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GUTARTIGE ALTERSVERGESSLICHKEIT ODER BEGINNENDE DEMENZ?

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Alter und Altern wird immer häufiger zum Thema, und zwar nicht nur im negativen Sinne, auch im positiven. Das "dritte Lebensalter" wird plötzlich interessant, denn es schickt sich an, die Mehrheit der Bevölkerung zu erreichen. Und zwar nicht nur in Deutschland, nein: "Europa wird grau". Das hat die bekannten seelischen, geistigen, körperlichen und psychosozialen Nachteile, wer kennt sie nicht, darüber wird unendlich berichtet und diskutiert. Es hat aber auch Vorteile, aber man muss sich informieren. Denn Wissen ist Macht, macht zu helfen, Macht seine eigenen Ängste in Grenzen zu halten, Macht sein Leben auch in den letzten Jahren befriedigend zu führen.

Dazu gehört aber Gesundheit, und das ist der Schwachpunkt, wenn man älter wird (aber man bedenke auch die Alternative von Älterwerden, nämlich...). Die wohl am häufigsten erörterte Frage im Rahmen der altersbedingten Nachteile lautet: Wie werde ich geistig enden? Oder wissenschaftlich gesprochen: Demenz oder "nur" gutartige Altersvergesslichkeit?

Nachfolgend deshalb eine kurz gefasste Übersicht zu diesem Thema, was man gerne übergeht, aus Furcht. Doch die ist unbegründet, man muss nur die Unterschiede kennen und vor allem dann akzeptieren - und etwas dagegen tun.

Es gibt so manches, was in unserer Zeit und Gesellschaft Angst macht. Davon soll hier nicht die Rede sein, nur von einem: der erworbenen Geistesschwäche, der Demenz, vor allem der "Alzheimer-Krankheit" im Alter.

Das ist allerdings nichts Neues. Das begleitet die Menschheit seit Jahrtausenden. Früher hat man sich allerdings damit besser abgefunden. Dabei ist es noch nicht lange her, da wurden die Menschen in unserer Region im Durchschnitt nur halb so alt wie heute. Die maximale Überlebenszeit ist zwar überall gleich, sie liegt zwischen 110 und 115 Jahren (in Einzelfällen auch eine kurze Gnadenfrist darüber). Doch die Lebenserwartung ist erfreulich gestiegen, und zwar auf 76 bzw. 81 Jahre, je nach Geschlecht (man weiß, wer hier heute die Führung hat, im Gegensatz zu früher: das weibliche Geschlecht).

Man hofft, dass sich das noch steigern lässt und jeder kennt inzwischen Beispiele, wo dies schon längst der Fall ist. Selbst die Hochbetagten, also die Über-Hundertjährigen sind den Medien kaum mehr einen kurzen Hinweis wert. Also: Wir könnten zufrieden sein, vielleicht sogar dankbar und demütig (drei Eigenschaften, die aber in dieser Reihenfolge immer seltener werden, übrigens zu unserem eigenen Schaden).

Doch wenn "Europa grau wird" (und nicht nur Deutschland, um uns herum sieht es nicht anders aus), dann muss man dies nicht nur statistisch zur Kenntnis nehmen, sondern auch rechtzeitig darauf reagieren: bevölkerungs-politisch, wirtschaftlich-finanziell, versicherungsrechtlich, vor allem aber medizinisch und psychologisch. Und in diesem Zusammenhang "menschlich" (was heißt das, dürfte so mancher im Stillen fragen).

Was versteht man unter gutartiger Altersvergesslichkeit oder leichter kognitiver Beeinträchtigung?

Stattdessen macht sich eine wachsende Unruhe breit. Sie hat zwar viele Gründe (siehe oben), aber eben auch den einen, den alle furchtsam registrieren. Oder auf eine einzige Frage eingegrenzt: Werden auch wir älter? Und wenn ja, wie alt? Und wenn alt, dann auch seelisch halbwegs gesund? Und wenn nicht, droht uns eine Alzheimer-Demenz?

