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SCHLAFWANDELN

Schlafstörung mit Schlafwandeln - Nachtwandeln - Somnambulismus - somnambule Episoden - Noctambulismus - Mondsüchtigkeit - Lunatismus - Oneirodynia activa

Schlafwandeln ist nicht selten, besonders in jungen Jahren, und dort meist ohne ernstere Ursachen. Wichtig ist jedoch die Erkenntnis, dass die sogenannte "schlafwandlerische Sicherheit" ein nicht ungefährlicher Irrtum ist. Schlafwandler bewegen sich meist gerade aus, selbst dann, wenn ihr Weg zu Ende ist (Absturzgefahr). Daher sollte man den Betroffenen in gefährlicher Umgebung so behutsam steuern, dass er wieder allein ins Bett findet. Das ist in der Regel auch möglich. Die Mehrzahl der Schlafwandler belassen es ohnehin bei nur geringfügigen schlafwandlerischen Aktionen. Schlafwandeln kann aber auch - besonders in weniger klarer Form - gewisse Abgrenzungsschwierigkeiten bereiten, d.h. es sind auch noch andere Ursachen bzw. Erkrankungen möglich. Die gilt es abzuklären. In therapeutischer Hinsicht sind vor allem die Aufklärung der mitunter verstörten Angehörigen, Sicherungsmaßnahmen und ggf. eine psychotherapeutische Behandlung nützlich. Eine zusätzliche Pharmakotherapie ist möglich, wenngleich umstritten. Schlafwandeln ab dem Kindesalter verliert sich meistens während der Pubertät. Zieht es sich jedoch bis ins Erwachsenenalter hinein oder beginnt dort erst, sollte man einen Psychiater zu Rate ziehen. Denn dann weist das Schlafwandeln auf unverarbeitete psychosoziale Konflikte hin.

Erwähnte Fachbegriffe:

Schlafwandeln - Nachtwandeln - Somnambulismus - somnambule Episoden - Noctambulismus - Mondsüchtigkeit - Lunatismus - Oneirodynia activa - Parasomnien - Albträume - Pavor nocturnus - nächtliches Aufschrecken - Bruxismus - Zähneknirschen - Enuresis nocturna - nächtliches Einnässen - Schlaftrunkenheit - Jactatio capitis nocturna - Einschlafmyoklonien - nächtliche Beinkrämpfe - Schlafparalyse - nächtliche schmerzhafte Peniserektionen - schlafwandlerische Sicherheit - Schlafwandeln und Hungergefühl - verwirrtes Aufwachen - riskante Situationen - Unfallgefahr - aggressives Schlafwandeln - Schlafwandel-Ursachen - Schlafwandel-Auslöser - Schlafwandeln und Mond - Schlafwandeln und andere Lichtquellen - Erbfaktoren - psychosoziale Folgen - Klassifikationsvorschläge: subklinische Manifestationsformen, abortive (unvollkommene) Verlaufsformen, klinisch voll ausgeprägte und aggressive Verlaufsformen des Schlafwandelns - Schlafwandeln durch Arzneimittel - Verwechslungsmöglichkeiten: Epilepsie (Schläfenlappen- oder Temporallappen-Epilepsie, psychomotorische Anfälle, komplex-fokale Anfälle), dissoziative Fugue - nächtliche Verwirrtheit beim älteren Menschen - Schlaf-Apnoe-Syndrom - vorgetäuschte Störung - Simulation - Sicherungsmaßnahmen - Therapie - Entspannungsverfahren - Psychotherapie - medikamentöse Behandlung - u.a.m.

Schlafwandeln: eine Form der Parasomnien

Schlafstörungen nehmen zu. Man spricht von mindestens jedem Vierten: Frauen mehr als Männer, Ältere mehr als Jüngere, Tendenz steigend. Doch zu den Schlafstörungen gehören nicht nur Ein- und Durchschlafstörungen sowie Früherwachen. Dazu zählen auch die sogenannten Hypersomnien, also die abnorme Tagesschläfrigkeit, das Schlaf-Apnoe-Syndrom, die Narkolepsie usw. Ferner Störungen des Schlafrhythmus, z.B. durch Schichtarbeit oder unvernünftige Lebensweise. Und die wohl spektakulärste Form der Schlafstörungen, die sogenannten Parasomnien. Das sind abnorme Ereignisse, die entweder während des Schlafes oder an der Schwelle zwischen Wachsein und Schlafen auftreten. Einzelheiten dazu siehe Kasten.

Parasomnien

- Schlafwandeln (Somnambulismus): komplexe Verhaltensweisen im Schlaf, vom einfachen Aufsetzen bis zur konkreten Tätigkeit im Haushalt. Am Schluss Erinnerungslosigkeit.

- Albträume: relativ langes, vor allem angstbesetztes Traumerleben mit plötzlichem Erwachen und furchtsamer Erinnerung an den schrecklichen Traum.

- Pavor nocturnus: abruptes nächtliches Aufschrecken aus dem Tiefschlaf mit massiven Ängsten, z.T. Schreien, Umsichschlagen, auf jeden Fall Schweißausbrüchen und Herzrasen; und nach dem Erwecken verwirrt, desorientiert und ohne Erinnerung.

- Bruxismus (Zähneknirschen): rhythmisches Aufeinanderpressen und Verschieben der oberen und unteren Zahnreihen mit ggf. Mahlgeräuschen und entsprechenden Zahnveränderungen.

- Enuresis nocturna: wiederholtes unwillkürliches Einnässen im Schlaf bzw. am Übergang vom Schlaf zum Wachsein.

- Schlaftrunkenheit: nicht jeder ist nach dem Erwachen aus dem Tiefschlaf sofort "da". Doch hier handelt es sich um eine über Minuten bis Stunden dauernde Verwirrtheit, ja zeitliche und örtliche Desorientierung sowie geistige und körperliche Verlangsamung. Und keine Erinnerung danach.

