Start Psychiatrie heute Seelisch Kranke Impressum

Narkolepsie

Download als PDF-Datei

NARKOLEPSIE

Tagesschläfrigkeit - Kataplexie - Schlaflähmungen - hypnagoge Halluzinationen - "Schlafkrankheit" - "Schlummersucht"

Die Narkolepsie, volkstümlich auch "Schlafkrankheit" oder "Schlummersucht" genannt, ist in der Tat eine der sonderbarsten Leiden, wenngleich so alt wie die Menschheit. Sie ist charakterisiert durch eine lästige Schläfrigkeit während des Tages, ggf. sogar regelrechte Schlafanfälle, durch so genannte kataplektische Attacken, d. h. eine plötzliche Erschlaffung der Muskulatur, nicht selten durch gefühlsgesteuerte Einflüsse ausgelöst (deshalb auch "Lachschlag") genannt sowie durch Schlaflähmungen, d. h. man kann sich trotz klaren Bewusstseins nicht mehr rühren. Dazu ein meist gestörter, d. h. unruhiger, auf jeden Fall unerquicklicher Nachtschlaf mit oftmals angsterfüllten Träumen, meist in der Übergangsphase vom Wachen zum Schlafen (hypnagoge Halluzinationen). Als Folge der starken Tagesschläfrigkeit nicht selten automatisch wirkende Handlungen, die zum Teil ungewöhnlich bis peinlich ausfallen können.

Die Folgen eines solchen, natürlich für die meisten ungewöhnlichen, zumindest erklärungsbedürftigen Krankheitsbildes lassen sich ausrechnen: eingeschränkte Lebensqualität und Leistungsfähigkeit, Probleme in Ehe, Familie und am Arbeitsplatz, ggf. erhöhte Unfallgefahr, vor allem aber seelische und psychosoziale Beeinträchtigungen: ratlos, resigniert, beschämt, Schlaf-Furcht, Niedergeschlagenheit, Angstzustände, Rückzug und Isolationsgefahr.

Woher kommt dieses Leiden und vor allem: was kann man tun?


Erwähnte Fachbegriffe:

Narkolepsie - Schlafkrankheit - Schlummersucht - Hypersomnie - Tagesschläfrigkeit - Tagesschlafanfälle - narkoleptische Einschlafattacken - Einschlafdrang - Schlafanfall - schlaferzwingende Zustände - Kataplexie - kataplektische Attacken - affektiver Tonusverlust - Lachschlag - Gelolepsie - Geloplexie - Muskeltonus-Verlust - unwillkürliche Muskelerschlaffung - Schlaflähmung - Wachanfall - abnormer Nachtschlaf - hypnagoge Halluzinationen - optische Trugwahrnehmungen - Körperschema-Störungen - Makropsie - Mikropsie - verminderte Vigilanz - beeinträchtigte Wachheit - Schlaftrunkenheit - automatisch wirkende Handlungen - unsinnige Handlungen im Halbschlaf - verhängnisvolle Narkolepsie-Folgen - Verhaltensautomatismen - Tages-Nickerchen - Schlafparalyse - Polysomnographie - Schlaflatenz - REM-Schlaflatenz - mittlere Schlaflatenz (MSLT) - Einschlaflatenz - Schläfrigkeitsgrad - Schlafdruck - HLA-Typisierung - Narkolepsie und Geschlecht - Narkolepsie und Alter - Narkolepsie-Verlauf - Narkolepsie-Diagnose - Narkolepsie-Differentialdiagnose - Narkolepsie-Verwechslung - Narkolepsie-Ursachen - Narkolepsie-Auslöser - Narkolepsie-Erbfaktoren - Narkolepsie-Folgen: Lebensqualität, psychosoziale Konsequenzen, Ausdruckskraft, Aufmerksamkeit, Gemütsregungen, Arbeitsplatz, Straßenverkehr u.a. - Narkolepsie-Therapie: psychagogische Maßnahmen, medikamentöse Behandlung: Psychostimulanzien, trizyklische Antidepressiva, Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, Monoaminooxidasehemmer, Benzodiazepin- und andere Schlafmittel - ärztliche Begutachtung - Empfehlungen der Deutschen Narkolepsie-Gesellschaft - u.a.

Die Narkolepsie ist eine der sonderbarsten und wohl auch belastendsten Leiden die es gibt, selten zwar, aber mit erheblichen seelischen und psychosozialen Konsequenzen. Glücklicherweise ist man ihren Folgen heute nicht mehr so hilflos ausgeliefert. Eine Reihe von durchaus befriedigenden Behandlungsmaßnahmen, insbesondere medikamentöser Art, erleichtern den Betroffenen mit den Belastungen und Eigentümlichkeiten ihrer Erkrankung besser fertig zu werden. Um was handelt es sich und was kann man tun? Nachfolgend ein ausführlicherer Beitrag:

BEGRIFF

Der Begriff Narkolepsie kommt aus dem Griechischen: narke = Erstarrung, Krampf, Lähmung und lepsis = annehmen, empfangen. Oder zusammengefasst: "von Schläfrigkeit ergriffen".

Im Volksmund wird die Narkolepsie auch als "Schlafkrankheit" oder "Schlummersucht" bezeichnet.

GESCHICHTE

Die Narkolepsie ist so alt wie die Menschheit. Früher wurde sie meist als Epilepsie, Hysterie, "Herzanfälle", Ohnmacht oder "Schlafkrankheit" verkannt, vor rund 130 Jahren erstmals genauer beschrieben und wenig später auch als Krankheitseinheit akzeptiert, was Mitte des 20. Jahrhunderts schließlich durch Elektroenzephalogramm (EEG) und biochemische Verfahren konkreter abgegrenzt, definiert und klassifiziert werden konnte.

Heute gilt die Narkolepsie als ein chronisches organisches Krankheitsbild, das teils von der Neurologie, teils von der modernen Disziplin der Schlafmedizin diagnostiziert und betreut wird und durch folgende Funktionsstörungen der Schlaf-Wach-Regulation gekennzeichnet ist:

1. Tagesschläfrigkeit
2. kataplektische Attacken (Kataplexien)
3. Schlaflähmungen
4. hypnagoge Halluzinationen (Sinnestäuschungen)

Schlafmedizinisch gesehen gehört die Narkolepsie zu den so genannten Hypersomnien. Einzelheiten über die wichtigsten Schlafstörungs-Formen siehe Kasten.

Die wichtigsten Schlafstörungs-Formen

  • Insomnien: Einschlafstörungen, Durchschlafstörungen ("zerhackter Schlaf") und Früherwachen.
  • "umgekehrte" Schlafstörungen: Es gibt nicht nur ein Zuwenig, es gibt auch ein Zuviel an Schlaf. So etwa nennt man eine Hypersomnie. Eine solche krankhafte Schläfrigkeit am Tage mit ggf. unwillkürlichen Einschlafattacken ist in der Mehrzahl organisch begründet. Nicht selten auch im Rahmen einer seelischen Störung, z. B. bei Depressionen. Was gehört dazu?

- Ein großes Problem ist das so genannte Schlaf-Apnoe-Syndrom, die schlafbezogene Atmungsstörung. Sie ist die häufigste Ursache der Tagesschläfrigkeit geworden, charakterisiert durch folgende Symptome: nachts unruhiger Schlaf mit lautem und unregelmäßigem Schnarchen und immer wieder auftretenden Atempausen (die nur der Bettpartner registriert). Tags dafür erhöhte Schläfrigkeit mit (vor allem morgendlicher) Abgeschlagenheit, dumpf-diffusen Kopfschmerzen, Mundtrockenheit, Leistungsknick, Libido- und Potenzstörungen sowie einer Wesensänderung mit ggf. intellektuellem Leistungsverfall. Zusätzliche Symptome sind oft Adipositas (Fettsucht), Hochdruck und Herzrhythmusstörungen.

- Relativ selten, aber sehr beeinträchtigend ist die so genannte Narkolepsie. Einzelheiten siehe das Gesamt-Kapitel.

- Nicht ganz so dramatisch, auf Dauer aber überaus quälend, den Schlaf und schließlich auch den Tag ruinierend, sind nächtliche Muskelzuckungen und fortlaufende Beinbewegungen im Bett. Beim Syndrom der ruhelosen Beine (Fachausdruck: Restless-legs-Syndrom) handelt es sich um quälende Missempfindungen, die in Ruhe und vor allem vor dem Einschlafen auftreten und mit einem intensiven, unkorrigierbaren Bewegungsdrang einhergehen. Wer aufsteht und sich bewegt, kann diese Beschwerden etwas lindern - aber kommt damit auch nicht zum Schlafen.

- Das Gleiche gilt für die periodischen Bewegungen im Schlaf (Fachausdruck: nächtliche Myoklonien), die oftmals damit verbunden sind, d. h. rhythmische Streckbewegungen der Großzehen, teilweise auch Beugebewegungen im Fuß-, Knie- und Hüftgelenk. Auch dadurch ist nicht mehr an Schlaf zu denken.

  • Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus: Schlafprobleme entstehen auch dadurch, dass das individuelle Schlaf-Wach-Muster nicht mit dem erwünschten Schlaf-Wach-Rhythmus übereinstimmt. Dazu gehört vor allem

- die Schichtarbeit: verminderte Leistungsfähigkeit, erhöhte Verletzungsrate und eine Neigung zu Herzerkrankungen oder Geschwüren der Magenschleimhaut.

- Weitere Störbereiche sind der abendliche Fernseh-Konsum, der sich immer mehr in Richtung Mitternacht ausdehnt (bei aber unverändert frühem Zwang zum Aufstehen) und die Disco-Besuche und andere Vergnügungen der Jugend, die immer später beginnen und dadurch die Nacht zum Tag und den Tag zum Leistungs-Schwachpunkt machen, von späteren seelischen, psychosozialen und körperlichen Konsequenzen ganz zu schweigen.

- Auch der Zeitzonenwechsel bei Flugreisen von Ost nach West und noch stärker von West nach Ost fordert seinen Tribut (jet-lag), ist dafür aber selten, wenn man nicht zu den (beruflichen) Viel-Fliegern gehört.

  • Am meisten Aufsehen erregen die so genannten Parasomnien: Das sind abnorme Ereignisse, die entweder während des Schlafs oder an der Schwelle zwischen Wachsein und Schlafen auftreten. Nachfolgend eine Übersicht in Stichworten:

- Schlafwandeln (Somnambulismus): komplexe Verhaltensweisen im Schlaf, vom einfachen Aufsetzen bis zu konkreter Tätigkeit im Haushalt. Am Schluss Erinnerungslosigkeit.

- Albträume: relativ langes, vor allem angstbesetztes Traumerleben mit plötzlichem Erwachen und furchtsamer Erinnerung an den schrecklichen Traum.

