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UMWELTKRANKHEIT aus psychiatrischer Sicht

Multiple chemische Sensitivität (MCS) - umweltbezogene Gesundheits­störung - „Öko-Syndrom“ - idiopathische umweltbedingte Intoleranz (IEI) - u.a.

Immer mehr Menschen fühlen sich von einer wachsenden Zahl von Umwelt­belastungen gesundheitlich bedroht. Die meisten halten sich erst einmal un­sicher zurück, zumal sie auch wenig Hoffnung haben, konkrete Hilfe zu finden. Eine wachsende Zahl von Betroffenen aber fühlt sich derart beeinträchtigt, ja bedroht, dass sie sich hilfesuchend an die entsprechenden (meist ärztlichen) Institutionen wendet. Dafür gibt es inzwischen auch spezialisierte Ambulanzen bzw. umwelt-medizinische Zentren, die sich einer solchen Multiplen chemi­schen Sensitivität (Umweltkrankheit, umweltbezogene Gesundheitsstörung, umweltbedingte Intoleranz, „Öko-Syndrom“) annehmen.

Nach deren Statistik betrifft es vor allem relativ viel Frauen, Menschen jenseits des 50. Lebensjahrs, überdurchschnittlich viel Ledige und solche mit höheren Schulabschlüssen (und einer gerade auf diesem Gebiet erstaunlichen Vorbil­dung), aber auch mit einer Fülle unspezifischer Beschwerden belastet (meist Kopf, Herz, Magen-Darm, Haut, Schleimhäute u.a.).

Häufig finden sich aber auch offensichtlich bahnende psychosoziale Faktoren, die eine mögliche Über-Anfälligkeit erst richtig zum Ausbruch bringen: Stress, depressive oder Angst-Reaktionen, zwischenmenschliche Belastungen, beruf­liche Überforderung, bisweilen auch unerkannte seelische Störungen (Depres­sionen, Angsterkrankungen, psychosomatische Beeinträchtigungen).

Deshalb ist es mitunter sehr schwer, die Betroffenen davon zu überzeugen, dass es sich hier um ein Phänomen auf mehreren Ebenen handeln kann: umweltbedingt, körperlich, seelisch, psychosozial. Die meisten wollen den in ihren Augen „schuldigen“ Auslöser diagnostiziert und „abgestellt“ haben. Das ist nur selten möglich. Der Versuch der Fachleute, die subjektiv belastende bis quälende Beeinträchtigung über mehrere therapeutische Schritte hinweg an­zugehen, wird leider oft abgelehnt, wenn es sich um vermutete psychosoziale Ursachen handelt („ich lasse mich doch nicht psychiatrisieren“). Dadurch sind gerade den psychiatrischen und psychotherapeutischen Experten die Hände gebunden, der Erfolg lässt zu wünschen übrig, die Enttäuschung steigt und es beginnt dass, was man ein kostspieliges und letztlich unnützes „doctor-shop­ping“ nennt - besonders zum Nachteil der Hilfesuchenden.

Deshalb ist es so wichtig, dass man sich nicht nur über die umweltbedingten Ursachen, sondern auch über mögliche psychologische Hintergründe kundig macht. Es ist keine Diskriminierung, in einer immer komplexer werdenden Umwelt nicht nur chemische oder technische Belastungsfaktoren, sondern auch die individuelle seelische und körperliche Belastbarkeit in eine dann er­folgreichere Diagnose- und Behandlungsstrategie einzubinden.

Die Menschen in der westlichen Welt, insbesondere in den so genannten Zivilisations- bzw. Industrie-Nationen entwickeln in gesundheitlicher Hinsicht ein zwiespältiges und damit folgenreiches Reaktionsspektrum. Dies ist vor allem von zwei Hauptströmungen kennzeichnet: Erstens eine oft sorglose Gesundheitseinstellung, was (Über-)Gewicht, d. h. Ernährungsverhalten, kör­perliche Aktivität, Genussgifte (Alkohol, Nikotin), ja sogar Rauschdrogen­konsum und Medikamenten-Abhängigkeit anbelangt. Und zweitens eine wachsende (Über-)Empfindlichkeit gegenüber möglichen umweltbezogenen Gesundheitsstörungen, meist chemischer Art, in letzter Zeit vermehrt auch elektro-physiologisch u.a. geprägt (Hochspannungsleitungen, Atomkraftwerke, Mobilfunkanlagen u.a.).

Diese Einstellung ist nicht neu und die „modernen“ Umwelt-Belastungen zum Teil auch schon Jahrzehnte alt. Doch die Reaktionen darauf nehmen inzwi­schen so konkrete Formen an, dass man sich in Wissenschaftskreisen dazu entschlossen hat, diesem Problem gezielt auf den Grund zu gehen bzw. (bis­her erst einmal überwiegend theoretisch konzipierte) Leidens-Reaktionen oder gar Krankheiten anzunehmen, Diagnosen zu entwickeln und Therapie-Maßnahmen zu diskutieren. Deshalb werden immer häufiger spezialisierte Forschungs-Zentren gegründet, die sich auf das Experten-Wissen verschiede­ner Fachrichtungen stützen, um endlich zu fundierten Erkenntnissen zu kommen.