Diese erworbene Geistesschwäche ist im ersten Lebensdrittel natürlich kein Thema. Da schmunzelt man höchstens, denn die meisten Jungen wissen noch nicht einmal mit diesem Begriff etwas anzufangen. In den mittleren Lebensjahrzehnten kann es dann schon einmal zur Sprache kommen, meist auf Grund verwandtschaftlicher Belastungen ("also unsere Oma, die ..."). Und wenn man an sich selber weitergehende geistige Defizite registriert, dann gerät man deshalb noch nicht in Panik. Vielleicht ist es ja der Stress im (Berufs-)Alltag, der einen auch mal völlig absorbieren kann, bis hin zu kleineren Erinnerungslücken und kurzen Merk- und Konzentrationsstörungen.

Im so genannten "dritten Lebensalter" kann es dann schon einmal zum Thema werden, meist aber unterschwellig, nicht offen diskutiert, höchstens neckisch-spielerisch, ggf. (selbst-)ironisch vorgebracht, bei ernsteren Bedenken auch mal übergangen, verdrängt, verschwiegen. Dabei registriert es der eine oder andere schon immer mal wieder aufmerksam bis sorgenvoll. Denn sie häufen sich, was die Wissenschaftler eine leichte kognitive Beeinträchtigung im Alter nennen und die Optimisten unter ihnen eine "gutartige Altersvergesslichkeit", die keine weiteren Konsequenzen hat (bzw. haben muss ...). Um was handelt es sich also?

Darüber berichtet ein spezielles Kapitel in der Sparte "Psychiatrie heute" in dieser Internet-Serie ausführlich. Leider auch komplex bis kompliziert, weil selbst die Experten, d. h. die Psychiater, Neurologen, Psychologen, Gerontologen u. a. noch uneins sind bzw. nicht exakt voraussagen können, was sich hier wirklich und mit welchen Konsequenzen abspielt. Wer dieses umfangreiche Kapitel jedoch nicht studieren will, der möge bei Interesse hier weiterlesen. Hier versuchen wir die leichten geistigen Beeinträchtigungen im Alter möglichst komprimiert und allgemein verständlich darzulegen.

Alter spielt sich im Kopf ab, nicht auf der Geburtsurkunde (Martina Navratilova).

Als Erstes muss man eine alte, leicht ironisch gefärbte Wissenschaftler-Kenntnis voranstellen. Und die besagt: Je mehr Begriffe, desto weniger Klarheit. Andererseits ist die Vielzahl der Fachbegriffe auch ein kennzeichnendes Merkmal dafür, wie sich die äußeren und inneren Bedingungen ständig ändern und die Wissenschaft darauf reagieren muss. Für den generell Interessierten hat es keine Bedeutung, soll aber im folgenden Kasten trotzdem gestreift werden, denn manches hat er schon einmal gehört und einiges wiederholt sich immer wieder.

Bedeutungsgleiche und bedeutungsähnliche Begriffe für die leichte kognitive Beeinträchtigung im Alter

Gutartige Altersvergesslichkeit - leichte kognitive Störung - pseudo-neurasthenisches Syndrom - psycho-organisches Syndrom - organisches Psychosyndrom - Durchgangs-Syndrom - alters-assoziierte Gedächtnisstörungen - geringe kognitive Leistungseinbußen - Vorstadium einer beginnenden Demenz - fragliche Demenz - sehr leichte senile Demenz - alters-assoziierter kognitiver Abbau - leichte neurokognitive Störung - kognitive Beeinträchtigungen ohne Demenz - u.a.m.

Was auch immer dies im Einzelnen zu bedeuten hat, eines bleibt gleich: Es handelt sich um kognitive Störungen. Und das kommt vom lateinischen: cognoscere = erkennen, kennen lernen. Alle anderen (älteren) Fachbegriffe deuten zusätzlich noch an, dass es sich um leichtere, gutartige, scheinbare intellektuelle (geistige) Defizite handelt, dass es mit dem Alter zu tun hat, wahrscheinlich hirn-organisch verursacht ist (altersbedingter Abbau der Gehirnstrukturen) und - das ist nun allerdings noch ein Wermutstropfen - dass es auch ein Vorstadium sein kann für die gefürchtete Demenz, den erworbenen Schwachsinn im Alter. Weitere Einzelheiten dazu siehe später.

