus dem 19. Jahrhundert).

-Denn wer gern lacht, wird auch gern verzeihen (Karl Peltzer).

-Und der berühmte Philosoph und Pädagoge Johann Gottfried von Herder: Gehe zum Heiteren, er ist auch der barmherzige Mann.

Und deshalb darf man auch behaupten:

-Eine Welt, wo soviel gelacht wird, kann so schlecht nicht sein (Friedrich Theodor Fischer).

Lachen und Alter

Leider wird das Lachen gerade dort immer weniger, wo es am notwendigsten wäre, nämlich mit fortschreitendem Alter. Vor allem die Erwachsenen gehen mit der kostenlosen und wirksamen Vorbeugungs- und Behandlungsmaßnahme Lachen immer zurückhaltender um – bis es völlig verstummt. Dabei erhält Lachen jung – und wird aus diesem Grund mit dem Alter immer kostbarer.

Hat das auch eine wissenschaftliche Grundlage? Wahrscheinlich ja. So fand man heraus, dass Senioren sich schwerer tun, Witze zu verstehen. Das kann man beispielsweise damit testen, indem man den jungen, „mittel-alterlichen“ und älteren Versuchspersonen unvollständige Witze und Cartoons vorlegt. Dann lässt man die passende Pointe im Multiple-Choice-Verfahren aus mehreren Möglichkeiten herausfinden. Dabei scheinen die Älteren deutlich schlechter abzuschneiden.

Das wird als beginnendes Anzeichen für so genannte kognitive Defizite im Rückbildungsalter gewertet. Unter Kognition (vom lat.: cognoscere = erkennen) versteht man das Wahrnehmen, Erkennen, Denken, Vorstellen, Erinnern und Urteilen. Das also soll zurückgehen – und damit auch das Verständnis für Humor und Witz. Sicher nicht bei allen, weil schon von der Anlage her große Unterschiede bestehen, vom weiteren Lebenslauf bzw. Schicksal ganz zu schweigen, möglicherweise aber wohl schon im abschließenden Gesamt-Eindruck.

Wie aber steht es nun beim anderen Alters-Pol: Kindheit und Jugend? Da liegen offenbar Welten dazwischen. Denn Kinder bringen es am Tag auf rund 400 Lacher, wenn man Kichern, Wiehern, Grölen und andere Formen des „erweiterten Fröhlichseins“ zusammenzählt (Stiftung Kinderzentrum, Bochum).

Wenn sie jedoch größer („volljährig“) werden, fällt die statistische Lachkurve steil ab. Erwachsene lachen durchschnittlich nur noch 15-mal am Tag – wenn überhaupt. Und wenn man es zeitlich zu fassen versucht, dann soll auch das noch in den letzten Jahrzehnten geschrumpft sein (Ende der 50er Jahre im Durchschnitt 18 Minuten, heute nur noch 6 Minuten pro Tag?).

Einer der Ursachen liegt natürlich auch im einengenden „Ernst des Lebens“. Denn „Kindermund lacht auch ohne Grund“, aus Heiterkeit und Lebenslust, aus Lebensfreude und damit Lebens-Kunst. Und das sollte gefördert, am besten aber gehalten werden, empfiehlt der Psychologe und Soziologe sowie Humor-Forscher A. Kirchmayr.

Diese Erkenntnis ist alt, zitiert er doch den Universal-Gelehrten Hrabanus Maurus, der vor 1.200 Jahren mahnte: „Lasst ja die Kinder viel lachen, sonst werden sie böse im Alter! Kinder, die viel lachen, kämpfen auf der Seite der Engel“. Und wer es aktueller will, der sei auf Erich Kästner verwiesen: „Nur wer erwachsen wird und Kind bleibt, ist ein Mensch!“.

Ja – so A. Kirchmayr – „von den kleinen, lustigen Erdkrusten-Bewohnern und listigen Lebenskünstlern können wir enorm viel lernen: von ihrer hingebungsvollen Aufmerksamkeit, unersättlichen Neugier, lebhaften Phantasie, unbekümmerten Heiterkeit, ganz besonders von ihrer köstlichen Aufgeschlossenheit, List und Lebensfreude“.

Man möchte neidisch werden. Doch halt: Kinder waren wir einmal alle – einschließlich dieser wunderbaren Eigenschaften. Es droht also erst im Laufe des Lebens ein Humor-, Heiterkeits- bzw. Lachdefizit – zu Lasten von Seele, Geist und Körper und damit nicht nur von Lebensqualität, sondern auch Leistungsfähigkeit.

Man denke – nebenbei gesagt – nur an der Deutschen populärstes Gesellschaftsspiel, nämlich „Mensch ärgere Dich nicht“.

Lachen und Geschlecht

Ob das allerdings für beide Geschlechter gleich gilt, ist umstritten. Frauen sollen nämlich doppelt so häufig lachen wie Männer (W. Dreher, zitiert nach D. Thoma u. Mitarb., 2003). Wenn das stimmt, wäre dies ein Beweis für die gesundheitsfördernde Wirkung des Lachens (siehe oben), denn Frauen leben im Schnitt 6 bis 7 Jahre länger als Männer, noch immer. Allerdings scheint dieser gnadenvolle Unterschied langsam zu schmelzen.

Woher das kommt, ist ein viel-diskutiertes Thema (Emanzipation, berufliche Aktivität, ggf. mit Doppelbelastung, erhöhte Suchtgefahr, vor allem was Nikotin anbelangt u. a.?).

Eines ist auf jeden Fall bedenkenswert: Rein biologisch scheinen Frauen nur etwa ein Jahr älter zu werden als Männer; psychosozial konnten sie einen gewaltigen Vorsprung ausbauen, psychosozial scheint er auch wieder zurückzugehen (hart aber wohl auch mit einem Körnchen Wahrheit versehen der Satz: „Sie wollen werden wie die Männer und sie werden sterben wie die Männer…“).

Um wieder auf das (geschlechts-spezifische?) Phänomen von Humor und Lachen mit seinen psychosozialen Konsequenzen zurückzukommen: Man muss also nicht nur die gesellschaftliche Entwicklung, sondern offenbar auch das jeweilige Alter mit einrechnen. Denn lautes, „offen-mundiges Lachen“ von Frauen galt ja lange als vulgär. Das wurde auch von den früheren Benimm-Büchern so gesehen bzw. verurteilt

Heute lachen Frauen offensichtlich nicht nur häufiger, sondern auch ggf. lauter als Männer. Dabei ist ihr Lachen keinesfalls Ausdruck weiblicher Unsicherheit oder Schamhaftigkeit, wie das vielleicht früher so gedeutet wurde – zu Recht oder Unrecht. Nein, Frauen lachen inzwischen nicht nur „befreiter“, sondern auch gezielter, um beispielsweise bestimmte Botschaften zu übermitteln. Ihr Lachen soll nicht nur zufälliger Ausdruck einer momentanen Laune sein, sondern auch die jeweilige Gesprächs-Beziehung ordnen helfen.

Auf jeden Fall wird das „große Frauen-Lachen“ zunehmend auch als Ausdruck selbstbewussten Auftretens gedeutet, wie es manche Experten interpretieren. Das aber ist – wie erwähnt – auch eine Frage des Alters. Denn Frauen über 60 scheinen in ihrer Körpersprache noch immer an traditionelle Wertvorstellungen gebunden zu sein und eine entsprechende Zurückhaltung an den Tag zu legen, d. h. seltener und auch weniger laut zu lachen (siehe auch später: Lachen und Persönlichkeit).

Gesellschaftliche Zwänge?

Gründe fürs Lachen oder nicht gibt es also viele. Einige liegen schon in der Erziehung: Warum verlernen viele von uns im Laufe des Lebens das Lachen? Die Psychologen verdächtigen die so genannte Sozialisation oder Sozialisierung, also auf Deutsch: die gesellschaftliche „Menschwerdung“ durch Erziehung und Prägung der Umwelt im weitesten Sinne (Stichwort: „Vergesellschaftung“, also das anpassende Hineinwachsen in die Normen der Gesellschaft).