- Jactatio capitis nocturna: rhythmische stereotype Bewegungen, vor allem des Kopfes und Nackens, im Übergang vom Einschlafen zum leichten Schlaf.

- Einschlafmyoklonien: plötzliche, kurze Bewegungen der Beine, manchmal auch der Arme und des Kopfes während des Einschlafens.

- Nächtliche Beinkrämpfe: schmerzhafte muskuläre Verspannungen, vor allem in den Waden.

- Schlafparalyse: unfähig zur willkürlichen Körperbewegung während des Einschlafens oder nach dem Erwachen (also im Gegensatz zur Narkolepsie an bestimmte Zeitpunkte gebunden).

- Schlafbezogene schmerzhafte Peniserektionen: meist beim Erwachen aus dem Schlaf, in der Regel mit bestimmten Traumerinnerungen verbunden. Kein Lustempfinden, sondern Schmerzen.

Fachbegriffe

Die spektakulärste Parasomnie ist das Schlafwandeln. Wissenschaftlich wird es als Schlafstörung mit Schlafwandeln bezeichnet, aber auch als Somnambulismus oder Noctambulismus (vom lateinischen: somnus = Schlaf, nox = Nacht und ambulare = wandern). Weitere Begriffe sind Nachtwandeln, Mondsüchtigkeit, Lunatismus (vom lateinischen: luna = Mond) oder der veraltete Begriff der Oneirodynia activa (vom griechischen: oneiroid = traumähnlich).

Was heißt Schlafwandeln?

Schon der Begriff "Schlafwandeln" erklärt eigentlich alles. Wissenschaftlich hört es sich allerdings etwas umständlicher an. Am einfachsten lautet es noch: Schlafwandeln ist das Auftreten unbewusster psychomotorischer Aktivitäten während des Schlafs mit partieller Orientierung und retrograder Amnesie. Oder: Hauptmerkmal der Schlafstörung mit Schlafwandeln sind wiederholte Episoden komplexen motorischen Verhaltens im Schlaf. Oder kurz: Ungewöhnliche Bewegungsabläufe im Schlaf mit nur teilweiser Orientierung und anschließender Erinnerungslosigkeit. Einzelheiten siehe Beschwerdebild.

Wer ist am häufigsten betroffen?

Schlafwandeln mag zwar ein spektakuläres Phänomen sein, aber selten ist es nicht, vor allem im Kindesalter.

- Etwa 10 bis 30 Prozent aller Kinder (am häufigsten spricht man von 15 Prozent der 5- bis 12 Jährigen) sollen mindestens einmal in ihrem Leben von einer Schlafwandel-Episode betroffen sein. Tritt das Phänomen mehrfach auf, reduziert sich die Häufigkeit auf ein bis sechs Prozent in diesem Alter.

Meist beginnt es zwischen dem 4. und 6. Lebensjahr und verliert sich in etwa 70 bis 80 Prozent der Fälle bis zur Pubertät. Das heißt aber auch: In jungen Jahren kann sich das Schlafwandeln über mehrere Jahre hinziehen, unabhängig davon, ob es unregelmäßig oder dauernd auftritt.

- Im Erwachsenenalter findet man das Schlafwandeln kaum noch: einzelne Episoden zwischen ein und sieben Prozent, fortdauernd selten (keine exakten Zahlen verfügbar: etwa 1 bis 2,5 Prozent?).

Wer aber über Kindheit oder Jugend hinaus oder gar erstmals im Erwachsenenalter betroffen ist, sollte sich ggf. fachärztlich (psychiatrisch, neurologisch) untersuchen lassen (siehe später).

- Was die Geschlechtsverteilung anbelangt, so gibt es sowohl Hinweise darauf, dass beide Geschlechter gleich häufig betroffen sind als auch ein Überwiegen von Jungen gegenüber Mädchen.

Was ist beim Schlafwandeln alles möglich?

Dass das Schlafwandeln nicht nur aus einem nächtlichen "Umhergeistern" besteht, ist den meisten klar. Es ist ein komplexer Bewegungsvorgang, von dem man sogar annimmt, dass es gar keine einheitliche Störung sein dürfte. Doch das ist das Problem der Wissenschaft. Für die Allgemeinheit ist die Frage entscheidend: Mit was muss man rechnen? Die Antwort: mit vielerlei, je nach Vorgeschichte des Betroffenen, nach Alter, Verlauf, Intensität des Beschwerdebildes, ja sogar nach erblicher Belastung, psychosozialen Folgen usw.

Auf jeden Fall besteht das Schlafwandeln nicht nur aus jenen schlafwandlerischen Wanderungen, wie man sie aus den üblichen Darstellungen kennt. Es gibt auch durchaus subtilere (mildere, abgeschwächte) Formen - und die überwiegen sogar zahlenmäßig.

In leichteren Fällen (bisweilen als "verwirrtes Aufwachen" bezeichnet) setzt sich der Betroffene einfach nur im Bett auf, schaut offensichtlich ratlos, verwirrt oder desorientiert umher bzw. an die Decke, beginnt vielleicht zu nesteln, zu zupfen oder zu wischen, schiebt Kissen oder Bettzeug hin und her. Daran können sich dann allerdings halbwegs zielgerichtete Handlungen anschließen.

Im typischen Fall verlässt der Betroffene tatsächlich das Bett, geht an Schränke, öffnet Türen und Fenster (siehe später), verlässt das Zimmer, steigt Treppen hinauf und hinab, geht in Badezimmer oder Toilette u.a.

Meist pflegt dieser "Ausflug" bereits zu enden, bevor das eigentliche Stadium des Schlafwandelns erreicht ist. Es kann aber auch riskante Situationen geben, die man dann vorbeugend entschärfen muss (siehe später).