Nun ist nichts neu unter der Sonne, schon gar nicht in der Psychiatrie, der alten Seelenheilkunde und auch nicht bei den Alterserscheinungen. Wie lautet der ironische Sinnspruch: Das Altwerden ist die einzige Möglichkeit, ein langes Leben zu erreichen...

Vor allem findet das geistige Altern nicht plötzlich statt. Das gibt es zwar auch, eine Art schubweise Beeinträchtigung, ein gleichsam stufenweiser Abfall, teils aus nachvollziehbaren Gründen (schwere Krankheit, Unfall, Operation mit Narkose, Schicksalsschlag u. a.), teils ohne jegliche Erklärung. Im Allgemeinen aber beginnt derlei schleichend. Das wussten allerdings schon die alten Nervenärzte, d. h. Psychiater und Neurologen und vor ihnen alle, die sich im Laufe der Jahrhunderte mit der Gesundheit im Alter beschäftigten, bis zurück in die Antike. Dafür gibt es wegweisende Sprichwörter.

Die Wissenschaft vom Alter und vom Altern in unserem heutigen Sinne hat sich allerdings erst seit rund 100 Jahren damit beschäftigt. Sie stellte fest, was auch heute noch gilt: Auch das normale Altern führt regelmäßig zu einer Abnahme der Aufnahme- und Merkfähigkeit, zu einer Erstarrung der Gedankengänge und Einengung der Gefühlsbeziehungen sowie zum Erlahmen der Tatkraft unter Ausbildung störrischer Unlenksamkeit. Kurz: Gedächtnisstörungen sowie Wesens- bzw. Charakteränderungen.

Heute wird das Beschwerdebild der leichten kognitiven Beeinträchtigung wie folgt umschrieben:

- Es handelt sich um eine auch (und vor allem?) subjektiv erlebte schleichende(!) Veränderung bzw. Verschlechterung der Gedächtnisleistung. Dies zeigt sich beispielsweise im Verlegen von Gegenständen und Vergessen von meist unwichtigen Daten, Telefonnummern, Ereignissen usw. Auch Konzentrationsstörungen nehmen zu. Bisweilen wird auch über Wortfindungsstörungen berichtet.

- Nicht zu verkennen ist eine mehr oder weniger deutliche Verlangsamung generell, allerdings mit Schwerpunkt im geistigen Bereich, z. B. Abnahme der Geschwindigkeit, mit der Informationen verarbeitet werden. Dies vor allem dann, wenn mehrere Aufgaben gleichzeitig zu erfüllen sind ("Stress"). Deshalb pflegen die Betroffenen mehr und mehr vielschichtigen und/oder anspruchsvolleren Tätigkeiten aus dem Wege zu gehen. Und wer sich dem heutigen "hektischen" Aufgaben-Druck stellt, der muss dann doch oftmals frustriert, ratlos und resigniert zurückstecken.

- Von Angehörigen und Freunden wird auch häufig bemängelt, dass der Betroffene weniger Aufmerksamkeit zeige, nicht mehr richtig zuhören könne usw. Das wird auch von den Betreffenden selber vermerkt und bestätigt, meist aber erst dann, wenn man sie darauf direkt anspricht (bzw. wenn man es nicht mehr wegleugnen kann).

- Zwischenmenschlich erleben sich viele Patienten (und ihr Umfeld - siehe unten) auch als ungeduldiger, aufbrausender, unkontrollierter, reizbarer sowie stimmungslabiler, wenn nicht gar deprimierter als in früherer Zeit. Das betrifft sie selber und - wie erwähnt - ihre Einschätzung von Angehörigen, Nachbarn, Freunden, Bekannten, Mitarbeitern u.a. "Alles ist ungeduldiger geworden". Das stimmt zum einen, war aber auch schon eine Klage, als die jeweilige Zeit und Gesellschaft noch nicht so hektisch getrieben war.