Und hier hat (bzw. hatte) gerade das Lachen einen schweren Stand: Lachen gehört sich nicht, zumindest lautes und vor allem am falschen Ort. Das ist unanständig, vulgär, wirkt ungebildet und ist höchstens etwas für die „gewöhnlichen Leute von der Straße“.

Und dann gibt es noch Bereiche, in denen Lachen – zumindest bei uns in Deutschland – nicht durchdringen darf oder gar verpönt ist: In Kirchen, Kliniken und Altenheimen mag es noch angehen, meinen einige. In Behörden, Instituten und Schulen aber ist der verordnete Griesgram schon ärgerlicher (obgleich dies in der Regel vom Chef, vom Vorgesetzten abhängt, denn hat der Humor, ist auch die Atmosphäre gleich entspannter – und nebenbei leistungsfähiger). Auf wissenschaftlichen und sonstigen Fach-Veranstaltungen darf in der Regel auch nicht gelacht werden (da halten sich sogar Vorsitzende mit sonst heiterer Wesensart zurück). Wer lacht, wirkt unseriös, nicht ernst zu nehmen, verspielt durch Albernheit seinen wissenschaftlichen Kredit.

Dabei dürfte es gerade den Intellektuellen gut anstehen, sich immer wieder folgende Lebensweisheiten in Erinnerung zu rufen:

- Es muss in allem, was ein lebhaft erschütterndes Lachen erregen soll, etwas Widersinniges sein (Immanuel Kant, Philosoph)

- Wer sich nicht selbst zum Besten haben kann, der ist gewiss nicht von den Besten (J. W. v. Goethe, Dichterfürst)

- Das Lachen erhält uns vernünftiger als der Verdruss (Gotthold Ephraim Lessing, Polyhistor)

- Kein Geist ist in Ordnung, dem der Sinn für Humor fehlt (S. T. Coleridge, Philosoph)

- Die schwierigste Turnübung ist immer noch die, sich selber auf den Arm zu nehmen (Werner Finck, Humorist)

- Nur die Hochmütigen weigern sich, Unsinn zu reden (Peter Sloterdijk, Philosoph)

In diesem Zusammenhang sei noch auf den gesonderten Beitrag in dieser Serie über Albernheit und Blödelei verwiesen sowie auf ein kurzer Hinweis am Ende dieses Kapitels. Dazu gleich hier ein wichtiger Aspekt bzw. Kern-Satz:

- Albernheit - man muss Geist haben, um ihn aufgeben zu können (Heinrich Böll, Schriftsteller, Nobel-Preisträger)

Mit anderen Worten und noch einmal mit Goethe: Weißt Du, worin der Spaß des Lebens liegt? Sei lustig! Geht es nicht, so sei vergnügt! Denn Heiterkeit ist die Mutter der glücklichen Einfälle (Luc de Vauvenargues) – was vor allen den Intellektuellen imponieren sollte.

Muss Psychotherapie immer ernst sein?

Auch in der Behandlung kranker Menschen sollte früher nicht gelacht werden. Sogar dort, wo Lachen die Seele aufheitern könnte, in der Psychotherapie. Selbst wenn die Situation einmal zum Lachen oder zumindest Schmunzeln Anlass geben könnte, gleichsam psychohygienisch nutzbringend, darf höchstens lautlos in sich hinein gelacht werden, wird alles „therapeutisch verernstet“, wie die köstliche, aber auch treffende Kritik lautet (und zwar aus den eigenen Psychotherapeuten-Reihen, wenn auch nur hinter vorgehaltener Hand).

Deshalb wird inzwischen auch – wenngleich nur im engsten Zirkel oder verklausuliert – zugestanden: Eine Psychotherapie, in der nie gelacht oder zumindest gelächelt wurde, wird wohl nicht sehr erfolgreich sein (aus R. D. Hirsch u. Mitarb., 2001).

Nicht mehr hinter vorgehaltener Hand, sondern ganz offensiv treten inzwischen auch altgediente Psychiater und Psychotherapeuten für mehr Herzlichkeit, Humor und Lachen in der Psychotherapie ein. Zum einen, weil sie sich als Pensionäre, die nicht mehr im Zentrum wissenschaftlicher Diskussionen stehen (müssen), dazu offener Stellung nehmen können. Sie stört es nicht mehr, von „konservativer Therapeuten-Seiten“ als naiv und weltfremd eingestuft zu werden. Zum anderen weil sich die Zeiten ändern – in diesem Falle Gott sei Dank.

Ein Exponent dieser Richtung ist der Psychiater, Psychotherapeut und evangelische Theologe Günter Hole, ehemals Ordinarius der Psychiatrie in Ulm und Ärztlicher Direktor des Zentrums für Psychiatrie in Ravensburg-Weissenau. Er plädierte schon immer für Herzlichkeit als Lebenskunst, die positive Kraft von Offenheit und Nähe. Jetzt formuliert er auch seine Grundhaltung in einem neuen Buch (siehe Literaturverzeichnis), in dem er nicht nur die therapeutische Strategie des Psychologen, sondern auch die Überlebens-Strategien des Patienten mit den Stichworten umreißt: herzlich und humorvoll.

Dabei stellt der über 80-Jährige mit mehr als einem halben Jahrhundert therapeutischer Erfahrung die Frage: Darf ein Therapeut Gefühle zeigen? Emotional reagieren? Anteilnahme sichtbar machen, Sympathie? Ggf. vielleicht sogar Humor-Bereitschaft und ein angepasstes Lachen?

Sicher – so G. Hole – muss ein Psychotherapeut seine Gefühlsäußerung bewusst kontrollieren. Doch damit ist noch lange nicht ein kühles, distanziertes Verhältnis vom Helfenden zum Hilfesuchenden gemeint. Das haben schon frühere Experten angemahnt (z. B. der berühmte Gesprächspsychotherapeut Carl Rogers). Heute ist dies vielen Kollegen durchaus bewusst. Doch der extreme Zeitdruck, vor allem in Arztpraxen, kann jeden guten Willen zunichte machen. Trotzdem: „Offenes, achtsames und einfühlendes Verhalten dem Patienten gegenüber und ein freundliches oder herzliches Begegnen entspringt einer grundsätzlichen Einstellung, freiwillig auch einer grundsätzlichen Fähigkeit in der Persönlichkeitsstruktur“, so Professor Hole. Wer sich schwer tut mit Nähe, wer als Schutzschild Distanz braucht, der kann jedoch von Empathie durchaus etwas lernen. Und weiter: „Herzlichkeit macht das Leben erträglicher, lebenswerter und freudvoller; Herzlichkeit zu wagen ist unter vielen Wagnissen im Leben gewiss eines der besten“.

Bezeichnenderweise gab es aber schon früher eine Psychotherapie-Form, in der nicht nur Empathie empfohlen wurde, sondern auch gezielt gelacht werden sollte – und das aus einer schaurigen Erfahrung heraus: Sie geht auf einen jüdischen Psychiater zurück, nämlich Viktor Frankl, der das KZ Auschwitz überlebte und nicht zuletzt durch die Schilderung eines „Humors des Überlebens“ bekannt wurde.

Der jüdische Witz früherer Zeiten war für seinen tiefsinnigen und schwarzen Humor bekannt, vor allem für den Galgenhumor, der die Menschen vor dem Hintergrund des eigenen Leids zum Lachen bringen soll.

Diese Art von Humor geht auf den europäischen Chassidismus, eine Bewegung der Volks-Frömmigkeit und Mystik aus dem 18. Jahrhundert zurück, was später der jüdische Religions-Philosoph Martin Buber in dem Satz zusammenfasste: Humor ist der Milchbruder des Glaubens.

Humorvolle Lehr-Geschichten also, die allerdings noch nicht den Biss und die Selbst-Ironie späterer jüdischer Witze hatten, wie sie schließlich Isaac Bashevis Singer, Ernst Lubitsch, die Marx Brothers, die Regisseure Billy Wilder, George Tabori, Woody Allen repräsentieren, um nur einige zu nennen.