Während des Schlafwandelns mit stets offenen Augen (wobei direkter Augenkontakt eher vermieden wird) fällt der Betroffene vor allem durch sein ausdrucksloses, starres, fast maskenhaftes Gesicht oder gar durch einen verstörten Gesichtsausdruck auf. Auch seine Koordination (also die geordnete Bewegungsabstimmung) ist schlecht, entgegen der Meinung von der "schlafwandlerischen Sicherheit". Dennoch kann er im Wege stehenden Person oder Gegenständen ausweichen. Er ist jedoch keinesfalls vorsichtig und schon gar nicht sicher. Viel häufiger kommt es zum Stolpern oder gar zum Verlust des Gleichgewichts mit Anstoßen und Verletzungsgefahr (siehe später).

Wichtig zu merken: Es gibt keine "schlafwandlerische Sicherheit", jedenfalls nicht beim Schlafwandler. Im Gegenteil: Die Betroffenen sind während des Schlafwandelns und ganz besonders beim Aufwachen oder gar Aufwecken überaus gefährdet, je nachdem, wo sie sich gerade befinden.

Während des Schlafwandelns kann der Betreffende sogar sprechen oder Fragen beantworten. Dabei artikuliert er jedoch schlecht (schlechte Aussprache); ein echter Dialog ist selten. Auch plötzliches und scheinbar sinnloses Weglaufen und sogar verzweifelte Versuche, einer scheinbaren Gefahr zu entkommen, sind nicht auszuschließen. Auch kennt man Fälle, in denen Schlafwandler durchaus komplexe Handlungen aus- bzw. zu Ende führen, z.B. verschlossene Türen öffnen, Essen kochen (und sich dabei ggf. verbrennen), Fenster öffnen und hinausklettern (siehe oben), Türen aufschließen, ja, das Haus verlassen, Maschinen bedienen, einen Pkw anlassen u.a. Selbst abweichendes Verhalten (z.B. in einen Schrank urinieren) ist möglich.

Manche Schlafwandler essen auch nachts, können sich am nächsten Morgen aber an nichts erinnern und vor allem die Spuren ihrer nächtlichen Mahlzeit nicht deuten. Einige entwickeln sogar während ihrer Episode ein unbändiges Hungergefühl. Sie essen dann fast alles auf, was essbar und greifbar ist, gleichgültig in welcher Verfassung: z.B. Schokolade mit Staniolpapier, ungewaschenes oder erdverschmutztes Obst oder Gemüse, unzubereitete Salate u.a. Auch so kann das Wandeln u.U. beendet werden, nämlich wenn der Betroffenen etwas Essbares ertastet bzw. damit in sein Bett zurückgelotst wird.

Meist kehren die Schlafwandler aber ohnehin in ihr Bett zurück, ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben. Einige legen sich jedoch an fremder Stelle nieder, um ihren Schlaf fortzusetzen - und sich am nächsten Morgen erstaunt in fremder Umgebung wiederzufinden.

Bedeutsam ist dabei die Erkenntnis, dass sich der Schlafwandler meist geradeaus bewegt. Dies auch dann, wenn sein Weg zu Ende ist. Das kann zu Unfällen führen (Sturz von Balkon oder Feuerleiter, aus dem Fenster, von Mauer, Felsen oder Steg herab). Der Schlafwandler schaut nach vorne, ohne sich konkret orientieren zu können, auf was er sich hinbewegt. Wo seine begehbare Unterlage endet, geht er weiter - und stürzt ggf. ab. Das ist eine der größten Gefahren dieser Schlafstörung.

Die Absturzgefahr ist vor allem dann gegeben, wenn der Schlafwandler während seines Wandelns abrupt geweckt wird. Dies kann auch durch besorgte Zurufe geschehen. Der Betroffene wird dann plötzlich wach, sieht sich in ungewohnter Umgebung - und reagiert erschreckt und meist falsch.

Deshalb ist es wichtig, den Schlafwandler während des Wandelns in gefährlicher Umgebung so behutsam zu steuern, dass er wieder alleine ins Bett findet, auch wenn er sein Bewusstsein und die völlige Orientierung noch nicht erlangt hat.

Kurz: Schlafwandel-Episoden pflegen meist harmlos zu enden, indem der Betroffene wieder zurückfindet und seinen Schlaf bis zum Morgen fortsetzt. Beim Erwachen besteht - gleichgültig ob unmittelbar aus der Episode heraus oder erst am nächsten Morgen - keine Erinnerung mehr an das nächtliche Ereignis. Meist erinnert auch gar nichts mehr daran, es sei denn geöffnete Türen, verrückte Stühle oder andere Beweise dieser unbewussten Handlungen, zu denen allerdings nicht selten auch blaue Flecken, Prellungen oder gar Verbrennungen (Essen kochen) gehören können.

An manche Episoden bestehen noch vage Erinnerungen. Bisweilen wird auch von unzusammenhängenden Traumbildern berichtet, nur selten aber von richtigen Traumgeschichten.

Schlafwandeln: wann, wo, wie lange

Schlafwandlerische Episoden sind kurz und dauern meist nur einige Sekunden, bisweilen Minuten, maximal eine halbe Stunde. Längere Episoden sind ungewöhnlich.

Die Ursachen des Schlafwandelns lösen noch immer kontroverse wissenschaftliche Diskussionen aus. Wahrscheinlich gibt es kein einheitliches Erklärungsmuster, was schon die unterschiedlichen Ausgangs- und Verlaufsformen nahe legen. Entsprechende Untersuchungen zeigen auf jeden Fall, dass das Schlafwandeln innerhalb der ersten Stunden beginnt, also in der Regel im ersten Drittel der Nacht und während des Tiefschlafs.

Bestimmte organische Reize (z.B. eine gefüllte Blase) oder äußere Beeinträchtigungen (z.B. Lärm) können die Neigung zum Schlafwandeln erhöhen. Dasselbe gilt für psychosoziale Belastungen sowie den Konsum von Alkohol und bestimmten Medikamenten (siehe später). Fiebrige Erkrankungen (vor allem im Kindesalter) sowie Ermüdung und Stress können ebenfalls bahnend wirken. Auch scheint es einen Zusammenhang zwischen Schlafwandeln und Migräne-Neigung gegeben.