- Und schließlich äußern sich alle diese Einbußen vor allem bei anspruchsvoller Tätigkeit und/oder im gesellschaftlichen Rahmen bzw. bei entsprechender Verdichtung von Aufgaben, Kontakten, Problemen. Dort fällt es dann auch besonders auf.

Das alles ist zwar lästig, aber noch kein Drama. Daher auch der Begriff der "gutartigen Altersvergesslichkeit" (kommt aus dem englischen und heißt dort benigne senescent forgetfulness). Sie wurde definiert als "labile, d. h. nicht fortschreitende kognitive (geistige) Beeinträchtigung, die sich nicht weiter zur Demenz entwickelt. Was man finde, sei zwar eine Art "Schusseligkeit" und Vergesslichkeit, die sich aber nicht verschlechtere. Die Betroffenen hätten zwar Schwierigkeiten, unwichtige Daten und Erfahrungen abzurufen oder zu speichern. Sie seien sich aber ihrer Beeinträchtigung bewusst, versuchten die Gedächtnislücken zu umschreiben und hätten keine Probleme, sich diese auch einzugestehen.

Wie unterscheidet sich eine normale Altersvergesslichkeit von einer beginnenden Alzheimer-Krankheit?

Allerdings, darüber waren sich die Experten schon damals einig, könne diese benigne (gutartige) Form der Altersvergesslichkeit auch schon mal das Vorfeld einer späteren Demenz sein.

Deshalb drängt sich hier die nächste Frage auf: Wie unterscheidet man eine gutartige Altersvergesslichkeit vom Beginn einer Alzheimer-Krankheit?

- Für eine normale Altersvergesslichkeit spricht also beispielsweise ein lediglich vorübergehendes Auftreten oder wenn es sich um eine nur geringfügige Verschlechterung um Monate hinweg handelt. Oder ein gelegentliches Vergessen bzw. das Verlegen von Kleinigkeiten wie Brille, Schlüssel, Handtasche usw., besonders, wenn sie rasch wieder gefunden werden.

- "Normal" (aber was ist das schon, ähnlich wie "gesund", da denkt der Mediziner gerne an den tiefsinnigen Spruch: "gesund ist schlecht untersucht ..."), normal also ist auch das Vergessen von bestimmten Erlebnis- und Gedächtnisinhalten, was nicht auffallen würde, wenn man nicht gezielt daraufhin angesprochen worden wäre. Normal ist es auch, wenn man durch Konzentration oder intensives Nachdenken schließlich Erfolg hat: Man kommt wieder drauf. Normal und üblich ist es auch, wenn man sich durch bestimmte Merkhilfen wie Notizzettel usw. zu helfen weiß bzw. mündlichen oder schriftlichen Anweisungen zu folgen vermag.

- An eine Alzheimer-Krankheit ist hingegen zu denken, wenn die Vergesslichkeit andauert und im Verlauf von Monaten sogar deutlich stärker wird. Oder wenn sich das Vergessen oder Verlegen häuft, insbesondere bei wichtigen Gegenständen, auf die man in der Regel besonders achtet, z. B. Geldbeutel, Scheckheft, Ausweis usw. Und wenn der Betroffene große Mühe hat, das Verlegte wieder zu finden, nicht zuletzt deshalb, weil es sich plötzlich an unüblichen Plätzen befindet.

- Krankheitsverdächtig ist schließlich das Vergessen ganzer Erlebnisbereiche oder Gedächtnisinhalte, vor allem, wenn man sich trotz intensiven Nachdenkens auch später nicht mehr daran erinnern kann. Bedenklich ist auch der Zustand, wenn selbst Notizzettel und Merkhilfen nichts mehr nützen. Das gleiche gilt für mündliche oder schriftliche Anweisungen. Und aufhorchen lassen sollten zusätzliche Störungen von Denk- und Urteilsvermögen, von Orientierung, Benennen oder Erkennen, Geschicklichkeit, Lesen, Schreiben, Rechnen sowie deutliche Defizite in Bezug auf Antrieb, Aufmerksamkeit usw.