- Pavor nocturnus: abruptes nächtliches Aufschrecken aus dem Tiefschlaf mit massiven Ängsten, z.T. Schreien, Umsichschlagen, auf jeden Fall Schweißausbrüchen und Herzrasen; und nach dem Erwecken verwirrt, desorientiert und ohne Erinnerung.

- Bruxismus (Zähneknirschen): rhythmisches Aufeinanderpressen und Verschieben der oberen und unteren Zahnreihen mit ggf. Mahlgeräuschen und entsprechenden Zahnveränderungen.

- Enuresis nocturna: wiederholtes unwillkürliches Einnässen im Schlaf bzw. am Übergang vom Schlaf zum Wachsein.

- Schlaftrunkenheit: nicht jeder ist nach dem Erwachen aus dem Tiefschlaf sofort "da". Doch hier handelt es sich um eine über Minuten bis Stunden dauernde Verwirrtheit, ja zeitliche und örtliche Desorientierung sowie geistige und körperliche Verlangsamung. Und keine Erinnerung danach.

- Jactatio capitis nocturna: rhythmische stereotype Bewegungen, vor allem des Kopfes und Nackens, im Übergang vom Einschlafen zum leichten Schlaf.

- Schlafparalyse: unfähig zur willkürlichen Körperbewegung während des Einschlafens oder nach dem Erwachen (also im Gegensatz zur Narkolepsie an bestimmte Zeitpunkte gebunden).

- Schlafbezogene schmerzhafte Peniserektionen: meist beim Erwachen aus dem Schlaf, in der Regel mit bestimmten Traumerinnerungen verbunden. Kein Lustempfinden, sondern Schmerzen.

DAS BESCHWERDEBILD DER NARKOLEPSIE

Die erwähnten Haupt-Symptome der Narkolepsie (Fachbegriff: narkoleptische Tetrade) können einzeln oder in beliebiger Kombination auftreten. Alle gemeinsam kommen nur selten vor. Im Einzelnen:

  • Tagesschläfrigkeit - Tagesschlafanfälle - narkoleptische Einschlafattacken

Fast jeder Patient mit einem narkoleptischen Beschwerdebild zeigt Zustände ausgeprägter Schläfrigkeit während des Tages sowie regelrechte Attacken von unüberwindlichem Einschlafdrang (Fachausdruck: imperative Einschlafattacken).

Besonders zu Beginn einer Narkolepsie ist die Tagesschläfrigkeit das häufigste Symptom. Meist entwickelt sie sich zu einem chronischen Zustand, an den sich die Patienten allerdings gewöhnen können, so dass ihnen diese "dösige Mattigkeit" bisweilen nicht einmal so recht bewusst ist. Oft wird sie regelrecht in den Tagesablauf eingebaut (Fachbegriff: zirkadiane Rhythmik), ist abhängig von bestimmten Situationen (vor allem mit monotoner Belastung oder Langeweile) und kann schließlich nahtlos in ausgedehntere Tagesschlaf-Episoden übergehen.

Die überwältigenden Schlafbedürfnisse oder Schlafanfälle hingegen sind das charakteristische Merkmal der Narkolepsie, weshalb sie dem gesamten Krankheitsbild auch den Namen gegeben haben.

Die Häufigkeit solcher Schlafanfälle schwankt zwischen mehrmals täglich und einmal innerhalb von mehreren Jahren. Die Betroffenen sind zwischen wenigen Sekunden und mehreren Stunden (durchschnittlich 5 bis 30 Minuten) von einem fast zwanghaften Schlafbedürfnis befallen, so dass sie sich hinsetzen oder gar hinlegen müssen.

Solche Anfälle treten nicht selten nach reichlichen Mahlzeiten oder Alkoholkonsum, in warmen Räumen, beim Lesen oder Reisen (Pkw, Bus, Eisenbahn) auf. Das sind ohnehin Zustände, die müde machen oder einschläfernd wirken können.

Deshalb fallen solche Einschlafattacken auch lange nicht auf, bis sie schließlich ein gewisses Maß überschreiten oder der Patient gar in ungewöhnlichen Situationen einschläft. So haben manche Narkoleptiker plötzlich Schlafanfälle beim Spazierengehen, Fahrradfahren, Skifahren, beim Steuern eines Autos oder gar Flugzeuges, bei Arbeitsessen und selbst bei Geschlechtsverkehr oder schmerzhaften Eingriffen. Sie müssen sich dann rasch hinsetzen oder hinlegen und schlafen sofort ein, ohne diesem mitunter peinlichen Drang widerstehen zu können.

Typische Vorposten-Symptome (Fachausdruck: Prodromi), auf die etwa die Hälfte der Betroffenen reagiert, sind z. B. körperliche Missempfindungen (Fachausdruck: Parästhesien), Verschwommensehen, Diplopie (Doppelsehen) und Augenbrennen (Drang, sich die Augen zu reiben) sowie Gähnen.

Etwa ein Fünftel schläft aber so plötzlich ein, dass sie den drohenden Einschlafdrang gar nicht bemerken, geschweige denn durch solche Hinweise gewarnt werden können.

Viele Betroffene finden aber mit der Zeit heraus, in welchen Situationen ihre Einschlafneigung unwiderstehlich wird und vermeiden deshalb Konzerte, Kinovorstellungen, Fernsehen, Abendveranstaltungen usw. Sie wissen dann auch, was sie nicht mehr tun dürfen (z. B. sich hinsetzen), weil sonst das Einschlafen nicht mehr aufzuhalten wäre.

Zu den zahlreichen Kunstgriffen, die genutzt werden, um Einschlafattacken aufzuschieben oder gar zu verhindern, zählen beispielsweise:

Zusammenkrallen der Zehen, schmerzhaftes Stechen, lautes Singen (z. B. beim Autofahren) und sehr häufig (leider) Zigarettenrauchen. Einige sind damit recht erfolgreich, andere nicht. Bei schwächer ausgeprägtem Krankheitsbild können manche Narkoleptiker wenigstens so lange wach bleiben, wie sie gefordert werden. Sobald sie jedoch zu Untätigkeit verdammt sind, schlafen sie unweigerlich ein. Was deshalb oftmals (allerdings nicht bei allen, man spricht von einem Drittel) erfolgreich sein kann, ist Arbeit unter Stress, körperliche Anstrengung und Anspannung generell.

Die meisten Patienten fühlen sich auch nach einer einzigen, dafür längeren Schlafepisode von 20 bis 30 Minuten (vor allem am späten Vormittag oder frühen Nachmittag) wacher als nach mehreren kurzen Schlafepisoden.

Nach dem Schlafanfall fühlt sich der Narkoleptiker ohnehin in der Regel ausgeruht, fast erfrischt und erholt, manchmal sogar ungewöhnlich wach, leistungsfähig und sogar schlagfertig.

Auch bewerten die Betroffenen ihre Zustände nicht etwa als "Ohnmacht" oder "Kollaps" oder sonstigen "Bewusstseinsverlust", sondern eindeutig als Schlaf.

Schließlich können sie - und das ist für die Unterscheidung zu anderen schlaferzwingenden Zuständen sehr wichtig - aus einem solchen Schlafanfall mit den üblichen Weckreizen geweckt werden, wie dies auch beim normalen Schlaf üblich ist (anrufen, schütteln, kneifen u.a.).

  • Kataplexie - affektiver Tonusverlust - Lachschlag

Noch sonderbarer, ja dramatisch oder gar furchteinflößend aber sind jene Zustände, die man als Kataplexie bezeichnet (vom griechischen: kata = von herab, gegen, gänzlich, und -plexie = Wortteil mit der Bedeutung: Schlag, Treffen, oder kurzgefasst: "mit Furcht umstoßen"). Bedeutungsgleiche Begriffe sind auch affektiver Tonusverlust sowie Gelolepsie oder Geloplexie (vom griechischen: gelan = lachen - s. u.).

Kataplektische Zustände haben die höchste Aussagekraft für die Diagnose einer Narkolepsie. Fachlich sind sie wie folgt definiert: Plötzlicher bilateraler Verlust des Haltemuskeltonus (bei cirka 20 % unilateral), ausgelöst durch intensive Gefühlsempfindungen, aber auch als rein subjektives Gefühl von Muskelschwäche. Dabei kommt es zu keiner Bewusstseinsstörung, nicht einmal zu einer Bewusstseinstrübung, es sei denn der kataplektische Zustand geht in eine Schlafattacke oder eine hypnagoge Halluzination über (siehe später).

Was heißt das konkret?

Es kommt plötzlich zu einer Erschlaffung der Muskulatur, meist beidseitig, gelegentlich auch örtlich begrenzt oder halbseitig. Sie reicht von einer kaum wahrnehmbaren vorübergehenden Erschlaffung einzelner Muskelgruppen im Gesicht (Augenlid, Mundwinkel, Unterkiefer) über die totale Erschlaffung der Gesichtszüge, der Nackenmuskulatur sowie Arme bis zum Hinstürzen durch plötzliche Muskelhypotonie (Spannungsverlust) der Beine.

Meist pflegt sich diese Muskelerschlaffung von der Gesichtsmuskulatur auf den ganzen Körper auszubreiten. Die mimische Muskulatur ist immer einbezogen. Nicht betroffen sind dafür Zungen- und Schlund-Muskeln, das muskuläre System der Lunge sowie die so genannte "glatte" Muskulatur im Magen-Darm-Bereich.

Manchmal ist zu Beginn und vor allem bei länger dauernden kataplektischen Zuständen auch ein kurzer Atemstillstand von bis zu 10 Sekunden möglich.

Die Häufigkeit variiert erheblich und ist abhängig von äußeren Einflüssen. Meist sind solche Zustände kurz (zwischen 5 und 30 Sekunden), können aber auch bis zu 30 Minuten und länger anhalten. Ein über Stunden bis Tage dauernder so genannter "Status cataplecticus" droht vor allem dann, wenn eine entsprechende antikataplektisch wirkende medikamentöse Behandlung" plötzlich abgebrochen wurde, aus welchem Grund auch immer.

Kataplektische Anfälle sind in jeder Situation möglich, vereinzelt auch mehrmals täglich.

Ein wichtiges Frühzeichen für den drohenden Muskeltonus-Verlust ist die unwillkürliche Erschlaffung der Gesichtszüge, z. B. bei unangenehmen Fragen oder wenn sich das Gespräch in eine belastende Richtung zu entwickeln droht.

Das Besondere an diesem Zustand ist - wie der Name "affektiver Tonusverlust" bereits andeutet - die affektive (gefühlsgesteuerte) Komponente, meist als auslösender Faktor. Dazu gehören zum einen witzige Situationen, z. B. Anhören von Witzen mit Lachen (deshalb auch der Begriff "Lachschlag"), zum anderen künstliches Lachen, freudige Ereignisse, Rührung, gekitzelt werden u.a., aber auch Angst, Wut, Schreck, plötzliche Beschämung, Aufregung, Ärger, Furcht, Zorn usw., kurz: eine hochgespannte Gefühls-Atmosphäre.