Viktor Frankl entwickelte in den 1970er Jahren die psychotherapeutische Technik der paradoxen Intention. Dabei wünscht sich der Patient aktiv, wovor er sich bislang so sehr gefürchtet hat, lernt also der Angst ins Gesicht zu sehen, ja ins Gesicht zu lachen. Humor als Gegenspieler der Angst. Denn – so Frankl – nichts lässt den Patienten sich von sich selber so sehr distanzieren wie der Humor (siehe auch später zum Kapitel „Albernheit“).

Das fasste schon vor ihm der Theater-Autor und Spezialist für heitere Bühnenstücke Curt Goetz mit den Worten zusammen: Die Heiterkeit ist die Distanz, die man sich zu den Unbilden des Lebens erarbeitet hat.

Inzwischen setzt sich in der therapeutischen Arbeit der Psychologen und Psychiater immer mehr die Erkenntnis durch, dass der Humor auch ein Therapeutikum an sich sein kann. So der Psychologe M. Titze: In meiner Arbeit als Psychotherapeut habe ich die Erfahrung gemacht, dass viele meiner Patienten dazu neigen, die Wirklichkeit zu ernst zu nehmen. Misserfolge im Leben, wie etwa soziale Zurücksetzungen, Niederlagen im Arbeitsbereich, familiäre Enttäuschung oder das Nicht-Erreichen hochgesteckter Ziele werden als so gravierend erlebt, dass es zu chronischer Niedergeschlagenheit, zu Gekränktsein, Mutlosigkeit, Scham oder Angst kommt.

Aus dieser Stimmungslage heraus erscheint das eigene Leben nur noch als Jammertal. Depressive Selbstzweifel und Existenz-Ängste überwuchern das Dasein. Selbst-bejahende Tendenzen verkümmern.

In dieser unheilvollen emotionalen Verstrickung verschafft Humor die nötige Distanz. In dem der Patient lernt, seine schwarzen Gedanken spielerisch auf die Schippe zu nehmen, ironisiert er schließlich sein eigenes negatives Denken.

Weitere Einzelheiten dazu siehe noch einmal Viktor Frankl in dem Kapitel: Zur Psychologie von Albernheit und Blödelei.

Und zur (selbst-)therapeutischen Lach-Bewegung noch einmal einige Hinweise aus obiger Sicht:

Lach-Yoga

Vor 13 Jahren wurde die Lachbewegung von dem indischen Arzt Madan Kataria begründet. Seine Idee: In einem geschützten Rahmen der „Lachgruppe“, sollen schüchterne, vereinsamte oder einfach überernste Menschen das „echte“ Lachen (wieder) erlernen – auch um gesund zu werden.

Ob dieses Ziel in medizinischer Hinsicht so einfach erreicht werden kann, bleibt bisher ungeklärt. Doch unter psychosozialen Gesichtspunkten hat sich das Lach-Yoga als ungemein erfolgreich erwiesen. Gerade Menschen, die im Zuge der postmodernen Individualisierung „desozialisiert“ wurden, finden in einem Lachclub oft eine unkomplizierte Weise menschliche Nähe, spontane Lebensfreude und nicht zuletzt ein spielfreudige Selbstbestätigung.

Innerhalb weniger Jahre wurden auf allen Kontinenten Tausende Lachclubs gegründet. Man schätzt, dass mindestens 300.000 Menschen darin eingebunden sind. Inzwischen gibt es auch in Deutschland mehrere Lach-Yoga-Verbände (nach M. Tietze, 2008).

Lachschulen findet man also im Internet unter

- www.hoho-haha.de/lachschulen

- www.lachclub.info

- www.lachbewegung.de


Gibt es eine spezifische Lach-Persönlichkeit?

Im Übrigen wird immer wieder wissenschaftlich der alten Frage nachgegangen: Vermittelt die individuelle Lach-Bereitschaft (wie, wann und worüber) objektivierbare Rückschlüsse auf die jeweilige Persönlichkeitsstruktur? Dazu nachfolgender Kasten, der eine neuere psychologische Untersuchung zitiert:

Lachen – Persönlichkeit – psychische Verfassung

Was der „Humor“ über einen Menschen aussagen kann


Eine psychologische Untersuchung in Kanada 2003 lässt eine nun inzwischen wissenschaftlich erhärtete Schlussfolgerung zu, die schon zuvor jeder ahnte: Wie, wann und worüber ein Mensch lacht, lässt Rückschlüsse auf seine Persönlichkeit, ja sogar seine seelische Gesundheit zu. Im Einzelnen:

  • Der Entertainer (englisch: Unterhalter, professionell gesehen Showmaster = Unterhaltungskünstler) will sich und andere gut unterhalten. Er lacht gerne zusammen mit anderen. Der Entertainer nimmt sich selbst aber nicht so recht ernst. Sein Humor schafft eine entspannte, tolerante Atmosphäre. Das ermöglicht Annäherung, Zuwendung und ein Gemeinschaftsgefühl.

    Entertainer sind weniger ängstlich, feindselig oder depressiv. Sie haben ein gesundes Selbstwertgefühl. Sie kommen gut mit anderen klar und fühlen sich auch selber wohl. Sie sind offen für neue Erfahrungen, kontaktfreudig und extravertiert (nach außen, der Welt zugewandt, bereit für neue Eindrücke).

  • Für den Selbstunterhalter ist Humor eine Art Lebensphilosophie. Er amüsiert sich über die Wunderlichkeiten dieser Welt und behält trotzdem seine heitere Stimmung bei, selbst bei Stress und Anspannung. Sein Humor hilft ihm, negative Ereignisse und Situationen zu verkraften – und psychisch stabil zu bleiben.

    Selbstunterhalter sind optimistisch, ausgeglichen und um andere bemüht. Ihr Wohlbefinden und ihre Selbstachtung sind hoch. Darüber hinaus sind sie offen, umgänglich und gewissenhaft.

  • Der Angriffslustige benutzt den Humor um andere zu kritisieren und zu manipulieren (also in seinem Sinne zu beeinflussen, wenn nicht gar zu täuschen). Er nimmt keine Rücksicht auf die Gefühle anderer. Mit seinem Humor macht er sie eher lächerlich und demütigt und verärgert sie damit. Seine Witze sind oft rassistisch oder sexistisch gefärbt. Obwohl er vordergründig witzig und amüsant wirkt, stecken hinter seinem vorlauten Auftreten oft emotionale Bedürftigkeit, Unsicherheit und die Tendenz, kritische Situationen oder überlegene Personen eher zu meiden.

    Angriffslustige sind feindselig und aggressiv. Sie fühlen sich nicht besonders wohl in ihrer Haut und halten nicht viel von sich selber. Außerdem sind sie emotional (gemütsmäßig) instabil, weniger offen und weder umgänglich noch gewissenhaft.

  • Der Defensive (aus dem lateinischen: defendere = wegstecken, verteidigen) macht oft Witze, die auf seine eigenen Kosten gehen. Für ihn ist der Humor ein Mittel zum Zweck, um sich Probleme vom Hals zu schaffen. Dafür erniedrigt er sich, ja macht sich gar lächerlich. Der strategische Grund: Er will nicht ernstgenommen und damit zur Verantwortung gezogen werden.

    Defensive haben ein geringes Selbstwertgefühl, sind pessimistisch, fühlen sich nicht wohl und meiden ihre Mitmenschen. Sie sind emotional sehr labil, wenig umgänglich und leider auch ziemlich unzuverlässig.

  • Auch geschlechtsspezifisch lässt sich offenbar in puncto „Humor und Persönlichkeit“ etwas aussagen: Der Humor von Männern ist häufiger aggressiv oder auch defensiv, und damit negativ gegen andere oder gegen sich selber gerichtet. Frauen versuchen durch Humor eher eine gute Atmosphäre sicherzustellen. Ihr Humor macht das Zusammenleben angenehmer, jedenfalls in jungen Jahren.