Besonders hoch ist das Verletzungsrisiko dann, wenn der Betreffende noch zusätzlich unter Pavor nocturnus zu leiden hat, also unter diesem Einfluss zu fliehen oder sich zu wehren versucht (siehe Kasten). Dann können auch die sonst friedlichen Schlafwandler einmal andere verletzen.

Das führt zu der Frage: Können Schlafwandler auch einmal körperliche Gewalttaten ausüben? Offensichtlich ja, wie (allerdings nur vereinzelte) Beispiele zeigen. Solche spektakulären Handlungen sind jedoch extrem selten. In der Regel gefährdet sich der Schlafwandler vor allem selber, kaum andere.

Pavor nocturnus

Dramatische Schlafstörung im Rahmen der Parasomnien: abruptes nächtliches Aufschrecken aus dem Tiefschlaf mit massiven Angstreaktionen, d.h. schreien, schwitzen, Gesichtsrötung, Herzrasen, weiten Pupillen u.a. Dabei keine Reaktion auf Ansprache, verwirrt und desorientiert nach dem Erwecken, weitgehende Erinnerungslosigkeit für das nächtliche Ereignis.

Bei Kindern nicht selten und dann auch abklärungsbedürftig. Bei Erwachsenen nur noch in Extremfällen. Dann auf jeden Fall ärztliche Kontrolle.

Spielt der Mond eine Rolle?

Schlafwandeln wird nicht umsonst auch als Mondsüchtigkeit (Fachausdruck: Lunatismus) bezeichnet. Und die meisten Anekdoten und bildhaften Schilderungen unterstützen dies. Was ist daran richtig?

Beim Schlafwandeln scheinen auch biorhythmische Aspekte eine Rolle zu spielen, also möglicherweise sogar der Einfluss des Mondes. Rein äußerlich ist erst einmal das Vorhandensein einer Lichtquelle wichtig. Davon scheint der Schlafwandler richtig "fasziniert" zu sein. Oder besser: er schien.

Tatsächlich bewegten sich viele Schlafwandler in jenen Zeiten, in denen der Mond die wichtigste Lichtquelle in der Nacht war, in seine Richtung, wie alle bildlichen Darstellung zeigen. Das z.T. waghalsige Klettern auf Dächer, Balkone, Mauern oder Berge war der Versuch, dem Mondschein näher zu kommen.

Heute spielt der Mond keine herausragende Rolle mehr, ist er doch in einer üblichen Wohngegend nur ein Helligkeitsfaktor unter vielen. Deshalb bewegt sich der "moderne" Schlafwandler nicht mehr in seiner, sondern in jene Richtung, die die stärkeren Lichtquellen aufweist, weil sie näher, intensiver und leichter erreichbar ist.

Das Streben nach einer Lichtquelle, ob Mond, Straßenlampe oder Lichtreklame, muss mit der Suche nach vollkommener Orientierung zu tun haben. Denn der Schlafwandler - dies wurde schon mehrfach betont - kann sich zwar während seiner Episode fortbewegen, doch ist seine Orientierung relativ mangelhaft. Deshalb ist er auf Äußerlichkeiten angewiesen, z.B. eine richtungsweisende Lichtquelle.

Ist Schlafwandeln erblich?

Schlafwandeln scheint eine sogenannte genetische Prädisposition aufzuweisen, d.h. es tritt in manchen Familie gehäuft auf. Kommen Schlafwandeln und nächtliche Ängste zusammen, dann findet sich das bei entsprechend exakter Untersuchung auch in der Vorgeschichte der Angehörigen bei bis zu 80 Prozent. Annähernd 10 bis 20 Prozent haben einen biologischen Verwandten 1. Grades, der ebenfalls unter dieser Schlafstörung leidet. Sind beide Eltern betroffen, erhöht sich das Risiko auf bis zu 60 Prozent für die Nachkommen.

Eine genetische (erbliche) Übertragung ist also nicht auszuschließen, auch wenn der exakter Vererbungsmodus noch nicht bekannt ist.

Wie verläuft die schlafwandlerische Störung?

Wie bereits erwähnt, kann das Schlafwandeln zu jeder Zeit auftreten, auch erstmals im Erwachsenenalter. Im Allgemeinen muss damit gerechnet werden, sobald das Kind laufen gelernt hat. Oft scheint es erstmals zwischen 4 und 8 Jahren auszubrechen, wobei der Häufigkeitsgipfel bei etwa 12 Jahren liegt. In der Mehrzahl der Fälle legt sich das dann wieder bis zur Pubertät.

Mitunter kann sich das Schlafwandeln aber bis ins 20. Lebensjahr oder gar später fortsetzten. Manchmal sind solche somnambulen Episoden bereits erloschen, werden aber durch belastende Einflüsse wieder belebt (z.B. Stress, Überforderung, Erkrankung). Die meisten sind aber etwa ab dem 20. Lebensjahr symptomfrei.

Im Gegensatz zum kindlichen Schlafwandeln, das beobachtet und in seinen Folgen abgesichert, aber in der Regel nicht mit allen Mitteln abgeklärt werden muss, braucht eine erstmalige Episode im Erwachsenenalter unbedingt eine fachärztliche Untersuchung (siehe später). Setzt sich das Schlafwandeln im Erwachsenenalter fort, droht ohnehin ein chronischer (fortdauernder), zumindest aber zu- und abnehmender Verlauf über einen mittel- bis längerfristigen Zeitraum.

Die psychosozialen Folgen des Schlafwandelns

Schlafwandeln in Kindes- und auch Jugendalter hat meist keine ernsteren Folgen. Man darf sich aber auch nicht dessen sicher sein. Einerseits kann es zu leichteren Verletzungen (z.B. Prellungen, Platzwunden, Verstauchungen, Verbrennungen) führen, durchaus auch zu ernsteren Unfällen (wenngleich ein folgenreicher Absturz sicher zu den Seltenheiten gehört).