Möglich ist dies aber auch durch das Ausführen abrupter Bewegungen, durch Husten, Niesen, plötzliche Anstrengung, ja intensive Konzentration und sogar Geschlechtsverkehr bzw. Orgasmus.

Während des kataplektischen Anfalls ist das Bewusstsein voll erhalten (deshalb sei wiederholt: eine Bewusstseinstrübung schließt einen kataplektischen Zustand aus, dann handelt es sich um etwas anderes!). Manche muskel-erschlafft am Boden liegende Patienten können auf Fragen eventuell noch mit Zeichen reagieren. Durch Klatschen, Rütteln, Anrufen usw. lässt sich der Muskeltonus bestenfalls vorübergehend stabilisieren, mehr ist in der Regel nicht erreichbar.

Anschließend berichten die Betroffenen realitätsgerecht über alles, was während dieser Attacke vorgefallen ist. Gleichzeitig können sich aber auch intensive Traumerlebnisse (hypnagoge Halluzinationen - siehe später) abspielen, was hinterher die Unterscheidung zwischen Traum und Realität erschwert.

Zu Beginn der Erkrankung äußern sich erste kataplektische Erscheinungen meist in Zusammenhang mit Lachen. Viele, vor allem jugendliche Betroffene können nicht mehr aufhören zu lachen und empfinden dies sogar als "ich-fremd" ("es lacht immer weiter"). Dieses Lachen kann eines der erwähnten Vorposten?Symptome sein, ähnlich wie Augenflimmern und Doppeltsehen.

Viele Auslöser haben etwas zu tun mit Freude, Triumph, aber auch mehr oder minder bewusst empfundenen Aggressionen. Die Gemütsbewegung muss für Außenstehende nicht unbedingt deutlich werden. Es reicht, wenn sich der Patient intrapsychisch ("innerseelisch") dieser Empfindung hingibt, auch wenn er dies nach außen hin verbirgt.

Im Übrigen scheint es auch Affekte (heftigere Gemütsregungen) zu geben, die offenbar nie oder nur selten kataplektische Attacken auslösen. Dazu gehören beispielsweise Schmerz, Trauer, Kummer, Liebe, Begeisterung, Erwartung, Sehnsucht, Scham, Reue, Ekel, Demut, Sympathie und Verachtung (nach Meier-Ewert).

Der Beginn kataplektischer Zustände kann erst einmal "unterschwellig" ablaufen, d.h. so dezent sein, dass er von Außenstehenden kaum bemerkt und selbst von den Betroffenen lange Zeit nicht als "krankhaft" bewertet wird. Das Ende ist fast immer rasch bis schlagartig. Kataplektische Anfälle können vereinzelt, aber auch mehrmals täglich auftreten, manchmal sogar kurz hintereinander und letztlich in jeder Situation (einschließlich des erwähnten Geschlechtsverkehrs bzw. Orgasmus). Bisweilen reicht sogar ein einziger affektiver Auslöser (z. B. Witz) für mehrere kataplektische Anfälle hintereinander.

  • Schlaflähmungen

Ein weiteres, beunruhigendes bis beängstigendes Symptom sind so genannte Schlaflähmungen. Dabei kommt es zumeist beim Einschlafen oder Aufwachen trotz klaren Bewusstseins zur totalen Unfähigkeit, so genannte Willkürbewegungen auszuführen, oder kurz: Man kann sich nicht mehr rühren.

Während eines solchen Anfalls ist der Betroffene also nicht mehr fähig, sich nicht nur zu bewegen, sondern auch zu sprechen, ja auch nur einen einzigen Ton herauszubekommen oder die Augen zu öffnen. Der verzweifelte Versuch, die Umgebung auf diese "Lähmung" aufmerksam zu machen, bleibt deshalb in der Regel erfolglos. Und dies, obgleich sich der Patient seines Zustandes völlig bewusst ist und sich später auch an alles erinnern kann.

Manche Narkolepsie-Patienten erleiden solche Schlaflähmungen beim Mittagsschlaf, insbesondere in Rückenlage.

Eine Schlaflähmung kann Sekunden bis wenige Minuten andauern. Sie endet spontan oder durch einen starken Sinnesreiz oder wenn es dem Betroffenen gelingt, doch noch eine kleine Bewegung auszuführen.

Anwesende hingegen können ihn - sofern sie auf seinen Zustand aufmerksam werden - durch Berührung, Klopfen, Ansprechen oder andere äußere Reize meist rasch aus seiner misslichen Lage befreien.

Eine Schlaflähmung (gelegentlich auch in eigentlich ganz anderer Richtung als "Wachanfall" bezeichnet) tritt glücklicherweise selten auf (höchstens ein oder zwei Anfälle pro Woche) und findet sich in wenigen Prozent bis etwa einem Viertel aller Narkolepsie-Betroffenen. (Isolierte Schlaflähmungen ohne Narkolepsie sind offenbar auch in der gesunden Allgemeinheit nicht auszuschließen, meist familiär gehäuft, allerdings sehr selten.)

Auf jeden Fall führt ein solcher, stets vorübergehender und an sich harmloser Verlust der Muskelspannung aber naturgemäß zu erheblichen Ängsten, insbesondere bei den ersten Anfällen und im Zusammenhang mit hypnagogen Halluzinationen (siehe unten). Manche Patienten glauben gar, sich nie mehr bewegen zu können, verrückt zu werden, sterben zu müssen oder schließlich lebendig begraben zu werden.

  • Abnormer Nachtschlaf mit hypnagogen Halluzinationen

Narkoleptiker leiden nicht nur unter Schläfrigkeit oder gar zwanghaften Einschlafattacken am Tage, sondern auch unter einem gestörten, d. h. unruhigen, auf jeden Fall unerquicklichem Nachtschlaf. Am häufigsten sind verfrühtes Einschlafen, dafür häufiges Aufwachen und Kopfschmerzen am Morgen. Untersuchungen im Schlaflabor ergeben in mehr als zwei Drittel der Narkolepsie-Kranken einen leichten Schlaf mit vermehrtem Wechsel verschiedener Schlafstadien, häufigen Weckreaktionen und zum Teil langen Wachliegezeiten sowie zusätzlichen Besonderheiten wie vorzeitiger Traum-Schlaf u.a. Die Bewegung im Schlaf ist vermehrt, ggf. sogar durch schlafwandlerische Zustände unterbrochen. Eine solche narkoleptische Schlafstörung kann extreme Ausmaße annehmen und wird schließlich zur eigentlich zermürbenden Belastung dieser Erkrankung.

Typisch sind auch häufig angsterfüllte traumhafte Erlebnisse, so genannte hypnagoge Halluzinationen. Das sind in der Regel komplexe optische Trugwahrnehmungen in der Übergangsphase vom Wachen zum Schlafen: meist nur einfache, bunte Formen, aber auch Fabelwesen, (ausgestorbene) Tiere, ja Personen oder filmähnliche Szenen. Nicht selten auch Körperschema-Störungen wie das Verschwinden einer eigenen Extremität (Arm oder Bein), Gefühle des Schwebens, Makro- und Mikropsie (Vergrößerung, Verkleinerung) u. a.

Hypnagoge Halluzinationen finden sich aber nicht nur beim Einschlafen, sondern manchmal auch im Halbschlaf, beim Aufwachen oder sogar am Tage. Sie bedrängen, bedrohen und verängstigen natürlich die Betroffenen. Einschlafen in unbequemer Haltung scheint ihr Auftreten zu reduzieren, Ermüdung und Gemütswallungen führen zu einer Häufung und Verstärkung.

Nicht selten treten hypnagoge Halluzinationen während einer Schlaflähmung oder Kataplexie auf (siehe oben). Bisweilen löst ein durch die Halluzination verursachter Affekt die Kataplexie erst aus. Oftmals gehen aber Kataplexie oder Schlaflähmung der hypnagogen Sinnestäuschung auch voraus.

  • Weitere Beeinträchtigungen

So als ob die geschilderten und erheblich irritierenden Beeinträchtigungen nicht ausreichten, drohen dem Narkolepsie-Patienten noch andere Symptome:

- Eher harmlos sind anhaltend Zustände verminderter Vigilanz (Wachheit), bisweilen von Schläfrigkeit oder Schlaftrunkenheit mit unterschiedlich ausgeprägter Amnesie (Erinnerungslosigkeit) begleitet.

- Vor allem in solchen Zuständen sind dann auch automatisch wirkende Handlungen zu registrieren, an die sich die Betroffenen nicht oder nur noch dunkel erinnern können ("unsinnige Handlungen im Halbschlaf"). Das kann wenige Sekunden bis 30 Minuten und mehr dauern. Ein solch krankhaft-automatisches Verhalten ist die unspezifische Folge der starken Tagesschläfrigkeit, wie sie ja die meisten Narkolepsie-Patienten belastet, vor allem in monotonen Situationen

.

Insbesondere wenn die Betroffenen ermüden, ohne die Möglichkeit zu haben sich hinzulegen, laufen sie Gefahr, ihre begonnene Tätigkeit in einer Art Halbschlaf automatisch fortzuführen. Bei zunehmender Müdigkeit kann das motorische (Bewegungs-)System offenbar noch funktionieren, obgleich die mentale (geistig-seelisch steuernde) Unterscheidungsfähigkeit bereits erheblich eingeschränkt ist. Dabei werden zwar die begonnenen Aktivitäten weitergeführt, wegen der "geistigen Abwesenheit" aber nicht mehr korrekt: Einfache Fragen werden zwar noch beantwortet, doch bei anstrengenderen Fragestellungen bzw. Dialogen kommen die Antworten immer unzusammenhängender und sinnloser.

Die Wahrscheinlichkeit automatischen Handelns ist - wie erwähnt - bei monotonen Tätigkeiten am größten, vor allem dort, wo sie ohnehin schon "halb-automatisch" durchgeführt werden können wie Schreiben, Rechnen, Gespräche und Autofahren.

Hier können sich dann auch schwerwiegende Fehler einschleichen. In solchen Situationen ist selbst mit Autounfällen durch Missachtung von Verkehrsregeln, Verkehrszeichen oder durch Benutzung der falschen Straßenseite zu rechnen. Auch können Narkoleptiker ihr Auto über große Strecken steuern, um sich dann an einem unbekannten Ort wiederzufinden, ohne zu wissen, wie sie dorthin gelangt sind.

Weniger folgenschwer, in Einzelfällen aber erklärungsbedürftig bis peinlich oder gar mit juristischen Konsequenzen behaftet sind Unfälle in Haushalt oder am Arbeitsplatz, Verbrennungen beim Rauchen, ja ungewollte Ladendiebstähle u.a.

Verhaltensautomatismen im Rahmen einer Narkolepsie scheinen sich in mehr als der Hälfte aller Fälle registrieren zu lassen, wobei allerdings ernstere Folgen eher selten sind.

