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DEPRESSIONEN - BLEIBT WIRKLICH NICHTS ZURÜCK?

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Wahrscheinlich sind dezente Rest-Störungen von Aufmerksamkeit und Gedächtnis nicht auszuschließen, besonders im höheren Lebensalter

Depressionen gehören zu den gefürchtetsten, weil quälendsten und auch selbsttötung-gefährlichsten seelischen Störungen. Doch ein Trost blieb immer: Depressionen vergehen - und es bleibt nichts zurück. Dieser Trost scheint aber inzwischen wissenschaftlich nicht mehr unbestritten zu sein. Vor allem sogenannte kognitive Defizite wie Aufmerksamkeits- und Gedächtnisstörungen sind offenbar nicht auszuschließen, vor allem im höheren Lebensalter.

Depressive Störungen zählen weltweit zu den häufigsten Erkrankungen. Man spricht von rund 15 %. Geschlechtsspezifisch sollen 5 bis 12 % der Männer und 10 bis 25 % der Frauen irgendwann im Verlaufe ihres Lebens unter eine depressiven Episode zu leiden haben.

Nun gehört die Depression zwar zu den quälendsten und selbst in der Allgemeinbevölkerung ohne eigene Krankheitserfahrung zu den gefürchtetsten seelischen Störungen. Doch galt bisher die Erkenntnis: Depressionen vergehen wieder und es bleibt nichts zurück.

Das stimmt auch im großen Ganzen unverändert. Allerdings wurde schon früher eine fortdauernde Rest-Beeinträchtigung diskutiert. Und dies sowohl bei "klassischen Schwermut" als auch bei manisch-depressiven Erkrankungen mit abwechselnden Stimmungstiefs und -hochs.

Inzwischen hat man durch umfangreiche Untersuchungen, teils testpsychologisch, teils durch sogenannte bildgebende Verfahren des Gehirns den Verdacht: Kognitive Defizite, vor allem dezentere Aufmerksamkeits- und Gedächtnis-Störungen, sind nicht nur häufige Symptome im Akutstadium einer Depression, sondern ggf. auch im weiteren Verlauf, vielleicht sogar für den Rest des Lebens.

Allerdings hängt dies vom Schweregrad des depressiven Zustandsbildes ab. Und von der vorangegangenen seelisch-geistigen Leistungsfähigkeit in gesunden Tagen. Und es betrifft vor allem Depressionen im höheren Lebensalter. Hier scheinen solche geistigen Defizite am ehesten fortzubestehen. Deshalb wird in Fachkreisen auch die Frage diskutiert: Können Depressionen im höheren Lebensalter eine spätere Demenz bahnen?

Spielen auch Medikamente eine Rolle?

Manche Kritiker, vor allem aber auch Betroffene und Angehörige schieben die beharrlichen Aufmerksamkeits- und Gedächtnis-Störungen gerne auf die Medikamente, die die Patienten während ihrer depressiven Krankheit bekommen haben. Doch dies gilt als unwahrscheinlich.

Bestimmte Psychopharmaka, also Arzneimittel mit Wirkung auf das Zentrale Nervensystem und damit die seelischen Funktionen können zwar durchaus die kognitive Leistung beeinträchtigen. Dazu gehören vor allem Beruhigungs- und Schlafmittel. Auch bei (gewissen) Neuroleptika, also antipsychotischen Psychopharmaka gegen Psychosen (Geisteskrankheiten) ist das nicht auszuschließen.

Doch alle diese Arzneimittel spielen bei der Depressionsbehandlung eine untergeordnete Rolle. Die einzig zuständigen Psychopharmaka, nämlich die stimmungsaufhellenden Antidepressiva haben offenbar keinen nachhaltigen negativen Einfluss auf die geistige Leistungsfähigkeit. Im Gegenteil: Sie ermöglichen überhaupt erst durch biochemische Hilfe im Gehirn die möglichst rasche Genesung. Und wer immer wieder von Depressionen gequält wird, der kann durch die sogenannten Phasen-Prophylaktika Ruhe finden (Lithiumsalze, Carbamazepin, Valproinsäure). Auch sie gehen nicht ohne Nebenwirkungen ab. Aber eine ständig drohende Depression ist ungleich folgenreicher als die Langzeitbehandlung durch diese rückfall-verhütenden Arzneimittel.

So gesehen ist zwar der vielleicht auch ein wenig unkritisch überzogene Satz nicht mehr zu halten: Depressionen vergehen wieder und es bleibt nichts zurück. Was aber Bestand hat ist der unveränderte Trost: Depressionen vergehen wieder, wenigstens in der Mehrzahl der Fälle. Länger dauern können sie im höheren Lebensalter, chronisch werden in einzelnen Situationen, die meist etwas mit zwischenmenschlichen Krisen und Auseinandersetzungen zu tun haben.

Die inzwischen offensichtlich objektivierbaren dezenteren Aufmerksamkeits- und Gedächtnis-Störungen nach einer Depression betreffen vor allem das höhere Lebensalter. Doch dort möge man sich - wie bei allen Betroffenen - stets vor Augen halten: die heutigen Therapie- und Rückfallschutz-Möglichkeiten sind so gut wie noch nie (Prof. Dr. med. Volker Faust).

Bei allen Ausführungen handelt es sich um allgemeine Hinweise.
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