    Alterstypisch soll sich der Humor in dieser Hinsicht bei Männern im Alter nur wenig oder gar nicht ändern. Bei Frauen hingegen gibt es eine Verschiebung: In jungen Jahren teilen Frauen ihren Humor gerne mit anderen. Wenn sie älter werden, brauchen sie andere nicht mehr so sehr, um die Welt mit Humor zu betrachten. Nicht wenige nähern sich auch männlichen Eigenschaften an, was die Wissenschaftler mit neurohormonellen Veränderungen im Rückbildungs­alter, damit neuropsychologisch erklären.

    Aus Journal of Research in Personality 37/2003, zitiert nach Marion Sonnen­moser in PSYCHOLOGIE HEUTE 11 (2003) 8


Lachen als Krankheit?

Dass Lachen ernsthaft krank machen kann, wurde bisher nicht bewiesen. Es gibt allerdings neben einigen fernöstlichen „Lach-Krankheiten“ (z. B. Latah und Kuru-Kuru) auch ein seltenes neurologisches Leiden, die Narkolepsie (Einzelheiten siehe das spezielle Kapitel), bei der sogar ein „Lachschlag“ droht, eine plötzliche Muskelschwäche durch unkontrollierbares Lachen („es lacht immer weiter“). Aber totgelacht hat sich noch keiner, auch wenn das zu unserem täglichen Wortschatz gehört.

Wenn der Leidensdruck den Humor versiegen lässt

Belastend für die Betroffenen, diagnostisch wegweisend für den Arzt und interessant für die Allgemeinheit ist allerdings die Erkenntnis, dass man seinen bisher hilfreichen Humor und damit seine Lach-Bereitschaft krankheitsbedingt verlieren kann – wenngleich glücklicherweise meist nur vorübergehend.

Humor und die gnadenreiche Fähigkeit zum Lachen ist vor allem eine Frage der Anlage und damit Vererbung. Wenn man fröhliche Menschen fragt, woher sie diese beneidenswerte Gabe haben, dann erinnern sie sich in der Regel an einen nahen Verwandten (meist Eltern, Großeltern oder deren Geschwister), der ebenfalls ein heiteres Gemüt gehabt habe. Natürlich gibt es auch den Gegenpol: Menschen, die eher düster, ständig missgestimmt und nörgelig daherkommen – und darunter zu leiden haben, denn wer mag mit solch belastenden Zeitgenossen dauernd Kontakt haben. Auch hier können hereditäre Belastungen eine schwere Bürde darstellen, unabhängig von Kränkungen und Schicksalsschlägen, die gerne als eigentlicher Grund herangezogen werden.

Aber auch die glücklicher Gestellten können einmal ihren Humor verlieren, wie erwähnt: krankheitsbedingt. Das findet sich vor allem bei körperlichen Leiden und hier insbesondere langfristigen Beeinträchtigungen (man denke nur an chronische Schmerzbilder, was dann – medizinisch gesprochen – zu einem algogenen dysphorischen Syndrom führen kann). Das Gleiche gilt für seelische Störungen ohne körperliche oder psychosoziale Ursachen, manchmal aus „heiterem Himmel“ und dann besonders schwer nachvollziehbar, verstehbar und damit tolerierbar.

- Dazu gehören z. B. die Depressionen, die selbst einem sonnigen Gemüt die Stimmung langsam oder sogar über Nacht verdüstern können, bis hin zur Lebensmüdigkeit und Gefahr, Hand an sich zu legen. Das ist natürlich eine gefährliche End-Konsequenz. Aber schon zuvor klagen diese Patienten (oder trauen sich nur nicht darüber zu reden), dass ihnen Fröhlichkeit, Lachen, ja eine sonnige Wetterlage oder heitere Musik schwer zu schaffen mache, sie geradezu herunterziehe, „seelische Schmerzen“ bereite. Solchen Menschen ist in diesem Zustand dann oftmals nicht einmal mehr klar, dass sie früher zu den Froh-Naturen, ja Stimmungskanonen zählten (was nebenbei für viele Depressive geradezu typisch ist: in gesunden Tagen überwiegend lebensfroh).

- Der Gegenpol der depressiven Seelenfinsternis, oft bei ein und demselben Betroffenen hintereinander, ist die manische Hochstimmung, bei der die Patienten (die sich aber gar nicht als krank einstufen) eine geradezu typisch ansteckende(!) Heiterkeit entwickeln, auch wenn sie immer häufiger „über die Stränge schlagen“ (Einzelheiten siehe die verschiedenen Kapitel über Depressionen und Manie).

- Während man eine beginnende Depression in der Regel zwar erstaunlich spät, letztlich aber doch relativ sicher zu erkennen vermag und damit auch die Erklärung für das ungewöhnliche Stimmungstief und „verlorene Lachen“ hat (obgleich es in seltenen Fällen auch eine „lachende“ oder zumindest „lächelnde Depression“ gibt), ist das bei schizophrenen Psychosen oder schizophrenie-nahen Erkrankungen schon komplizierter. Letztere sind ohnehin ein Kapitel für sich und sollen hier nicht weiter erläutert werden (Fachbegriffe: schizoide, paranoide und schizotypische Persönlichkeitsstörungen, wahnhafte Störungen u. a.).

Patienten mit einer schizophrenen Psychose oder ähnlichen Erkrankung aber können – entgegen dem irrtümlichen Meinungsbild – zwar den größten Teil ihres Lebens völlig unauffällig sein, geraten aber auch mal mehr oder weniger plötzlich in einen „psychotischen Sog“, gegen den sie ohne fremde (vor allem medikamentöse) Hilfe nichts ausrichten können und der sich besonders im Vorfeld des Leidens in einigen Besonderheiten von Stimmung und Wesensart äußern kann.

Solche Vorposten- und damit Warn-Symptome einer Schizophrenie sind beispielsweise neben zunehmender ängstlicher Unruhe, Spannung und Nervosität, neben Schlaflosigkeit, Merk- und Konzentrationsstörungen und unklaren körperlichen Beeinträchtigungen, vor allem eine wachsende Freudlosigkeit, Empfindlichkeit und Humorlosigkeit (!), selbst bei ansonsten heiterer Wesensart. Dabei legen die Betreffenden plötzlich jedes Wort auf die Goldwaage und werden dadurch immer reizbarer, mitunter geradezu aggressiv bis feindselig.

Leider sprechen nicht wenige dieser Patienten auch in den unauffälligen Phasen ihres Lebens weniger auf Humor an, als vom Durchschnitt zu erwarten ist. Und auch hier findet sich etwas, von dem wir ja schon im höheren Lebensalter generell gehört haben: Schizophren Erkrankte oder zumindest Bedrohte scheinen Witze und Cartoons nicht so schnell und gezielt zu verstehen. Das jedenfalls sind die Ergebnisse psychiatrischer Untersuchungen.

Damit legt diese mehr oder weniger unerwartete Humorlosigkeit natürlich nicht nur jeden normalen zwischenmenschlichen Kontakt lahm (Rückzug der anderen und damit Isolationsgefahr für den noch nicht als krank Erkannten), sie beweist auch den biologischen Hintergrund von Freude und Trauer, Humor und Humorlosigkeit.

- Diese Erkenntnis wird übrigens auch durch die Wirkung bestimmter Rauschdrogen untermauert, bei denen beispielsweise plötzlich regelrechte Lach-Orgien, aber auch depressive, Angst-, ja Panik-Reaktionen ausbrechen können – rein biochemisch gesteuert (z. B. Haschisch, LSD, Kokain u. a.).

- In neuro-psychiatrischer Hinsicht gibt es ebenfalls Krankheitsbilder, bei denen das Lachen entweder im Verlaufe der Erkrankung „erstirbt“ (z. B. Alzheimer-Demenz, Parkinson-Krankheit, bestimmte Hirntumore u. a.) oder bereits in die Persönlichkeitsstruktur eingebaut erscheint.

Dazu gehören die Epilepsien. Tatsächlich finden sich hier einige Besonderheiten, was die Wesensart anbelangt. Einiges geht auf die Erkrankung zurück, anderes auf die Nebenwirkungen der Antiepileptika; und nicht Weniges auf die psychosoziale Reaktion der Betroffenen auf ihr Leiden mit entsprechenden Konsequenzen im Alltag.