Treten schließlich ernstere Gedächtnis-, Wortfindungs- und Orientierungsstörungen auf und wird es schwierig, Gegenstände des Alltags zu benennen, muss an eine Demenz gedacht (und entsprechend gehandelt) werden. Die Betroffenen formulieren das meist zwar vage, aber konstant verunsichert: "Irgendetwas stimmt mit mir nicht mehr ..."

Wie häufig sind leichte kognitive Störungen?

Da drängt sich die Frage auf: Wie häufig sind leichte kognitive Störungen? Das ist von berechtigtem Interesse - und gleichzeitig nur schwer zu beantworten. Warum?

Zum einen haben wir inzwischen gehört, dass die leichten kognitiven Störungen schwer definierbar und klassifizierbar sind (weshalb sich selbst die international tonangebenden Institutionen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der Amerikanischen Psychiatrischen Vereinigung (APA) nicht einmal einig sind). Wenn man unter diesen Bedingungen also Zahlen nennt, dann können sie nur Schätzdaten sein. Außerdem müssen sie unter den jeweiligen Gesichtspunkten interpretiert werden.

Im Allgemeinen geht man aber davon aus, dass etwa jeder Zehnte bis Fünfte im so genannten dritten Lebensalter (also etwa ab 60 Jahren) über leichte kognitive Störungen klagt. Es gibt aber auch deutlich höhere Angaben. Das hängt vor allem davon ab, mit wem man die Gedächtnisleistung vergleicht. Beispiel: So gibt es sicher Unterschiede, wenn man die Gedächtnisleistung eines älteren Menschen an den Durchschnittswerten junger Erwachsener misst, dann kann man auf Zahlen von 17 bis 50% kommen. Nimmt man aber den Normwert der eigenen Altersgruppe, verringert sich das auf etwa 10 bis 17%. Und das scheint realistisch und ist eine zudem tröstliche Zahl, sollte der eine oder andere hier kummervoll registrieren, dass bei ihm "auch nicht mehr alles so läuft, wie früher ..."

Außerdem muss man einen Faktor berücksichtigen, der oft vergessen wird: die intellektuelle Ausgangs-Position. Es ist nämlich ein Unterschied, ob man von einem hohen Intelligenzniveau alters- oder krankheitsbedingt absinkt oder von einem mittleren, wenn nicht gar von einem niederen. Je höher die Ausgangslage, desto länger dauern auch halbwegs befriedigende (Durchschnitts-) Ergebnisse. Das leuchtet ein und kann - wie erwähnt - durch fleißige Vor- und spätere Erhaltungs-Arbeit genutzt werden. Oder in einem Satz von Solon den Weisen aus dem antiken Griechenland vor über 2000 Jahren:

"Ich altere wohl, doch täglich lerne ich etwas dazu."

Wie wird eine leichte kognitive Störung diagnostiziert?

Wie diagnostiziert man nun eine leichte kognitive Störung? Der Entscheidungsweg ist im Wesentlichen immer gleich und führt über zwei Stufen:

Der 1. Schritt dient dem Erkennen des Beschwerdebildes (was deutlich mehr Probleme bereitet als man sich vorstellen mag). Dabei sind altersbedingte Beeinträchtigungen sowie Krankheitsbilder zu berücksichtigen, die das gleiche Leiden auslösen und unterhalten können - auch unter Umständen versteckt.

Der 2. Schritt muss dann - sofern die leichte kognitive Störung fest steht - die zu Grunde liegenden Ursachen finden helfen.

Spätestens mit 60 Jahren muss sich der Mensch entscheiden, ob er seine Jugend oder sein Leben verlängern will (A.C. Kinsey).