Andererseits sollte man vor allem die psychologischen Aspekte und insbesondere die psychosozialen Konsequenzen nicht unterschätzen. Schlafwandeln ist immerhin ungewöhnlich und kann durchaus peinliche Folgen nach sich ziehen. Deshalb werden im Laufe der Zeit auch Situationen gemieden, in denen diese "spektakuläre Störung" auffallen könnte, z.B. Besuche, Zelten, Übernachten. Bei längerer Erkrankungsdauer können sich somit bei ursprünglich unauffälligen Betroffenen zusätzlich neurotische Reaktionen ergeben. Dies betrifft vor allem den erwachsenen Schlafwandler, denn ihm sieht man das noch weniger nach.

Außerdem sind nicht nur gelegentlich "unappetitliche" Folgen (z.B. Urinieren in eine Ecke), sondern auch gewaltsame Handlungen nicht auszuschließen (das eine mehr in der Kindheit, das andere vor allem bei Erwachsenen).

Besonders wenn - wie bereits erwähnt - Schlafwandeln und Pavor nocturnus, also heftige nächtliche Angstzustände, wenn nicht gar Panikreaktionen zusammenfallen und der Betroffene mit "sanfter Gewalt", aber ohne ausreichende Kenntnis der Situation "beruhigt" werden soll, kann es schon einmal zu ernsteren Auseinandersetzungen mit entsprechenden Folgen kommen (Verletzung der Angehörigen, Zerstörung von Mobiliar).

Zur - allerdings überaus seltenen - Möglichkeit körperlicher Gewalttaten während des Schlafwandelns siehe oben. Auch gibt es in der Tat Einzelfall-Schilderungen, bei denen der (wahrscheinlich schon von der Persönlichkeitsstruktur her rabiate) Schlafwandler die gesamte Nachbarschaft aus ihren Wohnungen hinauszuwerfen versuchte. Auch Selbstverstümmelungen scheinen nicht ausgeschlossen (siehe aggressive Verlaufsform des Schlafwandelns).

Klassifikationsvorschläge

Bisher gibt es keine allseits anerkannte bzw. einheitliche Theorie zur Krankheitsursache und deshalb auch keine entsprechende Klassifikation. Rein praxisbezogen kann man aber nach dem Ausprägungsgrad dieser Schlafstörung folgende Einteilung treffen (nach Jovanovic):

1. Sogenannte subklinische Manifestationsformen: Hier zeigen sich lediglich entsprechende Hinweise im Elektroenzephalogramm (EEG), Elektrookulogramm (EOG), Elektrokardiogramm (EKG) oder Elektromyogramm (EMG). Solche Befunde sollten mit den "richtigen" Schlafwandlern nur dann in Verbindung gebracht werden, wenn sich bei der gleichen Person eines Tages auch wirklich somnambule Episoden nachweisen lassen.

2. Die abortive (unvollkommene) Verlaufsform des Schlafwandelns beschränkt sich auf das Bett. Meist setzen sich die Betreffenden auf, schauen sich um und sprechen sogar einige bisweilen geordnet erscheinende, aber schwer verständliche Worte.

3. Die klinisch voll ausgeprägte, aber nicht folgenschwere Form des Schlafwandelns zeigt das übliche Beschwerdebild, wie oben dargelegt, einschließlich möglicher Verletzungsfolgen für den Betroffenen selber. Im Allgemeinen geht das Schlafwandeln jedoch gut aus.

4. Die aggressive Verlaufsform des Schlafwandelns hingegen kann unvorhersehbare, ja dramatische Ausmaße annehmen. Auch wenn sie selten ist, können solche Schlafwandler gegenüber Personen, die ihnen helfen wollen oder auch nur ahnungslos im Wege stehen, gewalttätig werden. Allerdings pflegen sie ohne Eingreifen der Umgebung von sich aus nur selten Gewalt anzuwenden. Ungewöhnliche Ausnahme siehe oben.

Wie kommt das Schlafwandeln zustande?

Schlafwandeln tritt während der Haupttiefschlafphasen im ersten Drittel der Nacht auf. In sogenannten polysomnographischen Untersuchungen, die neben den routinemäßigen Aufzeichnungen (EEG, EKG, EOG, EMG u.a. - siehe oben) auch audiovisuelle Ableitungen aufnehmen, lassen sich Schlafwandel-Episoden relativ sicher nachweisen. Die Fachleute sprechen von einer Störung des Arousal-Prozesses (allgemeiner Begriff für die Weckreaktion, im Speziellen die durch bestimmte Reizung hervorgerufene Desynchronisierung der Gehirnrinde). Dabei soll es aus dem Tiefschlaf heraus zu einer unvollständigen Weckreaktion kommen, die sich in somnambulischen Handlungen äußert, ohne dass der Schläfer dabei vollständig wach wird.

Die Ursache liege im Kindes- und Jugendalter in einer Unreife des Zentralen Nervensystems, die sich meist mit dem Eintritt der Pubertät "auswachse". Deshalb - so die Experten - könne man beim Schlafwandeln im Kindes- und Jugendalter in der Regel auch nicht von einer ernsteren seelischen Störung sprechen (obgleich natürlich beides zusammenfallen kann: Unreife bestimmter Gehirnstrukturen und z.B. neurotische Entwicklung).

Im Erwachsenenalter kann man dann aber nicht mehr (ausschließlich) von einer biologischen Ursache ausgehen. Hier schieben sich seelische Störungen in den Vordergrund (siehe unten).

Da das Schlafwandeln aus dem Tiefschlaf heraus erfolgt, kann es sich nicht um das Ausleben von Träumen handeln, auch wenn mitunter Traumbruchstücke (aber nie zusammenhängende Traumgeschichten) erinnert werden.

Kulturabhängige Unterschiede in der Art des Schlafwandelns gibt es offenbar nicht.