Früher nannte man das eine „epileptische Wesensänderung“, inzwischen spricht man von einer „interiktalen Persönlichkeitsstörung“. Beispiele: mangelnde Umstellungsfähigkeit und Wendigkeit, zähflüssiger Gedankengang, Umständlichkeit, überzogenes philosophisches Interesse, gesteigerte Emotionalität („Gefühlsduselei“), Neigung zu Passivität, Zwanghaftigkeit u. a. Deutlich wird auch eine vermehrte Neigung zur Traurigkeit, zu Schuldgefühlen, zur Hyper-Religiosität, eine Art Hyper-Moralismus mit überzogen moralisierend-religiösem Gepräge. Und eine leider gelegentlich sehr deutliche Humorlosigkeit, die natürlich auch die Lach-Bereitschaft erheblich einschränkt.

Burnout und Lachen

Ein wachsendes Problem bezüglich Humor-Verlust und Lach-Defizit ist eine Krankheit, die (noch) nicht als solche anerkannt ist, weshalb man sie nicht als Krankheits-, sondern Leidensbild umschreibt – und zwar gesellschaftlich, psychosozial, letztlich stress-bedingt. Der Begriff ist – obgleich nur englisch verfügbar – inzwischen in aller Munde: Burnout: erschöpft --> verbittert --> ausgebrannt.

Das Phänomen ist jedoch alt: Früher als Elias-Syndrom nach dem Propheten Elias bezeichnet, später in der Fachpresse als Betriebsneurose, Helfer-Syndrom, Psychasthenie, Neurasthenie, chronischer nervöser Erschöpfungszustand, Erschöpfungsdepression u. a. und in der Allgemeinheit als Schaffens- oder Sinn-Krise, Midlife-Crisis, innere Kündigung u. a. bezeichnet (was aber immer nur die Richtung vorgibt, nie deckungsgleich ist).

Allen diesen Störungen, zeit- und gesellschafts-abhängig, liegt vor allem eines zugrunde: ein kompliziertes Wechselspiel von Persönlichkeits-Eigenschaften und - zumeist beruflichen - Umweltfaktoren. Nach und nach versuchte man das Burnout-Syndrom deshalb etwas genauer zu differenzieren: So sprach man von „echten Ausbrennern“, also den ursprünglich dynamischen und zielstrebigen Männern und Frauen, die an schlechten Bedingungen zugrunde gehen, sich aber letztlich ihren Stress weitgehend selber verschafft haben und vor allem nicht Nein zu sich selber sagen können (deshalb auch als „Selbst-Verbrenner“ bezeichnet). – Zum anderen die „Verschlissenen“, die wenig durchsetzungsfähig und passiv sind, nicht Nein zu anderen sagen können, weil sie Angst haben, deren Sympathie zu verlieren - und damit tatsächlich die Opfer äußerer Umstände werden, wenngleich letztlich auch persönlichkeits-spezifisch ausgelöst. – Und schließlich jene „Kandidaten“, die zwar von der positiven Seite der Burnout-Ursachen Nutzen ziehen, in Wirklichkeit aber überhaupt nie „gebrannt“, geschweige denn „gelodert“ haben, also die bekannten „Trittbrettfahrer“. Einzelheiten dazu, vor allem was Persönlichkeitsstruktur und Ursachen anbelangt, siehe das spezifische Kapitel in dieser Serie. Hier deshalb einige ausführlichere Hinweise, weil dieser „Schwelbrand der Gesellschaft“ langsam in der Tat folgenschwere Konsequenzen nach sich zu ziehen droht. Also: wie es beginnt - und endet (einschließlich der erwähnten Humor-Konsequenzen):

- Der Beginn einer Burnout-Krise erscheint erst einmal positiv: aktiv, dynamisch, zupackend, ideenreich, engagiert (allerdings eher über-engagiert) mit vermehrtem Einsatz, freiwilliger Mehrarbeit, (subjektivem) Eindruck der eigenen Unentbehrlichkeit und dem Gefühl, eigentlich nie mehr richtig Zeit zu haben; damit wachsende Verleugnung eigener Bedürfnisse und vielleicht eine heimlich zunehmende Beschränkung zwischenmenschlicher Kontakte.

Nach und nach wird das (Über-)Engagement aber durch eine sich langsam, jedoch unerbittlich ausbreitende Erschöpfungsphase gleichsam ausgebremst: Jetzt drohen verminderte Belastbarkeit, wachsende Stimmungslabilität und vor allem eine bisher nicht gekannte Erholungsunfähigkeit. Auch eine zunehmende Infektanfälligkeit gehört dazu (meist ständige banale Erkältungen und Grippe-Infekte). Dazu Müdigkeit im Sinne einer eigenartigen, alles durchdringenden Mattigkeit (in Fachkreisen als Tagesmüdigkeit oder chronische Müdigkeit bezeichnet). Und am Schluss rasche Erschöpfbarkeit und schließlich regelrechte Kraftlosigkeit. Dazu die unselige Kombination aus müde, matt und abgeschlagen nach außen sowie innerlich unruhig, nervös, gespannt, fahrig, ja sogar reizbar und gelegentlich aggressiv nach außen (früher treffend als „reizbare Schwäche“ bezeichnet).

- Der Endzustand ist gekennzeichnet durch Resignation, Entmutigung, verringerte Frustrations-Toleranz, leichte Kränkbarkeit, Niedergeschlagenheit, schließlich sogar durch Minderwertigkeits- und Versagensgefühle. Die Sicht weise wird schwernehmend, pessimistisch, von Negativismus oder Fatalismus geprägt. Dazu baut sich das frühere Leistungsvermögen regelrecht von selber ab, beginnend mit Kreativität, Motivation, schließlich Gedächtnisleistung, psychosomatisch interpretierbaren Beschwerden (ohne organischen Grund) und zuletzt körperlichen Schwachpunkten, die psychosozial bedingt plötzlich gesundheitlich relevant werden. Dazu Partnerprobleme, familiäre Schwierigkeiten (und damit „Kerze, die an beiden Seiten gleichzeitig abbrennt“), verzweifelte Selbst-Behandlungsversuche mit Alkohol, Nikotin und Kaffee, möglicherweise auch noch mit Beruhigungs-, Schmerz- und Schlafmittel (aus fremden Beständen, da man noch immer nicht freiwillig zum Arzt geht) und schließlich eine Vielzahl von Konsequenzen am Arbeitsplatz, die das Ende einleiten.

Einzelheiten siehe das spezifische Kapitel in dieser Serie. Eines aber sei noch einmal wiederholt: Nämlich ein spezifisches Charakteristikum des voll ausgeprägten, sozial verhängnisvollen Leidensbildes:

Gemeint ist die Neigung zu ständiger, ja wachsender Ironie, zu Sarkasmus und Zynismus. War der Betreffende schon früher so angelegt, wird es noch unerträglicher, dafür aber vom leid-geprüften Umfeld besser zu verstehen. Passte es nicht zu seiner Persönlichkeitsstruktur, fällt es zwar schneller auf, ist aber fast noch unerträglicher, weil bisher ungewohnt.

Spätestens in dieser unseligen Phase, meist aber schon (weit?) vorher, zeichnet sich auch das ab, was wir von anderen Krankheitsbildern mit biologischem Hintergrund (wenn auch später mit psychosozialer Verstärkung) kennen gelernt haben: zunehmende Humorlosigkeit mit entsprechendem Lach-Defizit.

Und wenn, dann eher in der unangenehmen Form des entweder defensiven, meist aber angriffslustigen „Humor-Produzenten“. Dabei muss die Schadenfreude nicht einmal so ausgeprägt sein, eher eine Art Galgenhumor, aber meist weniger passiv duldend, eher ungehalten, unduldsam, schließlich reizbar, aggressiv oder gar feindselig getönt.