- Zuletzt lassen sich im Rahmen einer Narkolepsie auch weitere Auffälligkeiten wie Adipositas (Fettsucht) und/oder vegetative sowie endokrine Anomalien (Stoffwechselentgleisungen) feststellen, wobei aber die Zusammenhänge nicht immer geklärt sind.

  • Zur Diagnose der Narkolepsie wissenschaftlich gesehen

Abschließend eine Übersicht über die wichtigsten Maßnahmen zur Diagnose einer Narkolepsie in Stichworten, wie sie die Internationale Klassifikation der Schlafstörungen (ICSD-R) 1997 vorgibt.

Zur Diagnose der Narkolepsie

  • Anamnese (Vorgeschichte) unter Berücksichtigung der diagnostischen Kriterien

- Die Beschwerden bestehen in übermäßiger Schläfrigkeit oder plötzlicher Muskelschwäche.
- Wiederholt auftretende Tages-Nickerchen oder ein unwillkürliches Einnicken tritt nahezu täglich mindestens drei Monate lang auf.
- Kataplexie: Ein plötzlich auftretender bilateraler (beidseitiger) Verlust des die Körperhaltung stabilisierenden Muskeltonus (Muskelspannung) bei intensiven Gefühlsempfindungen.

  • Nebenmerkmale:

- Schlafparalyse
- hypnagoge Halluzinationen
- Verhaltensautomatismen
- unterbrochene Hauptschlaf-Episoden

  • Polysomnographie mit einem oder mehreren der folgenden Merkmale:

- Schlaflatenz (Einschlafzeit) unter zehn Minuten
- REM-Schlaflatenz unter 20 Minuten (also bis der erste Traumschlaf beginnt)
- Ein MSLT, der eine mittlere Schlaflatenz unter fünf Minuten aufweist (der Multiple Schlaf-Latenz-Test MSLT misst die Einschlaflatenz zu verschiedenen Tageszeiten und ist damit ein Grad der Schläfrigkeit bzw. des Schlafdrucks)
- Zwei oder mehr Schlafperioden beginnen mit REM-Schlaf (Traum-Schlaf)
- Die HLA-Typisierung ist DQB 1* 0602 oder DR 15 (vormals DR 2) positiv (Einzelheiten s. Fachliteratur)
- Ausschluss anderer Hypersomnie-Ursachen durch Routinelabor, NMR (eine Art hochauflösendes Computer-Röntgenbild) des Schädels, ggf. Liquorpunktion (Entnahme des "Gehirnwassers") u.a.

Nach der International Classification of Sleep Disorders (ICSD-R) 1997

WIE HÄUFIG IST EINE NARKOLEPSIE?

Obwohl die Narkolepsie schon vor über hundert Jahren erstmals beschrieben wurde und für die so genannten Schlaf-Wach-Störungen sogar eine Art Modell-Erkrankung darstellt, weiß man bis heute nicht genau, wie viel Menschen davon betroffen sind.

Die so genannte Prävalenz (Häufigkeit an einem bestimmten Stichtag) liegt zwischen 0,026 und 0,5 %. Diese sehr unterschiedlichen Daten sind aber nicht nur auf unterschiedliche Erhebungsmethoden, sondern auch auf ethnische (völkerkundliche) Unterschiede zurückzuführen (z. B. Japan am höchsten, weshalb von dort auch überaus interessante Forschungsergebnisse kommen, Israel mit am niedrigsten von jenen Nationen, von denen Untersuchungen vorliegen).

In Deutschland geht man davon aus, dass nur rund 1000 Narkolepsie-Kranke als solche diagnostiziert und ggf. gezielt behandelt werden. Die Dunkelziffer dagegen soll sich zwischen 20.000 und 120.000 Patienten bewegen, die zwar unter ihren Beeinträchtigungen leiden, aber nichts von ihrer Diagnose wissen, geschweige denn fachärztlich behandelt werden.

SPEZIELLE ASPEKTE

Narkolepsie und Alter

Die Narkolepsie kann in fast jedem Alter ausbrechen (d.h. sogar im Säuglingsalter). Vor dem zehnten Lebensjahr soll es etwa jeden fünften Betroffenen erfassen (wobei die häufigsten Fehldiagnosen Epilepsie und hyperkinetisches Syndrom/Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADS) sind). Kinder neigen allerdings dazu, ihre Narkolepsie-Symptome zu verheimlichen oder kompensieren ihre Schläfrigkeit durch Hyperaktivität, deshalb auch die Fehldiagnose eines hyperkinetischen Syndroms ("Zappelphilipp").

Am häufigsten wird die Narkolepsie zwischen Pubertät und frühem Erwachsenenalter diagnostiziert. Tritt sie erst im späteren Lebensalter auf, dann beeinträchtigen vor allem die Tagesschläfrigkeit, während die diagnostisch wegweisende Kataplexie besonders lange braucht, bis sie sich ernsthaft bemerkbar macht. Im Übrigen kann man davon ausgehen: Je später eine Narkolepsie ausbricht, desto geringer scheint sie zu beeinträchtigen.

Narkolepsie und Geschlecht

Die Frage nach Narkolepsie und Geschlecht lässt sich relativ einfach beantworten: Eindeutige geschlechtsspezifische Unterschiede lassen sich nicht objektivieren.

Wie verläuft eine Narkolepsie?

Beginn: In der Mehrzahl der Fälle beginnt die Narkolepsie während oder kurz nach der Pubertät mit vermehrter Schläfrigkeit und Einschlafattacken in monotonen Situationen. Danach pflegen sich Kataplexien und/oder hypnagoge Halluzinationen, seltener auch Schlaflähmung und schließlich nächtliche Schlafstörungen mit zerhackten Schlafzyklen anzuschließen.

Bis zu diesem Vollbild können aber Jahre oder Jahrzehnte vergehen - wenn überhaupt. Dazwischen sind immer wieder Verschlimmerungen (Fachbegriff: Exazerbationen), Phasen der (scheinbaren) Genesung (Fachbegriff: Remissionen), vor allem aber Verlaufsschwankungen in jeder Form und Phase möglich. Eines aber ist grundsätzlich zu respektieren:

Die Narkolepsie ist eine lebenslang andauernde Erkrankung.

Sie beginnt meist langsam und oft uncharakteristisch. Die Tagesschläfrigkeit ist in der Regel das erste, was irritiert, halbwegs bewältigt oder manchmal auch gar nicht richtig realisiert wird. Deshalb ist eine Narkolepsie ohne Kataplexie letztlich nur schwer zu diagnostizieren. Die Kataplexie ist einfach das spektakulärste Merkmal und kaum zu übersehen. Meist tritt sie aber so rechtzeitig ein, dass man dann auch auf die richtige Spur kommt. Es gibt aber Fälle, wo es mehrere Jahrzehnte dauern kann, bis die Kataplexie beispielsweise der Tagesschläfrigkeit nachfolgt und damit erst die zutreffende Diagnose ermöglicht.

Unter der vollen Last der Folgen mit dominierenden Kataplexien leiden glücklicherweise nur etwa jeder fünfte bis vierte Betroffene.

Im Verlaufe eines Narkolepsie-Lebens gehen am häufigsten die Schlaflähmungen zurück, gefolgt von hypnagogen Halluzinationen und schließlich den Kataplexien. Bei letzterem spielt sicher auch die erlernte "Krankheits-Bewältigungs-Strategie" eine Rolle, nämlich eine routiniertere Beherrschung der Gefühle und wohl auch eine geringere Intensität oder Häufigkeit auslösender Emotionen im Verlaufe des Lebens. Das hartnäckigste Symptom ist dafür die Tagesschläfrigkeit. Sie soll sich nur in etwa 10 % der Fälle befriedigend verflüchtigen, der Rest muss damit leben lernen (was der Mehrzahl auch gelingt).

DIFFERENTIALDIAGNOSTISCHE ASPEKTE: WAS KÖNNTE ES SONST NOCH SEIN?

Wie lässt sich nun die Narkolepsie von anderen Hypersomnien (also jenen Schlafstörungen mit einem Zuviel an Schlaf) bzw. vergleichbaren Leiden abgrenzen? Dazu empfehlen sich in absteigender Reihenfolge folgende diagnostische Schritte:

1. Kataplexien: Anamnestischer Nachweis (Vorgeschichte) von mindestens einer eindeutigen Kataplexie (plötzliche Muskelschwäche), vom Patienten selber oder von einem Angehörigen berichtet oder beobachtet.

2. Nachweis von mehr als zwei vorzeitigen REM-Perioden in einer Polysomnographie und/oder im Multiplen Schlaf-Latenz-Test (MSLT).

3. Tagesschläfrigkeit mit oder ohne imperative (zwingende, unüberwindliche) Einschlafattacken über sechs Monate.

4. Nachweis von HLA-DR 15 (Einzelheiten siehe Fachliteratur). Dies sollte immer genutzt werden, vor allem wenn keine eindeutigen Kataplexien vorliegen und auch bei Verdacht auf so genannte symptomatische Formen - siehe später). Polysomnographisch zeigen Narkolepsie-Patienten in der Regel folgende Besonderheiten (Einzelheiten siehe Fachliteratur): Verkürzte Schlaflatenz, verkürzte REM-Latenz mit mindestens einer sleep-onset-REM-Periode (SOREMP) bei 50 %, Verminderung der Schlafeffizienz, vermehrte Wachliegezeiten und Schlafstadien-Wechsel der Nacht, der Wachzeit im Schlaf verminderte körperliche Aktivität sowie häufig nicht eindeutig klassifizierbarer Schlaf (z. B. REM mit erhaltenem Muskeltonus).

Während die meisten dieser Ausführungen nur dem Fachmann etwas sagen (und hier auch nur der Vollständigkeit halber erwähnt und nicht detaillierter erklärt werden), gilt es doch für Ärzte und Angehörige, ja Freunde und Berufskollegen bei der gemeinsamen Diagnose-Findung Folgendes zu beherzigen:

Die meisten Symptome sind - wenn sie denn je alle vorkommen - der Mehrzahl der Betroffenen gar nicht so extrem als krankhaft bewusst, wachsen sie doch nach und nach damit auf und praktisch in diese Leiden hinein. So wird z. B. die Tagesschläfrigkeit, die den anderen mehr oder weniger störend auffällt, als belastendes Phänomen häufig überschätzt. Denn die Betroffenen kennen ja nichts anderes und können kaum ermessen, was "Wachheit" bedeutet.

Und sogar die Kataplexie muss den Patienten detailliert erklärt werden. Selbst das wird irgendwie in den Alltag eingebaut, sah man bisher doch keine Möglichkeit, wirkungsvoll dagegen anzugehen. Das Gleiche gilt für den gestörten Nachtschlaf (wer kennt so etwas nicht) und sogar die Schlaflähmung mit den erwähnten hypnagogen Halluzinationen.