Beim Fortdauern des Schlafwandelns bis in Erwachsenenalter hinein und noch ausgeprägter beim erstmaligen Ausbrechen jenseits des 20. Lebensjahres scheint eine psychopathologische (seelisch krankhafte) Komponente eine (zunehmende) Rolle zu spielen. Gesprochen wird von erhöhter Aggressivität, von hypomanischen (maniformen) Zügen (leicht bis mittelstark ausgeprägte krankhafte Hochstimmung) sowie einer Neigung, innerseelische Konflikte ungesteuert nach außen abzuführen.

Wenn dies auch erst einmal nur Schlagworte sind, scheint es sich dennoch zu lohnen, wenn der erwachsene Schlafwandler nach einer neurologischen Abklärung (siehe später) einen in dieser Hinsicht erfahrenen Psychiater oder Psychologen zu Rate zieht. Dies besonders dann, wenn die Folgen Lebensqualität, Partnerschaft und Leistung zu beeinträchtigen drohen.

Arzneimittel und Schlafwandeln

Neben seelischen Störungen pflegen aber im Erwachsenenalter auch bestimmte Arzneimittel von Bedeutung zu sein. Daran sollte man vor allem dann denken, wenn das Schlafwandeln ausgeprägtere Formen bis hin zur Selbst- und Fremdverletzungsgefahr anzunehmen droht.

Dabei werden besonders sogenannte zentralnervös wirkende Medikamente verdächtigt (siehe Kasten). Das sind Substanzen mit Wirkung auf das Zentrale Nervensystem bzw. Seelenleben, in diesem Falle vor allem Antidepressiva (stimmungsaufhellende Arzneimittel gegen Depressionen), Neuroleptika (antipsychotisch wirkende Arzneimittel gegen Geisteskrankheiten) sowie Tranquilizer vom Typ der Benzodiazepine (also Beruhigungsmittel).

Arzneimittel, die mit Schlafwandeln in Verbindung gebracht werden

Antibiotika

Schlafmittel

Ciprofloxacin

Chloralhydrat

Clarithromycin

Zolpidem
Zopiclon

Antidepressiva

Amitriptylin

Phasenprophylaktika

Doxepin

Lithium

Sertralin

Benzodiazepin-Tranquilizer und -Schlafmittel

Neuroleptika

 

Chlorpromazin

Bromazepam

Chlorprothixen

Flunitrazepam

Haloperidol

Midazolam

Perphenazin

Temazepam

Thioridazin

Triazolam

Sonstige

Ketotifen

Pravastatin

Propranolol

Nach arznei-telegramm 4 (2001) 48 (dort auch Handelsnamen)

Die Behandlung der Wahl bei entsprechend unklaren Fällen wäre also das Ausschleichen oder Absetzen der verdächtigten Arzneimittel, allerdings nur unter fachärztlicher Kontrolle (z.B. Psychiater, Nervenarzt). Am stärksten gefährdet sind offenbar jene Personen, die bereits als Kinder schlafwandelten und später solche Arzneimittel nehmen mussten. Wer also ein fortlaufender Schlafwandler zu sein scheint, sollte erst einmal unter ärztlicher Kontrolle seine Medikamente prüfen.

Was kann mit Schlafwandeln verwechselt werden?

Vielleicht hört es sich sonderbar an, aber es ist gar nicht so einfach, die richtige Diagnose des Schlafwandelns zu stellen, wenn man alles berücksichtigt, was es sonst noch sein könnte. Als erstes hat man also lediglich eine Verdachtsdiagnose. Dann muss man alles andere ausschließen, was ähnlich wirken könnte. Und das ist nicht wenig. Um was handelt es sich?

- Epilepsie: Auch die Epilepsie ist nicht gleich Epilepsie, d.h. ein ausschließlich großer und ggf. erschreckender Krampfanfall. Eine gar nicht so seltene Unterform, nämlich die früher als Schläffenlappen-(Temporallappen-)Epilepsie bezeichnete Form mit psychomotorischen Anfällen (s.u.), heute komplex-fokale Anfälle genannt, zeigt ebenfalls einen komplexen Ablauf, kann während der Nacht auftreten und an Schlafwandeln erinnern. Im typischen Fall lassen sich dabei folgende Stadien erkennen: Beginn mit einer Aura (Anfangsstadium): Wärme- oder Beklemmungsgefühl von der Magengegend zum Hals aufsteigend, bisweilen Geruchs- und Geschmacks-Sinnestäuschungen, ein Gefühl der Entfremdung oder unbestimmten Vertrautheit gegenüber der Umgebung, Raffung oder Dehnung des Zeiterlebens, Veränderungen von Stimmung und Sinneswahrnehmung u.a. Dann kann es zur Bewusstseinstrübung kommen, wobei in der Mehrzahl der Fälle aber eine gewisse Reaktionsfähigkeit erhalten bleibt. Auch hier ist die Dauer nur kurz, nämlich eine halbe bis zwei Minuten. Während dieser Zeit zeigen sich stereotype (immer gleiche) Bewegungen oder objektbezogene Handlungsabläufe, meist sogenannte orale Automatismen (Kauen, Schlucken, Schmatzen, Lippenlecken, Grunzen, Brummen) oder Herumnesteln, Auf- und Zuknöpfen, Gegenstände hin- und herschieben, mit den Fingern trommeln u.a.

In diesem Zustand können die Betroffenen von einem Fuß auf den anderen treten oder ziellos im Zimmer hin- und herlaufen. Das vor allem kann an Schlafwandeln erinnern. Manchmal werden sogar größere Strecken zurückgelegt und in seltenen Fällen wird aktiv oder passiv am Verkehr teilgenommen.

Ein wichtiger Unterschied aber ist der, dass diese Epilepsie-Kranken bei nächtlichen Anfällen fast nie in ihre Betten zurückkehren, wie das meist beim Schlafwandler zu finden ist. Auch reagieren Epileptiker nicht auf Umgebungsreize. Ihre Anfallsleiden sind auch tagsüber möglich, mit den gleichen sonderbaren Folgen.