Hier zeichnet sich dann auch der Unterschied zur so genannten „inneren Kündigung“ ab. In wenigen Sätzen formuliert: Der Ausgebrannte kann nicht (mehr) leisten, was er eigentlich gerne leisten möchte; der innerlich Kündigende könnte vielleicht, aber er mag nicht mehr. Die innere Kündigung ist also nicht einfach eine Vorstufe des Ausbrennens, wie gelegentlich geäußert wird, obgleich es sicher Berührungspunkte, vielleicht sogar Überschneidungen geben mag. Dabei kann sich der innerlich Kündigende emotional besser über die Runden retten, ja sogar seine Beziehung zu seiner Klientel (seine Schüler, Patienten, Kunden u. a.) in selbst-bestimmtem Rahmen ordnen.

Deshalb findet man bei innerer Kündigung auch seltener das erwähnte Humor- und damit Lach-Defizit wie beim Burnout-Syndrom.

Lachen – immer Ausdruck von Humor?

Nun ist auch das „gesunde“ Lachen nicht immer eine fröhliche Angelegenheit, jeder weiß es. Im Gegenteil, die Aufzählung der verschiedenen Lach-Varia­tionen zeigt einen eher negativen Schwerpunkt. So gibt es sicher das befreiende Lachen, die wohl schönste Form des Lachens, auch wenn es einmal grenzwertig impulsiv ausfallen sollte. Aber auch das verlegene oder gar verzweifelte Lachen. Oder das obszöne, wenn nicht gar aggressive Lachen. Und schließlich das skeptische, blasierte, ironische, sarkastische oder zynische Lachen.

Da nun schon mehrfach von einer biologischen Ausgangslage in Sachen Humor und Lachen die Rede war, also auch erbliche Faktoren eine Rolle spielen, stellt sich die Frage: Woher kommt negativer Humor, vor allem ein nur anscheinend humorvoller (Fassaden-)Stil, der andere nur aufziehen, niedermachen, wenn nicht gar lächerlich machen will?

Dabei fanden sich in groß angelegten Untersuchungen mit ein-eiigen und zwei-eiigen erwachsenen Zwillingspaaren, die entweder gemeinsam oder getrennt aufgewachsen waren, folgende Erkenntnisse: Offenbar teilen solche Zwillings-Paare einen positiven Humor-Stil, d. h. eine gute Stimmung verbreitend, gerne andere mit Witzen und Anekdoten unterhaltend, auch in schwierigen Zeiten humorvoll und zum Durchhalten motivierend. Das weist auf eine genetische Komponente hin, also auf eine Erb-Eigenschaft.

Ganz anders liegt hingegen der Fall beim negativen Humor-Stil (siehe oben): Dieser scheint nicht angeboren, sondern eher erworben zu sein. Aggressiver Humor entwickelt sich laut dieser wissenschaftlichen Erkenntnis individuell und ohne Einfluss der Gene. Oder kurz: positive Humor-Eigenschaften (eher) angeboren, negative (mehr) erworben? So jedenfalls die Schlussfolgerungen dieser Zwillings-Untersuchungen.

Wie auch immer: Die Mehrzahl des derzeit humor-gesteuerten Lachens oder Lächelns im Alltag soll tatsächlich eher auf Beschämung, Erniedrigung oder Kleinmachen der anderen aus sein, vor allem wenn es sich um so genannte Humor-Sendungen handelt, wie sie immer mehr im Fernsehen entgleisen, und zwar nicht zuletzt deshalb, weil die Schadenfreude immer noch die häufigste Freude ist und wohl auch bleibt. Dabei kann doch jeder das bekannte Sprichwort bestätigen: „Schadenfreude ist die Freude, die durch Schaden nicht klug wird“ (H. Walters).

Und doch kann auch die Schadenfreude – in Maßen praktiziert – etwas Befreiendes haben. Man denke nur an die Verse und Bildgeschichten des unerreichten (aber vom und im Leben enttäuschten?) Humoristen Wilhelm Busch, der allerdings auch einen moralischen Hintergrund nicht verkannt haben will: „Was man ernst meint, sagt man am besten im Spaß“. Tatsächlich ist der Erfolg damit am ehesten garantiert, wie die Sprachwissenschaftler bestätigen: Je unklarer die Grenze zwischen Spaß und Ernst, desto größer der humoristische Effekt (Helga Kotthoff, zitiert nach D. Thoma u. Mitarb., 2003).

Aber auch das befreiende, vor allem heimlich befreiende Lachen kann seine dunklen Seiten haben. So weiß man – und die ältere Generation kann sich noch daran erinnern –, dass Lachen verdächtigt sein und im Extremfall sogar bestraft werden kann, insbesondere in Gesellschaftssystemen, in denen ein diktatorisches Regime herrscht. Dort wird dann auch das Lachen gezielt unterbunden.

Gerne gelesen wurden beispielsweise nach Ende des Zweiten Weltkriegs und nationalsozialistischen Terrors Bücher wie „Der Flüsterwitz im 3. Reich“. Nur hinter vorgehaltener Hand konnte man sich mit etwas Humor von der drückenden Last der Bespitzelung und „Gleichschaltung“ befreien (z. B. Der deutsche Mann: blond wie Hitler, groß wie Goebbels, schlank wie Göring, keusch wie Röhm…).

Denn Lachen ist ein demokratischer Vorgang. Schon der römische Schriftsteller Tacitus schrieb: Herrscht das Volk, regiert die Rede, herrscht Despotismus, dann regiert der Trommelwirbel. Und so ist es und war es beispielsweise auch beim staatlich verordneten Lachen im III. Reich. Dort erhielt das Lachen eine neue Funktion. Dort zielten die Führer auf ein brüllendes Gelächter, das vernichten sollte. Bösartiges Gelächter als gefährliche Waffe. Die anderen sollten nichts mehr zu lachen haben. Das befreiende und damit entwaffnende Lachen hingegen war verboten – bei hoher Strafe. Noch mehr natürlich das Lachen über das tyrannische Regime. Von Hitler sagte man, dass ihm Gelächter unerträglicher gewesen sei, als Gefahr für Leib und Leben. Er wird Friedrich Nietzsche gelesen haben, der mahnte: Nicht durch Zorn, sondern durch das Lachen tötet man. Deshalb auch die öfter herausgebrüllte Warnung an die Westmächte und ihre Politiker: Ihnen wird das Lachen noch vergehen – auch wenn es am Schluss umgekehrt herauskam.

Aber nicht nur in Diktaturen ist Lachen riskant, auch in der Freiheit der westlichen Welt, d. h. in so manchen, vor allem streng hierarchisch strukturierten Organisationen wird Lachen ungern gesehen, ja direkt oder zumindest indirekt mit tadelnder Ermahnung belegt („Ihnen fehlt wohl der notwendige Ernst zur Sache“).

Humor und Lachen darf – so oder so – also nicht untergehen. Denn wer gerne lacht, wird auch gern verzeihen (Karl Pelzer). Und – als Jux, aber mit ernstem Hintergrund: Die sich totlachen können, werden sich nicht totschlagen (Peter Benary).

Denn wie sagte schon Berthold Brecht: „In einem Land leben, wo es keinen Humor gibt, ist es unerträglich, aber noch unerträglicher ist es in einem Land, wo man Humor braucht“. Und Professor Dr. Sigmund Freud, der Vater der Psychoanalyse, erkannte den Humor als eine Bewegung des Widerstands, aber nicht nur im psychoanalytischen Sinne als so genannter Abwehrmechanismus der Seele, sondern als realen Widerstand gegen offene Unterdrückung. Oder als moderne (psychotherapeutische) Erkenntnis: „Wenn der Humor verschwindet, verbreitet sich Barbarei“.

ANHANG: Zur Psychologie von Albernheit und Blödelei


Wir erinnern uns an den Satz von Heinrich Böll: Albernheit – man muss Geist haben, um ihn aufgeben zu können. Und wir erinnern uns an den Psychotherapeuten Viktor Frankl, der das Lachen sogar als psychotherapeutische Strategie im Rahmen seiner „paradoxen Intention“ empfahl. Da kann auch die erlaubte Albernheit bzw. – vor allem im österreichischen Sprachraum – das Blödeln nicht mehr weit sein.