Narkolepsie-Patienten haben es also nicht einfach, nicht durch ihre Krankheit, nicht durch das (bisweilen mangelnde) Verständnis der Umgebung, nicht einmal was ihre eigene Einstellung bzw. den Leidensdruck durch diese Erkrankung anbelangt.

Was kann nun mit einer Narkolepsie verwechselt werden?

Die so genannte Differentialdiagnose (was könnte es sonst noch sein?) kann bei der Narkolepsie mitunter Probleme bereiten. Sie ist jedoch wegen der gezielten medikamentösen Behandlung unerlässlich.

Die nachfolgende Tabelle vermittelt einen Überblick, ergänzt durch die komprimierte Zusammenfassung der wichtigsten differentialdiagnostischen Überlegungen. Um dieses Unter-Kapitel nicht völlig ausufern zu lassen und weil es letztlich nur den Fachmann, insbesondere den Arzt interessiert, sind alle in Frage kommenden Erkrankungen nur als Fachbegriffe aufgeführt und bewusst nicht erklärt (Einzelheiten also siehe die entsprechende Fachliteratur).

Zur Differentialdiagnose der Narkolepsie (Fachbegriffe)

Mit einer narkoleptischen Einschlafattacke kann verwechselt werden:

NREM-Hypersomnie, Schlaf-Apnoe-Syndrom, periodische Hypersomnie und Kleine-Levin-Syndrom, symptomatische Hypersomnie, neurotische Hypersomnie, hysterische Pseudo-Hypersomnie, Psychostimulanzien-Abusus, chronische Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus bei wiederholtem Zeitzonenwechsel (Jetlag) oder Schichtarbeit.

Mit einer kataplektischen Attacke kann verwechselt werden:

  • Nichtepileptische Phänomene: Myasthenia gravis pseudoparalytica, atonische Himstammanfälle, akinetisch-atonische Hirnstammanfälle (paroxysmale Akinesie), hypokaliämische Lähmung, paroxysmale Choreoathetose, atonische Attacken (nach frontalen oder parietalen Verletzungen oder Tumoren sowie bei Kolloidzysten im dritten oder vierten Ventrikel mit intermittierendem Hydrozephalus), pressorische Synkope (ausgelöst durch Lachen = Geloplegie), "drop attacks" bei vertebrobasilärer Insuffizienz.
  • Epileptische Phänomene: atonische Attacken bei myoklonisch-astatischem Petit mal, bei somatosensibler Reflexepilepsie (tap seizure) oder bei vorangegangenem Jackson-Anfall, atonische Anfälle (mit SW-Komplexen oder generalisierten langsamen Wellen im EEG), atonische Attacken mit epileptischen Entladungen.

Mit hypnagogen Halluzinationen können verwechselt werden:

Halluzinationen bei Psychosen, beim Delirium tremens, im Rahmen einer optischen Halluzinose.

Mit automatischem Handeln kann verwechselt werden:

  • Epileptische Phänomene: psychomotorische Dämmerattacken, Petit mal-Status, postparoxysmale Dämmerzustände, epileptische Psychose.
  • Nichtepileptische Phänomene: amnestische Episoden, posttraumatische Dämmerzustände, Bewusstseinseinschränkungen durch Vergiftungen, Fieberdelir und arteriosklerotische Verwirrtheitszustände.

Mit einer narkoleptischen Schlafstörung kann jede Durchschlafstörung verwechselt werden, doch lässt sich bei entsprechender Untersuchung im Schlaf rasch der dafür charakteristische Zwei-Stunden-Rhythmus erkennen.

modifiziert nach Meier-Ewert

Was heißt das nun im Einzelnen für die wichtigsten Symptome einer Narkolepsie?

Was kann mit kataplektischen Anfällen verwechselt werden?

Mit kataplektischen Anfällen können folgende Störungen verwechselt werden:

- Epileptische (generalisierte) Anfälle sind charakterisiert durch in der Regel heftigere Stürze (Blutergüsse über den ganzen Körper verteilt), durch Lippen- und Zungenbiss, ggf. Einnässen oder Einkoten, postiktale Benommenheit (nach dem Anfall) mit Kopfschmerzen sowie - wichtigstes Kennzeichen - keinerlei Weckbarkeit während des Anfalls, im Gegensatz zur Narkolepsie (siehe oben).

Allerdings können die erwähnten automatischen Handlungen mit nachfolgender Amnesie (Erinnerungslosigkeit) bei Narkolepsie mit den psychomotorischen Anfällen einer Temporallappen-Epilepsie (heute komplex-fokale Epilepsie genannt) verwechselt werden. Dauer und Ausprägung psychomotorischer Anfälle sind jedoch stereotyper. Auch lassen sich die narkoleptischen Automatismen durch Einflussnahme von außen (s. o.) rasch durchbrechen, nicht aber bei der Epilepsie.

- Basilaris-Insuffizienz mit drop attack: Sturzanfälle durch Durchblutungsstörungen im so genannten vertebro-basilären Bereich (Gefäße durch die Zwischenwirbellöcher, die die Gehirnteile der hinteren Schädelgrube versorgen) können mit kataplektischen Anfällen verwechselt werden. Bei beiden Formen bleibt nämlich das Bewusstsein erhalten.

Doch Stürze bei vertebro-basilärer Insuffizienz haben keine affektiven Auslöser (z. B. Lachschlag), treten vornehmlich bei älteren Menschen auf (Wirbelsäulen-Veränderungen, Durchblutungsstörungen) und sind häufig mit weiteren Symptomen kombiniert, insbesondere aus dem so genannten Hirnstamm-Bereich (Einzelheiten siehe neurologische Fachliteratur).

- Weitere so genannte pressorische Synkopen wie Lach-Synkopen, Husten-Synkopen oder Miktions-Synkopen (beim Wasserlassen) können zwar wie ein Sturzanfall bei Kataplexie aussehen, treten aber erst nach längerem Lachen oder Husten auf. Im Gegensatz zur Narkolepsie verliert der Patient dabei das Bewusstsein.

Was kann mit einer Tagesschläfrigkeit verwechselt werden?

Während sich die Differentialdiagnose bei den eher dramatischen Sturz-Symptomen durch Narkolepsie oder ähnlich belastenden Erkrankungen besser abgrenzen lässt (siehe oben) wird es bei der Tagesschläfrigkeit schon schwieriger: Nachfolgend deshalb eine tabellarische Kurzfassung in der Fachsprache (Erklärung siehe Fachliteratur).

Differentialdiagnose des Leitsymptoms Tagesschläfrigkeit

Welche Erkrankungen oder Syndrome (Symptom-Gruppierungen) können zur Schläfrigkeit am Tage führen?

- Idiopathische Narkolepsie
- Symptomatische Narkolepsie
- Hypersomnie bei Tumoren des Zentralen Nervensystems
- Schlaganfall
- Enzephalitis
- Multiple Sklerose
- Schädel-Hirn-Unfälle
- Neurodegenerative Erkrankungen
- Kleine-Levin-Syndrom
- Idiopathische Hypersomnie
- Schlaf-Apnoe-Syndrom
- Psychologische Ursachen: Schlafdeprivation, psychophysiologische Insomnie (primäre Insomnie)
- Psychiatrische Ursachen: Medikamentenmissbrauch (Benzodiazepine, sedierende Antidepressiva, Betablocker, Neuroleptika (Antipsychotika), Barbiturate), Alkoholmissbrauch, Depressionen, Psychosen
- Zirkadiane Rhythmusstörungen (z. B. Schichtarbeit, Jetlag)
- Restless-Legs-Syndrom
- Periodische Bewegungen im Schlaf (z. B. Beine)
- Infektionen (z. B. Mononukleose)
- Neurologische Erkrankungen: Epilepsie, Parkinson-Krankheit, Chorea Huntington, myotone Dystrophie), chronisches Müdigkeits-Syndrom (CFS)
- Fibromyalgie
- Prader-Willi-Syndrom
- u.a.m.

nach G. Mayer und S. Kotterba, 2001

Die häufigsten Verwechslungsmöglichkeiten ergeben sich durch folgende Krankheiten:

- Eine symptomatische Hypersomnie, also ein krankhaftes Zuviel an Schlaf durch eine körperliche Störung kommt beispielsweise bei organischen Hirnerkrankungen vor: Enzephalitis, Hirntumoren, traumatische oder vaskuläre Hirnstammschädigungen, Hypothyreose sowie metabolische oder toxische Enzephalopathien u.a.

Diese Art von Schläfrigkeit tritt jedoch in der Regel nicht anfallsartig auf wie bei der Narkolepsie.

- Das Schlaf-Apnoe-Syndrom ist neben der Narkolepsie die häufigste Ursache für länger anhaltende Schläfrigkeit am Tage. Hier wird die Diagnose durch polygraphische Untersuchungen während des Schlafes gestellt (Schlaflabor).

- Die idiopathische Hypersomnie ist durch übermäßig verlängerten Nachtschlaf charakterisiert, ohne dass man weiß, weshalb. Am nächsten Morgen sind die Betroffenen außerordentlich schwer zu wecken und lange schlaftrunken. Auch während des Tages sind häufig längere Schlafepisoden zu registrieren.

Solche Patienten können - wenn sie nicht geweckt werden - bis zu 15 oder 20 Stunden pro Tag schlafen. Allerdings findet sich kein affektiver Tonusverlust (Kataplexie) und keine Schlaflähmung. Und auch der tiefe Schlaf dieser Patienten unterscheidet sich deutlich vom leichten Schlaf des Narkoleptikers mit seinen häufigen Schlafunterbrechungen und dem frühen Aufwachen.

- Das Kleine-Levin-Syndrom zeigt Tage oder wenige Wochen andauernde Perioden von Schlafsucht mit oft ausgeprägtem Schlafbedürfnis sowie sexuellen Störungen. Während der Schlafperioden sind die Kranken erweckbar, schlafen aber schnell wieder ein. Die krankheitsfreien Zeiten (Fachbegriff: symptomfreie Intervalle) dauern meist einige Monate oder auch Jahre. Betroffen sind vor allem junge Männer während der Pubertät.

- Weitere Fälle von Hypersomnie oder Hypo-Vigilität, d. h. einem Zuviel an Schlaf oder Zuwenig an Wachheit finden sich bei depressiven Zuständen jeglicher Art, bei bestimmten neurotischen Entwicklungen, Persönlichkeitsstörungen, schizophrenen Psychosen u.a.

- Beim Syndrom der periodischen Beinbewegungen im Schlaf ("nächtlicher Myoklonus") kommt es zu kurzen Muskelzuckungen, die den Schlaf nachhaltig stören können. Dies kann auf Dauer von wachsender Unruhe bei Nacht und damit durch das Schlafdefizit von Schläfrigkeit bei Tage begleitet sein. Verwechslungsmöglichkeiten mit dem narkoleptischen Krankheitsbild sind bei genauer Vorgeschichte aber nicht zu erwarten.

Was kann mit hypnagogen Halluzinationen verwechselt werden?