Die definitive Entscheidung trifft das Elektroenzephalogramm (EEG). In besonders komplizierten Fällen können natürlich die komplex-fokale Anfälle zusammen mit dem Schlafwandeln vorkommen.

- Dissoziative Fugue: Auch das ist ein relativ seltenes, aber kompliziertes und vor allem ungewöhnliches Krankheitsbild. Früher nannte man es Poriomanie oder psychogene Fugue bzw. - begrifflich verständlicher - krankhaftes Fortlaufen oder krankhafter Wandertrieb. Heute zählt man es zu den dissoziativen oder Konversions-Störungen, früher als Konversionsneurose oder Hysterie klassifiziert (vom lateinischen: conversio = Wendung, also Versuch einen verdrängten seelischen Konflikt im Rahmen der krankhaften Körpersprache in ein körperliches Symptom umzusetzen).

Kennzeichen ist ein zielloses, dranghaftes Weglaufen über Stunden oder Tage, weg von zu Hause oder vom Arbeitsplatz, wobei sich die betroffene Person aber geordnet verhält und auch mit allen Aufgaben zurechtkommt (Essen, Waschen, Kauf von Fahrkarten oder Benzin, Bestellen von Mahlzeiten u.a.). Meist in den Entwicklungsjahren, seltener im Kindesalter.

Entscheidend sind die psychologischen Hintergründe (oft belastetes Eltern-Kind-Verhältnis) sowie anschließend eine völlige Erinnerungslosigkeit. Gewisse Ähnlichkeiten lassen sich also zum Schlafwandeln schon finden. Allerdings treten diese Phänomene - wie erwähnt - nur selten bei Kindern auf, beginnen typischerweise im Wachzustand, dauern Stunden bis Tage (und nicht nur Minuten) und sind nicht durch Störungen des Bewusstseins charakterisiert.

- Nächtliche Verwirrtheit bei älteren Menschen: Hier handelt es sich zumeist um eine Demenz, also einen erworbenen Schwachsinn im höheren Lebensalter (also auch kein typisches Schlafwandeln in jungen Jahren). Außerdem ist dieses "Umhergeistern" über die ganze Nacht verteilt (und nicht nur an die ersten Schlafstunden gebunden). Und auch sonst finden sich charakteristische Hinweise auf eine Demenz mit entsprechenden Orientierungsschwierigkeiten tagsüber. Labormäßig (z.B. EEG) gut vom Schlafwandeln abzugrenzen.

- Schlaftrunkenheit: Darunter versteht man eine verlängerte Übergangszeit vom Schlaf zur klaren Bewusstheit, d.h. der Betroffene braucht überdurchschnittlich viel Zeit, um nach dem Erwachen wieder völlig munter zu werden. Während dieser Phase sind Desorientierung und eine gewisse Bewegungsunsicherheit möglich. Es kann deshalb zu einer Verwechslung mit dem Schlafwandeln kommen, besonders wenn eine solche Person nur mit Mühe geweckt werden kann oder sich entsprechenden Aktionen heftig widersetzt. Schlaftrunkenheit tritt jedoch grundsätzlich nach dem Erwachen auf und ist oft mit aggressivem Verhalten verbunden. Allerdings kann mitunter beides vorkommen: Schlafwandeln und verwirrt-aggressives Aufwachen bzw. Schlaftrunkenheit.

- Schlaf-Apnoe-Syndrom: Auch die atmungsgebundene Schlafstörung des obstruktiven Schlaf-Apnoe-Syndroms (nachts unruhiger Schlaf mit lautem und unregelmäßigem Schnarchen, ständigen Atempausen, tags schläfrig, abgeschlagen, Wesensänderung, meist Übergewicht) kann ebenfalls verwirrtes Aufwachen und nachfolgende Erinnerungslosigkeit hervorrufen. Charakteristisch aber sind das laute Schnarchen, die Atempausen und die Tagesschläfrigkeit (und oft das Übergewicht, was meist zur "schnarch-anfälligen" Rücklage zwingt).

- Pavor nocturnus: Abruptes nächtliches Aufschrecken aus dem Tiefschlaf mit massiven Angstreaktionen, ggf. lautem Schrei, Schwitzen, Verwirrtheit, Desorientierung und Erinnerungslosigkeit. Wenn die Folge eine angstvolle "Flucht" ist, kann das in manchen Fällen an Schlafwandeln erinnern. Häufiger aber ist die Kombination aus Schlafwandeln und Pavor nocturnus (siehe oben).

- Schlafwandeln durch Arzneimittel: Einzelheiten siehe oben mit der entsprechenden Tabelle.

- Vorgetäuschte Störung oder Simulation: Bei der vorgetäuschten Störung handelt es sich um ein zwar altes ("Münchhausen-Syndrom"), aber weitaus komplizierteres Phänomen, als allgemein angenommen. Im Gegensatz zur reinen Simulation (siehe später) sind vorgetäuschte Störungen zwar durch körperliche oder psychische Symptome charakterisiert, die vom Patienten absichtlich und unter willentlicher Kontrolle erzeugt oder vorgetäuscht werden. Andererseits haben diese Handlungen auch eine zwanghafte Qualität, denn der Betreffende ist unfähig, dieses Verhalten zu unterlassen, selbst wenn damit unangenehme Konsequenzen bis Gefahren verbunden sind.

Eine Simulation ist dagegen der willentlich gesteuerte Täuschungsversuch eines psychisch Gesunden, um zu irgendwelchen Vorteilen zu gelangen, was jederzeit unterbrochen werden kann, wenn es die Bedingungen erfordern.

In beiden Fällen kann man sich vorstellen, dass es ohne entsprechende Untersuchungen (z.B. Schlaflabor mit EEG u.a.) schwierig werden kann, das Schlafwandeln von einer vorgetäuschten Störung oder gar reinen Simulation zu unterscheiden. Häufig dürfte aber ein vorgetäuschtes bzw. gezielt simuliertes Schlafwandeln nicht sein.