Die frühe, d. h. rechtzeitige und damit oft entscheidende Diagnose steht und fällt aber mit Bezugspersonen. Oder konkret: (Ehe-)Partner, Kinder und Enkel, sonstige Angehörige, Freunde, Nachbarn, vielleicht sogar Fremde (die es zwar nichts angeht, deren vielleicht "unqualifizierte" Bemerkungen aber dann doch noch mehr Eindruck machen und Konsequenzen anstoßen als die vorsichtigen Andeutungen des näheren Umfeldes).

Die Nutzung des Umfeldes ist allerdings schon ein erster Haken: Selbst wenn die Erkenntnis nicht mehr zu umgehen und schon gar nicht zu beschönigen ist, pflegen doch Verwandte und Freunde eher "schonend zurückhaltend" zu sein und - bewusst oder unbewusst - gar nicht zu merken, was sich hier "heimlich, still und leise abspielt". Außerdem ist man "zu nah drauf", "hat sich daran gewöhnt", "hält das Ganze für nicht so bedrohlich" usw. Irgendwann aber schlägt die Stunde der Wahrheit. Man wird darüber reden müssen. Doch bei einer wachsenden Zahl von Betroffenen gibt es gar keine nahen Bezugspersonen mehr, die sich solchen schmerzlichen Erkenntnissen und Hinweisen verpflichtet fühlen. Dann kann das Schicksal allerdings unbeeinflussbarer seinen Lauf nehmen.

Wenn es aber Bezugspersonen gibt, dann müssen diese auch handeln. Schonung ist der falsche Weg. Und wenn es keine Verwandten, Bekannten und Freunde gibt, dann sollte wenigstens der Hausarzt eine klärende Empfehlung abgeben. Und sollte er sich fachärztlicher Unterstützung versichern wollen, dann gibt es immer mehr gerontopsychiatrische Ambulanzen mit spezialisierten Ärzten und Psychologen, die entsprechende Kurz-Tests einsetzen und sehr rasch zu einem klärenden Ergebnis kommen, vor allem mit nachfolgenden Therapie-Empfehlungen (siehe später).

Und wenn dann bei positiver Diagnose die Frage quält: Bleibt es bei leichten kognitiven Störungen oder wird daraus eine beginnende Demenz? gilt es diese Untersuchungs-Möglichkeiten auch weiterhin zu nutzen. Denn zum einen vermutet man auf Grund bisher vorliegender Studien, dass die leichte kognitive Beeinträchtigung im Alter in etwa 10 bis 21% der Fälle zu einer Demenz fortschreiten kann, am ehesten zu einer Alzheimer-Krankheit. Zum anderen aber sagen die Kritiker dieser Untersuchungen, dass es sich hierbei um eine Negativ-Auswahl handele, denn es wurde nicht die Gesamt-Bevölkerung untersucht bzw. ein repräsentativer Querschnitt davon, sondern diejenigen, bei denen entsprechender Verdacht und Behandlungsbedarf bestand, sonst wären sie gar nicht zum Arzt gegangen und damit von der Statistik erfasst worden.

Deshalb - nochmals - bei begründeten Verdachtsmomenten selber oder durch das Umfeld angedeutet das Phänomen nicht verdrängen, sondern erkennen, akzeptieren und handeln. Dies vor allem dort, wo es sich nicht nur um Gedächtnisstörungen handelt, sondern auch Einbußen bei der Orientierung, im Kurz- und Langzeitgedächtnis, vielleicht sogar mit Sprachstörungen und der Unfähigkeit, die Alltagsaufgaben zweckgerichtet zu bewältigen.

Pharmakotherapie - Psychotherapie - körperliche Aktivität - was muss man tun?