Tatsächlich empfahl Viktor Frankl: „Am vernünftigsten ist es, nicht allzu vernünftig zu sein“. Das sei die Grundregel Nummer 1. Und danach eine zweite Empfehlung: „Man darf sich auch von sich selber nicht alles gefallen lassen“.

Der Hintergrund ist klar: Allzu starkes Selbstmitleid macht humorlos. Und Humorlosigkeit ist ein Feind der Grundstimmung, das Blödeln oder Albern erst möglich macht.

Im Rahmen dieser Serie gibt es einen Betrag Zur Psychologie des Blödelns, der sich vor allem auf das Buch von A. Kirchmayr über Witz und Humor bezieht (siehe dort). Da heißt es beispielsweise:

Blödeln wird gerne mit blöde verwechselt, also dumm, schwachsinnig. Aber da muss man aufpassen. Denn im 18. Jahrhundert entstanden die Worte blödsinnig und Blödsinn (wie übrigens auch Doppelsinn, Eigensinn, Leichtsinn, Scharfsinn, Tiefsinn, Unsinn, Wahnsinn und Widersinn – alles Begriffe, die irgendwie mit dem Blödeln und Herumalbern in Verbindung stehen). Im 19. Jahrhundert hieß „Blödeln“ schließlich konkret soviel wie „bewusst Unsinn reden, sich erkühnen“.

Sich entblöden heißt im Übrigen auch „die Scheu ablegen“. Blödeln und Herumalbern bedarf also eines gewissen Mutes, oft Übermutes. Wer blödeln kann, beweist, dass er den Mut und die Stärke besitzt, schwachsinnig sein zu können, ohne es zu sein (A. Kirchmayr).

Wissenschaftlich gesehen ist das Blödeln eine Diaspora. Kaum einer kümmert sich darum, obwohl es psychohygienisch überaus wertvoll ist. Da ist es auch kein Trost, zu wissen, dass es dem Humor und dem Lachen übrigens auch nicht viel besser geht (obwohl sich derzeit eine leichte Trendwende abzeichnet). Der Humor spielt allerdings auch in einer anderen Liga und wird nicht nur von Linguisten (Sprachforschern), sondern inzwischen sogar psychophysiologisch beforscht. Gleichwohl hat der Humor in der Wissenschaft noch immer einen schweren Stand, gemessen an den Negativ-Komponenten Trauer und Depression. Aber zurück zum Blödeln im Alltag.

Blödeln braucht Partner

Blödeln kann man nur in einer Gruppe Gleichgesinnter. Und dort muss eine entsprechende entspannte Stimmung herrschen, gleichsam eine Blödelei-Disposition. Sicher gibt es Regeln, die man einhalten sollte, aber letztlich unverbindlich und sich gleichsam durch die Hintertür etablierend. Man kann es übrigens auch lernen, trainieren und perfektionieren. Dabei wird jedoch eines deutlich: Der eine ist dafür begabt, gleichsam ein geborener Blödler, der andere muss es sich erarbeiten, zumindest guten Willen zeigen.

Was gehört zum Blödeln? Als Erstes die systematische Umgestaltung von Sprachformen, dazu kalauer-hafte Wortspiele, so genannte Anti-Witze, absurde Wiederholungen, Sprach-Klang-Spiele und regelrechte Spezial-Sprachen, z. B. die B- oder F-Sprache, bei denen einfach diese beiden Silbenvokale ständig eingebunden sind.

Blödeln versus Vernunft

Was spielt sich beim Blödeln ab? Als Erstes werden die üblichen Regeln des Verstandes außer Kraft gesetzt, zumindest vorübergehend. Das gleiche Los trifft den Zwang zum logischen, zum vernünftigen Denken. Danach muss man eine Einschränkung hinnehmen, allerdings eine entlastende. Im Gegensatz zum Witz hat Blödeln keine Pointe, also keinen Knall-Effekt. Dafür einen heftigen Gegner, nämlich das schon angesprochene, allseits dominierende, scheinbar logische, ernsthafte Denksystem. Im Blödeln wird es neutralisiert, aufgehoben oder – noch besser – überwunden.

Dabei wird es aber nicht eliminiert, im Gegenteil. Es wird sogar bewahrt. Denn das Blödeln lebt vom Kontrast zum vernünftigen Denken. Blödeln auf der einen und Vernunft, Verstand auf der anderen Seite, das sind die beiden Pole, die sich aber nicht „beißen“ müssen.

Es gibt auch keine scharfe Abgrenzung, das beweist schon die alte Erkenntnis: Die besten Blödler sind auch die schärfsten Denker – zumindest erstaunlich oft. Je gescheiter einer ist, desto besser kann er blödeln. Aber Vorsicht, nur unter geistig Gleichgestellten, sonst reagiert der „subjektiv Unterlegene“ verschnupft, fühlt sich veralbert.

So hat Blödeln trotzdem ein System, es ist ein „Tun-als-ob“, ein Spiel. Und das unterscheidet es vom puren Unsinn oder Blödsinn.

Kultur – Überlieferung – Nachbar-Gebiete

Psychotherapeutisch gesehen ist die Blödelei eine Art Urlaub vom oft erdrückenden Ernst des Lebens, eine hilfreiche Regression (Rückschritt) in die Kinderzeit. Dort wird ja bekanntlich um ein vielfaches mehr gelacht und vor allem geblödelt als im Erwachsenenalter, wo diese erfrischende und gesundheitserhaltende Eigenart langsam erstirbt.

Blödeln gibt es in jeder Kultur, ja Subkultur anders und zu unterschiedlichen Zeiten auch variationsreich. Beweisen lässt sich das übrigens nur schwer. Denn im Gegensatz zum Witz wird das Blödeln schriftlich nur selten festgehalten (am besten durch Limericks sowie Karl Valentin und Christian Morgenstern).

Die mündliche Überlieferung ist viel eher das Element des Blödelns. Denn das Atmosphärische spielt beim Blödeln eine weit größere Rolle als beim Witz (wo man eben auf die Pointe wartet, was beim Blödeln nicht zu erwarten ist - s. o.).

Außerdem hat die Gabe zur Blödelei auch manches mit Musik und Musik-Begabung zu tun (siehe auch Wolfgang Amadeus Mozart, ein beneidenswerter Anhänger der Blödelei, nicht zuletzt in seinen Briefen festgehalten). Aber auch in der modernen Literatur ist das Blödeln im Vormarsch, vor allem in der Lyrik pflegt es unglaublich witzige Blüten zu treiben. Blödeln ist wie improvisieren und manche Experten sind der Meinung, man könne es fast als Komposition bezeichnen, man denke nur an den Jazz.

Blödeln zur Psychohygiene

Zuletzt sei noch auf einen Aspekt hingewiesen, der sich erst bei genauerem Nachdenken offenbart: Blödeln ist kein Spiel, sondern ein Spielen. Die Blödelnden spielen mit Wörtern und Sprache, mit Redensarten und Klischees, die sie blödeln bloßlegen, entlarven. Denn wir leben auch in einer Zivilisation, die – bewusst oder unbewusst – reichlich Hemmungen in uns installiert und nur in klar abgegrenzten Bereichen Hemmungslosigkeit zulässt und fördert (z. B. während Fasnacht, kurz genug).

Hier kann das Blödeln ganzjährig eingreifen, z. B. im Bereich der offizielle Verblödung der Sinnes-Organe (und damit innerseelischen Besinnungs-Organe), vor allem auf der Ebene von Konsum- oder Geld-Sucht und der blödsinnigen, aber kritiklosen Bewunderung der Reichen und Schönen.

Denn so Professor Dr. A. Kirchmayr: Beim Blödeln vergessen wir leicht diesen unheimlich weit verbreiteten schädlichen Blödsinn, der als Zeitgeist enorm viel Druck ausübt. Blödeln schafft Gegendruck im Sinne einer kindlichen, unbekümmerten Spielfreude, die uns leider als Erwachsene verloren gegangen ist – außer beim Blödeln.