Sicherungsmaßnahmen und Therapie

Schlafwandeln in Kindheit und auch Jugend sind in der Regel harmlos und pflegen sich um die Pubertät herum zu verlieren. Das Wichtigste ist also die Aufklärung, vor allem für die beunruhigten bis mitunter entsetzten Angehörigen nach dem zumindest ersten Schlafwandeln des Kindes.

Schlafwandeln ist also - von möglichen Konsequenzen abgesehen - kein ernsteres Leiden. Übertriebene Sorge pflegt nur zu schaden.

Das Wichtigste ist erst mal die richtige Reaktion der Umgebung. Wie bereits erwähnt, darf man den Schlafwandler nicht durch brüskes Anrufen oder gar Aufwecken, vor allem in ungewohnter oder riskanter Umgebung unnötig in Gefahr bringen. Man muss ihn behutsam steuern und wieder ins Bett zurückgeleiten, was im Einzelfall nicht ganz problemlos zu sein pflegt. Doch in der Mehrzahl der Fälle gelingt es irgendwie immer.

Aber auch im harmlosen Falle können Sicherungsaspekte nicht schaden:

- Manchmal hilft es im Schlafzimmer oder auf dem Flur ein (kleines) Licht anzulassen.

- Auch kann es sich als notwendig erweisen, bestimmte Fenster und Balkon- und Außentüren zu verschließen, Hindernisse zu entschärfen (einschließlich sich leicht aufrollende Teppiche oder Brücken), zerbrechliche Gegenstände aus dem Weg zu räumen u.a.

- In einer fremden Umgebung, also während Urlaub, Umzug usw. sind solche Maßnahmen besonders wichtig. Gelegentlich ist zu Hause auch ein Bett in Bodenhöhe sinnvoll, um gefährliche Stürze zu vermeiden.

Bei gehäuftem Schlafwandeln kann es sinnvoll sein, einen Kinder- und Jugendpsychiater zu konsultieren. Dieser wird dann sowohl die notwendigen neurologischen (z.B. EEG) als auch psychotherapeutische Maßnahmen in die Wege leiten. Grundsätzlich sinnvoll ist es, Stress, seelische Überforderungsreaktionen und ständige Übermüdung zu vermeiden und deshalb rechtzeitig Entspannungsverfahren zu lernen (Autogenes Training, Yoga, Progressive Muskelrelaxation). Darüber hinaus die üblichen Maßnahmen zur Schlafhygiene, z.B. die Einhaltung eines regelmäßigen Schlaf-Wach-Rhythmus und das Ausschalten aller Faktoren, die eine Zunahme des Tiefschlafs bewirken (wo sich ja bekanntlich das Schlafwandeln abspielt).

Auch verhaltenstherapeutische Techniken haben sich bewährt. Desgleichen das sogenannte "antizipatorische"(vorwegnehmende) Erwecken, etwa 10 bis 15 Minuten vor dem üblichen Schlafwandeln-Zeitpunkt (der sich mitunter zu einer bestimmten Uhrzeit einpendeln kann).

Zur medikamentösen Behandlung werden in der Literatur Antiepileptika wie Clonazepam, Beruhigungsmittel wie Diazepam, Antidepressiva wie Imipramin und Psychostimulanzien empfohlen, die alle tiefschlafreduzierend wirken (siehe oben). Allerdings hat man damit nicht bei jedem Schlafwandler Erfolg.

Erwachsene Schlafwandler, die ja nicht selten mit seelischen Störungen zu ringen haben, sollten sich einem Psychiater anvertrauen. Dort empfiehlt sich eine Kombination von Psychotherapie (teils gesprächspsychotherapeutisch, teils verhaltenstherapeutisch, wenn notwendig auch tiefenpsychologisch-analytisch orientiert) und - als Gesamtbehandlungsplan offenbar am günstigsten - eine zusätzliche Pharmakotherapie (siehe oben). Vielversprechende Einzelfallberichte liegen auch für hypnotherapeutische Verfahren vor.

LITERATUR

So spektakulär und damit interessant das Schlafwandeln auch sein mag, es gibt im deutschsprachigen Bereich wenig Fachliteratur dazu, und in allgemeinverständlicher Form noch weniger. Nachfolgend einige Hinweise:

APA: Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen - DSM-IV. Hogrefe-Verlag für Psychologie, Göttingen-Bern-Toronto-Seattle 1998

Berger, M. (Hrsg.): Handbuch des normalen und gestörten Schlafs. Springer-Verlag, Berlin-Heidelberg-New York 1992

Clarenbach, P. und Mitarb. (Hrsg.): Schering Lexikon Schlafmedizin. MMV Medizin-Verlag, München 1991

Faust, V. (Hrsg.): Schlafstörungen. Häufigkeit - Ursachen - Schlafmittel - nichtmedikamentöse Schlafhilfen. Hippokrates-Verlag, Stuttgart 1985

Faust, V., G. Hole: Der gestörte Schlaf und seine Behandlung. Schlaf - Schlafstörung - nichtmedikamentöse Schlafhilfen - Schlafmittel. Universitätsverlag Ulm, Ulm 1992 (dort auch ausführliches weiterführendes Literaturverzeichnis)

Jovanovic, U. J.: Somnambulismus. In: V. Faust (Hrsg.): Schlafstörungen. Hippokrates-Verlag, Stuttgart 1985

Meier-Ewert, K., H. Schulz (Hrsg.): Schlaf und Schlafstörungen. Springer-Verlag, Berlin-Heidelberg-New York 1998

Riemann, D.: Die Parasomnien. In: M. Berger (Hrsg.): Handbuch des normalen und gestörten Schlafs. Springer-Verlag, Berlin-Heidelberg-New York 1992

Schulz, H. (Hrsg.): Kompendium Schlafmedizin. ecomed-Verlag, Landsberg 1997

Bei allen Ausführungen handelt es sich um allgemeine Hinweise.
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