Was nun aber konkret tun, wenn eine leichte kognitive Störung diagnostiziert wurde und nach einer Behandlung verlangt? Hier gibt es im Wesentlichen drei Therapiesäulen: Pharmakotherapie, Psychotherapie, körperliche Aktivierung. Im Einzelnen:

- Die Pharmakotherapie kognitiver Störungen, also die Behandlung mit bestimmten Arzneimitteln zur Verbesserung der geistigen Leistungsfähigkeit, hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Das bezieht sich allerdings auf die Demenz, während für die leichten kognitiven Störungen bisher weniger Erfahrungen vorliegen. Sinnvoll ist unter fachärztlicher Kontrolle aber eine so genannte anti-dementive Pharmakotherapie allemal. Allerdings nicht in eigenmächtiger oder gar selbstherrlicher Art und dazu noch vielleicht verführt von werbemäßig herausgeputzten, aber letztlich unzureichenden Mitteln. Es ist der Arzt, der hier weiter hilft, und nur dieser.

- Bei den psychotherapeutischen Maßnahmen steht vor allem die Eigeninitiative im Vordergrund. Nun gibt es zwar auch so genannte kognitive Trainingsprogramme, die gerade bei leichten Störungen durchaus erfolgreich sind. Doch dabei hat sich folgendes gezeigt, was auch in anderen Behandlungssparten entscheidend ist und bleibt: Es mangelt an Nachhaltigkeit, wie der alte und inzwischen wiederentdeckte Begriff lautet, oder kurz: Konsequenz, Ausdauer, Beständigkeit und Beharrlichkeit. Denn gerade solche Trainingsmaßnahmen führen zwar zu erfreulichen Leistungssteigerungen, fallen aber nach Beendigung des Übungsprogrammes wieder in sich zusammen, wenn nicht in eigener Initiative weitergemacht wird. Das leuchtet zwar jedem ein, ist aber im Alltag ein trauriges Kapitel.

Welcher Hundertjährige erlebt schon 36.000 frohe Tage? (chinesisches Sprichwort)

- Dies betrifft auch die körperliche Aktivität. Auch die liegt im Argen, vor allem im höheren Lebensalter. Offenbar läuft der Durchschnittsbürger pro Woche nur wenige Kilometer, d. h. pro Tag einige 100m und dies nicht einmal in Licht, Luft und Sonne. Und dann wundert man sich, wenn "die Lunge nicht genügend Sauerstoff aufnimmt, das Herz nicht richtig pumpt und das Gehirn nur mangelhaft versorgt wird". Das hört sich zwar banal an, ist es aber nicht - jedenfalls nicht für den Organismus.

Natürlich sind die Gegen-Argumente durchaus plausibel: müde, matt, wetterabhängig, Beschwerden im Bereich von Wirbelsäule und Gelenken bis hin zu chronischen Schmerzen, Herz-Kreislauf-Schwäche, äußere Bedingungen unzureichend u. a.

Andererseits: von nichts kommt nichts. Und gerade bei den leichteren kognitiven Beeinträchtigungen wäre der tägliche Gesundmarsch bei Tageslicht eine optimale Lösung, eine halbe Stunde reicht. Nur praktiziert wird sie nicht, oder nur selten, und vor allem nicht von denen, die es am dringendsten nötig hätten. Dafür schleicht sich dann ein Teufelskreis ein - und die beharrliche Klage, vom Schicksal mit allen möglichen Beeinträchtigungen geschlagen zu sein, einschließlich geistiger Einbußen.

So gesehen lassen sich die leichten geistigen Beeinträchtigungen an der Schwelle zum Alter letztlich am besten durch körperliche Aktivität mildern. Oder mit einem Philosophen-Wort gesprochen: "Es geht, wenn ich gehe ..."

Weitere Informationen siehe auch die Internet-Sparten Psychiatrie heute mit dem Beitrag "Leichte kognitive Beeinträchtigung im Alter" und Psychohygiene mit dem Beitrag "Wo enden normale Alterserscheinungen - wo beginnt eine Alzheimer Krankheit?

http://www.volker-faust.de/psychiatrie

Bei allen Ausführungen handelt es sich um allgemeine Hinweise.
Bei persönlichen Anliegen fragen Sie bitte Ihren Arzt.
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