Während sich bei den bisherigen Vergleichen, zumindest in der Mehrzahl der Fälle, keine ernsteren Verwechslungsgefahren aufdrängen, ist dies bei den hypnagogen Halluzinationen schon anders.

- Hier droht vor allem die Fehldiagnose einer schizophrenen Psychose oder zumindest wahnhaften Störung. Im Gegensatz zu diesen erkennen jedoch Narkoleptiker rückblickend durchaus den Trugcharakter ihrer Sinnestäuschungen. Auch fehlen jeweils alle anderen schizophrenen Symptome beim Narkoleptiker (Einzelheiten siehe die entsprechenden Kapitel).

ZUR URSACHE DER NARKOLEPSIE

Über die Ursachen und Hintergründe einer Narkolepsie wird intensiv geforscht, so dass bereits eine Reihe von interessanten und auch therapeutisch wegweisenden Erkenntnissen vorliegt, was sich in den kommenden Jahren noch deutlich verbessern wird.

Als auslösende Ereignisse wurden bisher diskutiert: Infektionen, Schädel-Hirn-Traumen (Kopfunfälle), Operationen, vor allem die Belastung durch eine Narkose, körperliche Erschöpfung, psychischer Stress, Schlafentzug, Menarche (erste Regelblutung), Schwangerschaft, Geburt u.a.

In den meisten Fällen ist eine organische Vorschädigung des Gehirns nicht erkennbar. So etwas nennt man dann eine "idiopathische Narkolepsie" (idiopathisch = selbständig, von sich aus entstanden, letztlich noch ohne erkennbare Ursache). Bisweilen lassen sich jedoch auch Veränderungen in bestimmten Hirnregionen nachweisen (Fachhinweise: Läsionen in der mesodienzephalen Region, z. B. durch Enzephalitis oder andere Gehirnschädigungen). Auch finden sich Zustände krankhafter Schläfrigkeit nach Hirnunfällen sowie bei vaskulären und degenerativen Störungen (Durchblutung, Zellzerfall), bei Hirntumoren oder multipler Sklerose.

Hier ist jedoch eine solche "sekundäre Narkolepsie" rasch als solche erkennbar, wenn der Betroffene in fachärztliche Behandlung kommt.

In genetischer Hinsicht (Erbfaktoren) wurde schon früh eine familiäre Häufung festgestellt, auch wenn bisher kein konkretes Vererbungsmuster gesichert ist. Das Risiko, an einer Narkolepsie zu erkranken, beträgt bei Angehörigen ersten Grades 1 bis 2 % (im Gegensatz zu 0,02 bis 0,18 % in der Allgemeinbevölkerung). Das Risiko für Einzel-Symptome liegt sogar bei 5 %.

In immun-genetischer Hinsicht zeigt die Narkolepsie von allen bekannten Erkrankungen die höchste HLA-Antigen-Assoziation (HLA-DR 15); Einzelheiten siehe die Fachliteratur. Auf jeden Fall legen diese Labor-Hinweise mit ihrer so genannten serologischen Spezifität sowie die familiäre Häufung den Verdacht nahe, dass es bei der Narkolepsie wohl einen genetischen (erblichen) Ursprung geben muss.

Schließlich weisen so genannte neuro-anatomische Untersuchungen auf eine Erhöhung bestimmter Botenstoffe (noradrenerge und serotonerge Neurotransmitter-Systeme) in spezifischen Gehirnarealen hin, besonders dort, wo es um den physiologischen Ablauf bestimmter Schlaffunktionen geht.

DIE NARKOLEPSIE UND IHRE PSYCHOSOZIALEN FOLGEN

Narkoleptiker sind zeitlebens von einer sonderbaren und für unaufgeklärte Laien natürlich aufsehenerregenden, zumindest irritierenden, wenn nicht gar lächerlich machenden Krankheit geschlagen. Das kann nicht ohne Konsequenzen bleiben.

Die Lebenserwartung wird zwar nicht beeinträchtigt, wohl aber die Lebensqualität. Zwar können sich die meisten Narkoleptiker noch rechtzeitig liegend oder zumindest sitzend "in Sicherheit bringen", doch ist die psychosoziale Belastung durch einen solchen gleichsam überfallartigen Schlaf enorm, vom affektiven Tonusverlust oder einer Schlaflähmung ganz zu schweigen.

Viele Narkolepsie-Patienten zeigen sich deshalb um emotionale Kontrolle bemüht, ja übermäßig besorgt. Das prägt den Tagesablauf und letztlich das ganze Leben. Nicht wenige wirken sogar pessimistisch, unglücklich und leiden unter chronischen Grübeleien, unter Selbstzweifeln und Niedergeschlagenheit.

Nach entsprechenden Untersuchungen haben zwar die meisten eine leidliche Lebensstrategie (oder besser ausgedrückt: Vermeidungs-Strategie) entwickelt, die aber letztlich in sozialem Rückzug endet (siehe unten) und die wohl auch für die überdurchschnittlich häufigen Probleme in Ehe, Familie und bei der Arbeit verantwortlich sind.

Immerhin konnte gezeigt werden, dass sich die psychomotorische Leistung (Bewegung oder generell Aktivität) und die kognitiven Fähigkeiten (vor allem Kurz- und Langzeitgedächtnis) von Narkolepsie-Kranken nicht wesentlich von Gesunden unterscheiden. Zwar kommt es auf Grund der Tagesschläfrigkeit zu einer verringerten Aufmerksamkeitskapazität. Doch je länger die Narkolepsie dauert, desto geringer sind die Einbußen.

Manche Narkoleptiker klagen zwar, dass sie als "distanziert" oder "unnahbar" oder gar "gefühlskalt" missverstanden werden, wo sie doch nur verstärkt ihre Gefühle kontrollieren wollen, um den drohenden Kataplexie-Attacken ("Lachschlag" - siehe oben) zu entgehen. Das hat nun möglicherweise in der Tat einen allgemeinen Mangel an Ausdruckskraft und vielleicht auch an zwischenmenschlichem Interesse zur Folge. Der Mehrzahl aber gelingt dann doch ein leidlicher Kompromiss: "Man kann zwar nicht so aus sich herausgehen wie andere, aber ausgeschlossen fühlen muss man sich nicht".

Unfälle am Arbeitsplatz oder im Straßenverkehr sind allerdings nicht auszuschließen, wenngleich relativ selten. Denn auch hier haben viele Narkoleptiker sich im Laufe der Jahre ihre spezielle Arbeits- und Lebensweise geschaffen. Solche Bewältigungs-Strategien (Fachbegriff: Coping-Strategien) werden in der Tat am häufigsten im Straßenverkehr und am Arbeitsplatz eingesetzt - und zwar durchaus erfolgreich. Letzteres ist auch für den behandelnden Arzt aus haftungsrechtlicher Sicht wichtig (Aufklärung über die Möglichkeiten und Grenzen entsprechender Tätigkeiten, und dies dann auch in der Krankenakte dokumentieren).

So gesehen kommen selbst mittelschwer beeinträchtigte Narkolepsie-Patienten ganz gut durch den Alltag - zumindest nach außen hin. Etwas anderes sind allerdings die (heimlichen) seelischen Beeinträchtigungen.

Belastender als alle möglichen direkten Folgen, die sich zumeist in Grenzen halten, sind die psychischen Konsequenzen: ständige Beunruhigung, Ratlosigkeit, Resignation, Scham, Selbstzweifel, Hoffnungslosigkeit, Angstzustände, insbesondere Schlaf-Furcht, Niedergeschlagenheit bis hin zur reaktiven Depression und schließlich die Neigung zu gesellschaftlichem Rückzug mit entsprechender Isolationsgefahr.

Oder wenn man es mit dem Satz eines Betroffenen ausdrücken will: "Narkoleptiker befürchten ständig, ihr halbes Leben zu verschlafen …"

Da ist natürlich etwas dran, vor allem bei den unerkannten und damit unbehandelten Fällen. Und auch die Hinweise auf berühmte Leidensgenossen sind nicht sehr trostreich: Napoleon beispielsweise soll ein Narkoleptiker gewesen sein und durch eine solche Schlafattacke seine letzte, entscheidende Schlacht bei Waterloo verloren haben - wenn's stimmt. Bei dem wichtigsten kommunistischen Führer, nämlich Wladimir Iljitsch Uljanow, genannt Lenin, scheint es eher verbürgt.

NARKOLEPSIE - WAS KANN MAN TUN?

Die Behandlung der Narkolepsie ruht auf mehreren Säulen. Die wichtigsten sind

1. psychagogische Führung
2. medikamentöse Behandlung

Nachfolgend eine Übersicht:

  • Psychagogische Maßnahmen

Die Narkolepsie ist eine lebenslange Krankheit mit sozialen Beeinträchtigungen, die leider auch nur schwierig und nicht immer mit dem gewünschten Erfolg medikamentös behandelt werden kann.

Deshalb ist eine enge, vertrauensvolle und vor allem konsequente Betreuung der Betroffenen durch ihren Hausarzt sowie einen Nervenarzt (Psychiater und Neurologen) nicht zu unterschätzen. Was heißt das (nach Meyer-Ewert u.a.):

- Frühzeitige Aufklärung über Art sowie Folgen (auch in positiver Hinsicht: Lebenserwartung beispielsweise nicht beeinträchtigt!) sowie moderne Behandlungsmöglichkeiten (siehe später).

- Psychotherapeutisch-stützende Betreuung im weitesten Sinne, wobei im Mittelpunkt die Beratung steht, wie man ehesten über die zum Teil erheblichen Behinderungen hinweg kommen kann. Im Einzelnen:

- Allgemeine Maßnahmen: ausreichender Nachtschlaf; regelmäßiger Mittagsschlaf; zwei bis drei "Nickerchen" (Fachbegriff: naps) pro Tag für etwa 15 bis 20 Minuten, weil sie die Wachheit am Tage verbessern, ohne in diesem Fall nächtliche Schlafstörungen zu verstärken; auch können regelmäßige Kurzschlafphasen den Medikamentenbedarf senken helfen. Wichtig: ausgiebige körperliche Aktivität, und zwar regelmäßig.

- Beruf: Beratung bei der Auswahl des Arbeitsplatzes und der Organisation der Arbeitsabläufe, d.h. Verzicht auf Schicht- und Nachtarbeit sowie solche Tätigkeiten/Arbeitsplätze, bei denen Schläfrigkeit und Sturzgefahr problematisch werden könnten.

- Verkehr: Verzicht auf Lenkung eines Kraftfahrzeugs (PKW, Zweirad), wenn sich das Krankheitsbild therapeutisch nicht ausreichend in den Griff bekommen lässt. Ausnahmeregeln müssen auf jeden Fall sorgfältig geprüft werden.