Außerdem meint die bekannte Aphoristikerin Marie von Ebner-Eschenbach: Alberne Leute sagen Dummheiten. Gescheite Leute machen sie.

Da ist was dran. Weitere Einzelheiten siehe der erwähnte Beitrag in dieser Serie.

Schlussfolgerung

Das wären einige Aspekte zum Thema Humor, Lachen und gehobene Albernheit. Vieles ist dabei gar nicht so lustig, wie man es sich wünschen möge. Dafür vermittelt es einige Einblicke, die zur „humor-gestützten Gelassenheit“ beitragen können. Und dazu zum Schluss einige Zitate, mit denen man auch einen nachdenklichen Aufsatz befriedigend abschließen kann. Hierzu gehören, beginnend mit der Antike:

- Echter Humor ist eine ernste Sache (Lucius Annaeus Seneca, römischer Staatsmann und Philosoph)

- Ähnlich der Verhaltensforscher Konrad Lorenz, der so treffend mahnte: Aber ich glaube, ... dass wir heute den Humor noch immer nicht ernst genug nehmen.

- Noch sorgenvoller der Dichter Wilhelm Raabe: Man spricht viel zu leichtfertig vom Lachen in der Welt; ich halte es für eine der ernsthaftesten Angelegenheiten der Menschheit. Und an anderer Stelle: Gott sei Dank, dass der Spaß nicht totzukriegen ist in dieser mürrischen Welt.

- Dies gilt vor allem für die Medizin, bei der sich langsam herumspricht, dass die Beschäftigung mit dem Lachen in der Heilkunde nicht mehr nur lächerlich, sondern nutzbar gemacht werden soll. Denn die Medizin wird zwar technisch perfektioniert, aber zwischenmenschlich ausgetrocknet. Dabei ist und bleibt – wie der Volksmund sagt – das Lachen die kürzeste Verbindung zwischen zwei Menschen.

Doch es benötigt – wie stets – erst einige „Querdenker“, um hier etwas Bewegung in die verkrustete Gemüts-Landschaft zu bringen.

Dazu noch einmal der Philosoph Friedrich Nietzsche: Wir müssen die Dinge lustiger nehmen, als sie es verdienen, zumal wir sie lange Zeit ernster genommen haben, als sie es verdienen.

Oder – ironisch, aber treffend – der irische Schriftsteller George Bernard Shaw:

Was wir brauchen, sind ein paar verrückte Leute. Seht Euch an, was uns die Normalen gebracht haben.


Weiterführende Literatur

Berger, P. L. : Erlösendes Lachen. Das Komische in der menschlichen Erfahrung. Verlag Walter de Gruyter, Berlin 1998

Bernhardt, J.A. : Humor in der Psychiatrie. Beltz-Verlag, Weinheim 1985

Best, O.F. : Volk ohne Witz. Über ein deutsches Defizit. Fischer-Verlag, Frankfurt 1993

Bloch, C. : Jüdische Witze und Anekdoten. Wunderkammer-Verlag, Neu-Isenburg 2006

Bernhardt, J.A. : Humor in der Psychiatrie. Beltz-Verlag, Weinheim 1985

Bönsch-Kauke, M. : Die Erzählungen der Chassidim. Manesse-Verlag, München 2006

Fischer-Fabian, S. : Lachen ohne Grenzen. Der Humor der Europäer. Lübbe-Verlag, Bergisch-Gladbach 1992

Fischer-Fabian, S. : Vergesst das Lachen nicht. Der Humor der Deutschen. Verlag Droemer-Knaur, München 1992

Freud, S. : Der Humor. GW XIV, Fischer-Verlag, Frankfurt 1968

Freud, S. : Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten. Fischer-Verlag, Frankfurt 1992

Frings, W. : Humor in der Psychoanalyse. Eine Einführung in die Möglichkeiten humorvoller Intervention. Kohlhammer-Verlag, Stuttgart 1996

Grotjan, M. : Vom Sinn des Lachens. Kindler-Verlag, München 1974

Hirsch, R.D. u. Mitarb. (Hrsg.) : Heiterkeit und Humor im Alter. Schriftenreihe der DGGPP, Band 2. Chudeck-Druck, Bornheim-Sechtem 2001

Hole, G. : Herzlichkeit als Lebenskunst. Verlag Herder, Freiburg 2008

Hüttinger, S. : Die Kunst des Lachens – das Lachen der Kunst. Peter Lang-Verlag, Frankfurt 1996

Jaffin, D. : Humor in der Bibel. Liebenzeller Mission, Liebenzell 1998

Kamper, D., Ch. Wulf (Hrsg.) : Lachen – Gelächter – Lächeln. Syndikat-Verlag, Frankfurt 1986

Kirchmayr, A. : Humor in der Psychiatrie. Beltz-Verlag, Weinheim 1985

Kirchmayr, A. : Witz und Humor. Edition Va bene, Wien-Klosterneuburg 2006

Kirchmayr, A. : Rettet die Purzelbäume. Kinderwitz und Lebenskunst. Edition Va bene, Wien-Klosterneuburg 2009

Köhler, P. (Hrsg.) : Hier lacht der Leser. Reclam-Taschenbuch, Stuttgart 2004

Kresse, A., E. Ullmann : Humor im Business – Gewinnen mit Witz und Esprit. Cornelsen-Verlag, Berlin 2009

Kotthoff, H. : Das Gelächter der Geschlechter. Universitätsverlag, Konstanz 1996

Kuhlmann, W., L. Röhrich (Hrsg.) : Witz, Humor und Komik im Volksmärchen. Röth-Verlag, Rottmersleben 1993

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Merziger, B. M. : Das Lachen der Frauen im Gespräch über Shopping und Sexualität. Dissertation an der Freien Universität Berlin, Berlin 2005

Moody, R. : Lachen und Leiden. Rowohlt-Verlag, Reinbeck 1979

Ohm, D. : Lachen, Lieben, länger leben. Trias-Verlag, Stuttgart 1997

Robinson, V.M. : Praxishandbuch Therapeutischer Humor. Ullstein-Medical, Wiesbaden 1999 (hier auch umfangreiches Literaturverzeichnis, und zwar sowohl englischsprachig als auch deutsch)

Ronner, M.M. : Neue treffende Pointen. Ott-Verlag, Thur 1978

Rubinstein, H. : Die Heilkraft Lachen. Kallwag-Verlag, Bern 1985

Sornig, K. : Gesprächstyp Blödeln. In: E. Weigand u. Mitarb. (Hrsg.): Dialoganalyse II. Bd. 1. Niemeyer-Verlag, Tübingen 1988

Steiner, R. : Die Ausdrucksfähigkeit des Menschen in Sprache, Lachen und Weinen. Rudolph Steiner-Verlag, Dornach 1979

Titze, M., C.T. Eschenröder : Therapeutischer Humor. Fischer-Verlag, Frankfurt 1998

Titze, M : Heilkraft des Humors. Herder-Verlag, Freiburg 1985

Titze, M : Die heilende Kraft des Lachens. Kösel-Verlag, München 1985

Thoma D., C. Howland, P. Jamin : Kennen Sie den ...? Die Lieblingswitze der Deutschen. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2003

Vogel, Th. (Hrsg.) : Vom Lachen. Attempto-Verlag, Tübingen 1992

Wertheimer, H.St. : Lexikon der heiteren Weisheiten. Ott-Verlag, Thun 2003

Wertheimer, H.St. : Lexikon der heiteren Weisheiten. Ott-Verlag, Thun 2003

Wiener, R. : Der lachende Schopenhauer. Militzke-Verlag, Leipzig 1996

Wippich, J., I. Derra-Wippich : Lachen lernen. Jonfermann-Verlag, Göttingen 1986

Zijderveld, A. : Humor und Gesellschaft. Styria-Verlag, Graz 1976

Zöpfel, H., H. Wittmann : Humor und Freude in der Schule. Auer-Verlag, Donauwörth 1990

Bei allen Ausführungen handelt es sich um allgemeine Hinweise.
Bei persönlichen Anliegen fragen Sie bitte Ihren Arzt.
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