- Ernährung: Übergewicht im Allgemeinen und reichliche Mahlzeiten Im Speziellen erhöhen die Einschlafneigung. Bestimmte Nahrungs- und Genussmittel können die Tagesschläfrigkeit verstärken. Dazu zählen z. B. Milch und Milchprodukte sowie Zigaretten, die nur kurzzeitig aktivieren und Alkohol, der die Müdigkeit fördert. Inwieweit stimulierende Getränke (Kaffee, Schwarztee, Cola) von Vorteil sind, muss im Einzelfall geprüft werden.

- Emotionale Beherrschung: Mit der Zeit kennen viele Narkoleptiker die für sie typischen Situationen, die vor allem kataplektische Attacken auslösen können. Gelingt es diese zu vermeiden bzw. generell Gefühle zu unterdrücken, lassen sich wenigstens die erschreckenden Muskelerschlaffungen etwas eindämmen.

Soweit eine solche "emotionale Selbstbeschränkung" aber überhaupt möglich ist, kann sie natürlich auch zur Verarmung des Gefühlslebens ("Versteinerung"), zu erzwungenen charakterlichen Veränderungen und zu gesellschaftlichem Rückzug, wenn nicht gar zur Isolation führen (Einzelheiten siehe oben). Hier ist mit Hilfe von Arzt, Familie und Freunden ein Mittelweg zu finden und zu trainieren.

Manche Patienten haben im Laufe ihres Lebens gelernt, kataplektische Anfällen durch persönliche Tricks zu verhindern. Dazu gehören: Luft anhalten, Zähne zusammenbeißen, Fäuste machen, an etwas Neutrales denken, tief Luft holen und wieder langsam herauslassen sowie die Hände im Nacken verschränken und gegen den Hinterkopf pressen.

Ob das hilft, muss jeder Narkolepsie-Patient selber herausfinden.

  • Medikamentöse Behandlung

Die medikamentöse Behandlung einer Narkolepsie sollte grundsätzlich dem Facharzt, d. h. Nervenarzt, Psychiater und Neurologen vorbehalten bleiben. Ansonsten empfiehlt sich die Kontaktaufnahme mit dem wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Narkolepsie-Gesellschaft (DNG - siehe später), der sowohl für Ärzte als auch für Betroffene in allen Fragen zur Verfügung steht.

Nachfolgend eine komprimierte Zusammenfassung, allgemein verständlich, jedoch ohne konkrete Arzneimittel-Beispiele durch Handelsnamen. Dies ist Aufgabe des zuständigen Arztes.

Bezüglich der medikamentösen Behandlung gilt folgende Einschränkung:

Es gibt kein spezifisches Arzneimittel gegen die Narkolepsie. Derzeit lassen sich nur folgende Beeinträchtigungen (Fachbegriffe: Syndrome) getrennt behandeln (wobei eine Kombination oft nicht zu vermeiden ist): 1. Tagesschläfrigkeit, 2. affektiver Tonusverlust, 3. gestörter Nachtschlaf.

Erfahrungsgemäß könnte ein so genanntes Schlaf-Tagebuch die - manchmal mühsame - Suche nach dem günstigsten Medikament und vor allem der sinnvollsten Dosis erleichtern. Auch hier ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Patient, Hausarzt, Facharzt und Angehörigen empfehlenswert. Und nun die therapeutischen Empfehlungen im Einzelnen:

- Die Behandlung der Tagesschläfrigkeit

Die Behandlung der Tagesschläfrigkeit mit Dauermüdigkeit, Schlafattacken, automatischem Verhalten usw. wird vor allem durch sogenannte Psychostimulanzien abgedeckt.

Die Psychostimulanzien, auch Weckmittel oder - wenn man eine bestimmte Substanz als Oberbegriff einsetzt -, die Amphetamine, mussten zwar in den letzten Jahrzehnten eine deutliche Einschränkung ihrer früheren Heilanzeigen hinnehmen, doch sind davon zwei Krankheitsbilder ausgenommen:

1. Das hyperkinetische Syndrom im Kindesalter ("Zappelphilipp")
2. die Narkolepsie

Tatsächlich bewähren sich gegen die übermäßige Schläfrigkeit und imperative (zwingende, unüberwindliche) Einschlafneigung am Tage folgende zentral nervös stimulierende Substanzen, die zumeist betäubungsmittelpflichtig sind (mit einem Kreuzchen * bezeichnet): Ephedrin, Amfetaminil, Fencamfamin*, Pemolin, Fenetyllin*, Methylphenidat*, Mazindol*, Amphetamin*.

Für eine erfolgreiche Behandlung der Narkolepsie müssen diese Psychostimulanzien aber teilweise ungewöhnlich hoch dosiert werden, um jenen Wachheitsgrad zu garantieren, der mit Gesunden vergleichbar ist.

Glücklicherweise scheinen sich dafür die Nebenwirkungen, selbst bei höherer Dosierung und Langzeiteinnahme, bei den meisten Betroffenen in Grenzen zu halten.

Die häufigsten unerwünschten Begleiterscheinungen sind in seelischer Hinsicht Euphorie (inhaltsloses Glücksgefühl), Selbstüberschätzung, Reizbarkeit, Hyperaktivität mit Übererregbarkeit und ungehemmter Redefluss (Redeschwall mit Verlust der Selbstkontrolle).

In körperlicher Hinsicht beeinträchtigen es vor allem Schwitzen, Herz-Kreislauf-Störungen (Herzrasen, Herzstolpern, Herzbeklemmung), Kopfschmerzen, Appetitlosigkeit, Schlafstörungen, Bluthochdruck, Zittern, Schwindel u.a.

Treten allerdings wahnhafte Symptome oder gar Sinnestäuschungen auf (Fachbegriffe: paranoide oder paranoid-halluzinatorische Begleiterscheinungen), sind diese Präparate sofort abzusetzen. Entwickelt sich eine Toleranz mit nachfolgender Dosissteigerung, wie das bei etwa einem Drittel bis der Hälfte aller Narkolepsie-Patienten möglich ist (Zwischenräume der Rezept-Ausstellung verringern sich spürbar!), empfiehlt sich eine Therapie-Unterbrechung von drei bis vier Wochen (Fachbegriff: "drug holiday"). Eine eindeutige Abhängigkeit von Psychostimulanzien ist aber bei Narkolepsie-Patienten eher selten.

Auf jeden Fall muss die medikamentöse Einstellung auf die individuellen Erfordernisse abgestimmt werden. Beispiele: Handelt es sich um eine Dauertherapie (z. B. bei notwendiger Aufmerksamkeit in Schule, Lehre oder Beruf) oder eine situationsbezogene Therapie-Angleichung (z. B. Höherdosierung bei Prüfungen oder vergleichbaren Anforderungen).

Weitere Behandlungsmöglichkeiten, wie sie vor allem früher diskutiert wurden, sind beispielsweise Versuche mit Koffein sowie mit Antidepressiva mit stimulierender Wirkung, sogenannte Monoaminooxidase-A-Hemmer (z. B. Moclobemid*). Auch Antiparkinsonmittel werden diskutiert (z. B. L-Dopa: Madopar*, Nacom*).

Selbstverständlich empfiehlt sich in jedem Fall die Einstellung auf das jeweilige Präparat durch einen Facharzt, ggf. in einer psychiatrischen oder neurologischen Fachklinik. Auch müssen die Patienten auf die gerade hier nicht geringen Nebenwirkungen aufmerksam gemacht werden.

- Die Behandlung von kataplektischen Attacken, Schlaflähmung und hypnagogen Halluzinationen

Die Behandlung von kataplektischen Attacken, von Schlaflähmung und hypnagogischen Halluzinationen geschieht vor allem durch antidepressive Psychopharmaka, nämlich trizyklische Antidepressiva, Serotonin-Wiederaufnahmehemmer und Monoaminooxidasehemmer. Im Einzelnen:

Die jüngste Generation der Antidepressiva sind die Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI): Fluoxetin, Fluvoxamin und neuere Substanzen, für die aber nur begrenzte Erfahrungen in der Narkolepsiebehandlung vorliegen. Die meisten aber wirken durchaus befriedigend und das bei relativ geringer Nebenwirkungs-Belastung. Dies ist insbesondere für jüngere und mehrfach-kranke Patienten wichtig, weshalb man diese Substanzen als erstes erproben sollte.

Allerdings ist ihre antikataplektische Wirkung (also gegen die plötzlichen Anfälle von Muskelschwäche) nicht so ausgeprägt wie bei der älteren Antidepressiva-Generation (siehe unten). Andererseits leiden viele Narkolepsie-Patienten nur unter leichteren Kataplexie-Anfällen. Deshalb ist es sinnvoll, erst einmal die Serotonin-Wiederaufnahmehemmer zu versuchen.

Wirkungsvoller was die Narkolepsie-Behandlung anbelangt scheinen nach wie vor die älteren, sogenannten trizyklischen Antidepressiva zu sein. Sie wirken vor allem am stärksten antikataplektisch und sind deshalb in dieser Hinsicht immer noch die sogenannten Mittel der ersten Wahl, insbesondere dort, wo die Kataplexien durch nichts anderes zu mildern sind. Entsprechende Substanz-Beispiele wären Imipramin* (das erste chemische Antidepressivum überhaupt), Desipramin*, Viloxazin* und vor allem Clomipramin* (alle natürlich rezeptpflichtig).

Leider sind die Nebenwirkungen der älteren, trizyklischen Antidepressiva - substanz- und dosisabhängig zwar, aber immerhin - nicht unerheblich. Einzelheiten siehe die entsprechende Fachliteratur.

Eine dritte Antidepressiva-Gruppe sind die Monoaminooxidasehemmer (MAO-Hemmer), und zwar sowohl die ältere Generation (Tranylcypromin*) als auch die neuen, sogenannten MAO-A-Hemmer (Moclobemid*).

Diese Monoaminooxidasehemmer wirken sowohl gegen die Tagesschläfrigkeit als auch gegen Kataplexien, Schlaflähmung und ggf. hypnagoge Halluzinationen.

Bei allen Antidepressiva kann die Dosis im Rahmen einer Narkolepsie-Behandlung ggf. geringer ausfallen als bei der eigentlichen antidepressiven Therapie. Die antikataplektische Wirkung setzt sogar in der Regel innerhalb von 24 Stunden ein, im Gegensatz zum stimmungsaufhellenden Effekt, den man erst nach ein bis drei Wochen erwarten darf. Voreiliges Absetzen kann das Beschwerdebild in beiden Fällen wieder rasch verschlechtern.

Insbesondere das zu rasche Absetzen von trizyklischen Antidepressiva der älteren Generation (siehe oben) sollte schon deshalb vermieden werden, um einen sogenannten Status cataplecticus und prolongierte Halluzinationen zu vermeiden, d.h. lang anhaltende Muskelschwächen und Sinnestäuschungen.

Auch bedarf es keiner weiteren Diskussion, dass jeder Patient unter Psychopharmaka in regelmäßiger hausärztlicher, am besten zusätzlicher psychiatrisch-neurologischer oder nervenärztlicher Betreuung stehen sollte, um alle notwendigen Kontrolluntersuchungen zu sichern (Herz, Kreislauf, Blutbild, Stoffwechsel u.a.). Bei einigen Substanzen (z. B. Pemolin) sind darüber hinaus zusätzliche Kontrollen notwendig, z. B. Leberfunktionstests. Patienten, die sich nur über Telefon oder Post ihre Rezepte verschreiben lassen, ohne regelmäßig kontrolliert zu werden, gehen ein nicht unerhebliches Risiko ein.

Dies verstärkt sich noch bei einer Kombination aus Antidepressiva und Psychostimulanzien: Das kann nämlich bei einigen narkoleptischen Krankheitsbildern nötig werden. Dabei ist das verstärkte und vor allem verbreiterte Nebenwirkungs-Spektrum zu berücksichtigen, was eine noch engere Zusammenarbeit zwischen Haus- und Nervenarzt nahe legt.

- Die Behandlung des gestörten Nachtschlafs

Die Behandlung des gestörten Nachtschlafs ist - insbesondere was die Langzeittherapie anbelangt - letztlich ein ungelöstes Problem. So können zwar beispielsweise kurz wirksame Schlafmittel vom Typ der Benzodiazepine eingesetzt werden, wobei ganz bestimmte Schlafmittel zum Einsatz gelangen (z. B. Triazolam*). Da jedoch eine rasche Abhängigkeit droht, ist der verfügbare Zeitrahmen begrenzt, zumal man dann auch nicht sofort absetzen darf, um unangenehme Entzugserscheinungen zu provozieren (insbesondere erneute, sogenannte Entzugs-Schlafstörungen). Inwieweit hier die neueren Schlafmittel eine hilfreiche Entlastung sind, muss noch geprüft werden und ist von jedem Arzt im Einzelfall zu entscheiden.

Bei den erwähnten Benzodiazepinen muss man grundsätzlich auf eine so genannte kurze Halbwertszeit bzw. Wirkdauer achten. Denn wenn der Betreffende auch noch mit einem zusätzlichen hang over (Wirkungs-Überhang) am nächsten Tag zu kämpfen hat, verstärkt sich damit auch noch die bereits lästige Tagesschläfrigkeit auf chemischem Wege.

ÄRZTLICHE BEGUTACHTUNG

Nach den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit wird der Grad der Behinderung (GdB) Im Allgemeinen zwischen 50 bis 80 % angenommen, abhängig von Häufigkeit, Ausprägung und Kombination der Symptome.

In seltenen Fällen mit massiven Krankheitszeichen muss ein Grad der Behinderung bzw. eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von über 80 % gewährt werden.

Wenn mehrere Erkrankungen mit dem Leitsymptom Hypersomnie (z. B. Schlaf-Apnoe oder Restless-Legs-Syndrom - siehe die Tabelle über Schlafstörungen zu Beginn dieses Beitrags) gleichzeitig bestehen, sind die Leistungsminderungen gemäß der Verstärkung des Leitsymptoms zu berücksichtigen.

Massive hypnagoge Halluzinationen oder Albträume und lang anhaltende Schlaflähmungen sowie Unterbrechungen des Nachtschlafs mit langen Wachliegezeiten sollten abhängig vom Schweregrad der Beeinträchtigung mit beurteilt werden (nach G. Mayer).

SCHLUSSFOLGERUNG

Die Narkolepsie ist ein altes Leiden, das nebenbei auch Tiere nicht verschont (z. B. Hunde). Für die Betroffenen ist sie jedoch seit jeher eine erhebliche Belastung. Sie sollte möglichst rasch diagnostiziert und konsequent überwacht bzw. behandelt werden, am besten in Zusammenarbeit mit einem Nervenarzt. Vor dem zehnten Lebensjahr bereitet die Diagnose allerdings oft Schwierigkeiten. Danach sollte es aber mit den heutigen diagnostischen Möglichkeiten, ein entsprechender Kenntnisstand vorausgesetzt, keine großen Schwierigkeiten mehr bereiten. So sollte es eigentlich nach und nach gelingen, die derzeit noch sehr hohe Anzahl unerkannter Narkolepsie-Patienten deutlich zu verringern.

Nun kann sich eine erfolgreiche Therapie sowie die individuelle Dosis mühsam gestalten, zumindest anfangs, führt aber meist zu einem befriedigenden Endergebnis. Am besten sichert man sich die Unterstützung von Schlaflabor oder Schlafambulanz, von denen allein im deutschsprachigen Bereich Dutzende mit zahlreichen Experten zur Verfügung stehen. Von dort wird man dann auch über neue Entwicklungen in der pharmakotherapeutischen Behandlung der Narkolepsie informiert.

Ganz besonders wichtig aber ist die Aufklärung von Angehörigen, Bekannten, Arbeitskollegen usw. Dafür empfiehlt sich die Kurzinformation für Patienten und ihre Angehörigen durch die Deutsche Narkolepsie-Gesellschaft, wie sie nachfolgend in Auszügen und leicht modifiziert wiedergegeben werden soll:

Narkolepsie ist eine organische (körperliche) Krankheit. Es ist deshalb verkehrt, den Betroffenen wegen ihrer Symptome einen Vorwurf zu machen oder sie als Psychopathen, Simulanten, "Faulpelz" oder "Schlafmütze" bloßzustellen.

Es ist bekannt, dass Stress in Beruf und Familie die Symptome drastisch verstärken können. Obwohl Einschlafattacken vermehrt in monotonen Situationen und bei langweiligen Beschäftigungen auftreten, können sie sehr wohl auch in höchst angeregten Situationen vorkommen. Es wäre falsch, das Einschlafen als Ausdruck von mangelndem Interesse oder gar Gleichgültigkeit anzusehen. Der Kranke ist rein organisch unfähig, sich gegen das überwältigende Schlafbedürfnis zu wehren.

Man muss sich vergegenwärtigen, dass sich der Narkolepsie-Patient in der vergleichbaren Verfassung eines Gesunden befindet, der 48 Stunden nicht mehr geschlafen hat - nur eben ständig.

Bei kataplektischen Attacken sollten sie Anwesenden versuchen, den Kranken in der gerade eingenommenen Stellung zu unterstützen. Man muss sich einfach klar machen, dass er den nahe liegenden und wohl gemeinten Aufforderungen, sich beispielsweise zu setzen, nicht folgen kann, weil seine Muskeln jeglichen Dienst versagen. Der Patient braucht aber im Augenblick keine ärztliche Hilfe, weil seine Muskelkraft spätestens nach einigen Minuten von alleine zurückkehrt.

Ein solcher kataplektischer Anfall kann zwar sehr erschrecken, doch hilft vielleicht die Erkenntnis, dass auch jeder Gesunde das Gleiche erleidet - und zwar praktisch jede Nacht. Denn in den Traumphasen seines Nachtschlafs unterliegt jeder dem gleichen Tonusverlust, d.h. der gleichen "Muskelschwäche". Doch das ist niemand bewusst, liegt er doch in tiefem Schlaf und träumt gerade. Beim Narkoleptiker geschieht nichts anderes, nur ein "kleiner" entscheidender Unterschied: Seine unkorrigierbare Muskelerschlaffung kommt zum falschen Zeitpunkt, nämlich im Wachzustand, vielleicht sogar noch in der unmöglichsten, peinlichsten Situation.

Das gleiche gilt auch für den anfallsartigen Tagschlaf des Narkoleptikers, der sich in keiner Weise vom Schlaf des Gesunden unterscheidet.

Schließlich besteht kein Grund zur Annahme, dass der Narkoleptiker geistes- oder gemütskrank werden könnte. Sein Verstand arbeitet einwandfrei. Es ist allerdings zu beobachten, dass diese Patienten bei entsprechenden Reaktionen ihrer Mitmenschen zu Resignation, Scham und Niedergeschlagenheit neigen und sich von der Umwelt immer mehr zurückziehen. Dabei sind die Angehörigen, Freunde, Bekannten, Nachbarn und Kollegen gar nicht böswillig, sie wissen nur nicht, was sich hier abspielt - woher auch.

So gesehen ist vor allem das Wissen und damit Verständnis für den Betroffenen und seine besonderen Bedürfnisse von entscheidender Bedeutung. Es liegt nicht zuletzt an seiner Umwelt, ob es ihm gelingt, sich so gut wie möglich auf seine sonderbar wirkende und in der Tat ja eigenartige Krankheit einzustellen. Und ein fast normales Leben zu führen - sofern man ihm die Möglichkeit dazu lässt.

Dem dienen auch diese Ausführungen. Mögen sie ihren Zweck erfüllen.

LITERATUR

Sehr spezielles Thema mit interessanter Fachliteratur, wenngleich zahlenmäßig begrenzt und mit Ausnahme der Narkolepsie-Gesellschaft und ihren Schriften kaum in allgemein verständlicher Form. Nachfolgend einige Auszüge, wegen der wenigen Buchbeiträge auch deutsche Fachzeitschriften berücksichtigend:

Clarenbach, P. u. Mitarb. (Hrsg.): Schering Lexikon Schlafmedizin. MMV Medizin Verlag, München 1991

Faust, V., G. Hole (Hrsg.): Der gestörte Schlaf und seine Behandlung. Universitätsverlag Ulm, Ulm 1992

Hohagen, F., E. Schönbrunn: Die Narkolepsie und andere Formen der Hypersomnie. In: M. Berger (Hrsg.): Handbuch des normalen und gestörten Schlafs. Springer-Verlag, Berlin-Heidelberg-New York 1992

Löwenfeld, I.: Über Narkolepsie. Münchner Medizinische Wochenschrift 49 (1902) 1041

Mayer, G., H. Schulz: Begutachtung der Narkolepsie. Der Medizinische Sachverständige 95 (1999) 92

Mayer, G., S. Kotterba: Narkolepsie. Diagnose und Therapie. Deutsches Ärzteblatt 5 (2001) 249

Meier-Ewert, K. H.: Tagesschläfrigkeit. In K. H. Meier-Ewert (Hrsg.): Praktische Neurologie. VCH-Verlagsgesellschaft, Basel 1989

Meier-Ewert, K. H., H. Schulz (Hrsg.): Schlaf und Schlafstörungen. Springer-Verlag, Berlin-Heidelberg-New York 1990

Meier-Ewert, K.: Tagesschläfrigkeit. Ursachen, Differentialdiagnose, Therapie. edition medizin, Weinheim 1989

Sturm, A., P. Clarenbach: Checkliste Schlafstörungen. Thieme-Verlag, Stuttgart-New York 1997

Westphal, T.: Eigentümliche mit Einschlafen verbundene Anfälle. Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten 7 (1877) 631

Bei allen Ausführungen handelt es sich um allgemeine Hinweise.
Bei persönlichen Anliegen fragen Sie bitte Ihren Arzt.
Beachten Sie deshalb bitte auch unseren Haftungsausschluss (s. Impressum).