Eine wichtige, offenbar langsam führende Rolle, was die entsprechenden Belastungen bzw. Klagen anbelangt, nimmt hierbei die Multiple chemische Sensitivität ein. Man nennt sie auch Umweltkrankheit, umweltbezogene Gesundheitsstörung, idiopathische (d. h. von der Ursache her derzeit nicht er­klärbare) umweltbedingte Intoleranz (IEI) sowie - wahrscheinlich ein wenig ironisierend gemeint - „Öko-Syndrom“. Der internationale Fachbegriff lautet: multiple chemical sensitivity - MCS.

Nachfolgend ein komprimierter Beitrag zur globalen Übersicht, was den derzeitigen Wissensstand aus psychiatrischer Sicht betrifft, weil „harte“, d. h. wissenschaftlich verlässliche Daten bisher fehlen, obgleich es bereits umwelt­medizinische Zentren gibt, die sich nicht nur psychiatrisch-psychologisch, sondern - wie erwähnt - interdisziplinär (d. h. durch mehrere Fachgebiete vertreten) solchen Fragestellungen ausführlich annehmen. Beispiele: Aachen, Berlin, Bredstedt, Freiburg, Giessen, München u.a.

Was versteht man unter einer Multiplen chemischen Sensitivität?

Unter einer Multiplen chemischen Sensitivität (MCS) versteht man ein Leiden mit so genannten polysomatischen Beschwerden (also vielerlei körperlichen Beeinträchtigungen), die von den Betroffenen auf Umweltschadstoffe (meist Chemikalien) oder andere Einflüsse zurückgeführt werden.

Davon fühlt sich eine wachsende Zahl von Mitbürgern beeinträchtigt, belästigt, ja bedroht, vor allem zwar langsam, aber unbemerkt und letztlich offenbar unabänderlich gesundheitlich beeinträchtigt, geschädigt, konkret: vergiftet, bestrahlt usw. Und deshalb suchen diese Menschen erst einmal ihren Hausarzt, später - je nach Leidens-Schwerpunkt - vor allem dermatologische Kliniken oder allergologische, d. h. auf Allergien (Überempfindlichkeitsreaktio­nen) spezialisierte Abteilungen auf.

Dort finden sich aber in der Regel keine stichhaltigen Beweise, was die um ihre Gesundheit Besorgten natürlich nicht befriedigt und zu neuen Unter­suchungen aufbrechen lässt. Damit droht aber die Gefahr des berüchtigten und kostenintensiven „doctor-shoppings“ bzw. „doctor-hoppings“ mit einem auch für die Betroffenen unseligen Teufelskreis:

Nichts gefunden, noch misstrauischer bis verzweifelter als vorher, neuer Anlauf, am Schluss vielleicht sogar bei fragwürdigen „Heilern“, denen man sich unter „normalen Bedingungen nie ausgeliefert hätte“.

Welches sind die häufigsten Klagen?

Nach den Statistiken der bisher auf diesem Gebiet arbeitenden Umweltmedi­zinischen Zentren bzw. Umwelt-Ambulanzen, wie sie beispielsweise auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (Berlin 2002) berichtet wurden, unterscheidet man einerseits so genannte selbstberichtete Multiple chemische Sensitivitäts-Fälle sowie Patienten, die von ihren Ärzten zugewiesen wurden. Dabei fallen - im Ver­gleich zur Allgemeinbevölkerung - doch einige Besonderheiten auf. Im Einzelnen:

  • Zum einen ein relativ hoher Anteil von Frauen, ein Altersgipfel um das 50. Lebensjahr sowie überdurchschnittlich viel Ledige sowie Absolventen höherer Schulabschlüsse.
  • Zum anderen eine Vielzahl meist unspezifischer Beschwerden, vor allem eine rasch beeinträchtigende und später dauerhaft quälende, auf jeden Fall unbeeinflussbare Erschöpfungsneigung sowie diffuse, d. h. uncharakteris­tische Schmerzbilder.
  • Außerdem ein ausgeprägtes Kausalitätsbedürfnis („was ist es nun eigent­lich wirklich?“), wie der Fachausdruck heißt, was aber auch bedeutet, dass die meisten Betroffenen von ihrer Umwelt-Schädigung mitunter fast un­korrigierbar überzeugt sind.

Die Fachärzte in den Umwelt-Ambulanzen kommen aus allen medizinischen Disziplinen und arbeiten erst einmal das diagnostische und differential­diagnostische Spektrum durch (was ist es und was könnte es sonst noch sein?), je nach Beschwerde-Schwerpunkt. Es kommen aber auch psycholo­gische bzw. psychiatrisch orientierte Untersuchungsverfahren zum Einsatz, durchgeführt von Psychologen, Psychiatern, Nervenärzten sowie Fachärzten für Psychotherapeutische Medizin.

Und diesen Fachleuten fällt sehr häufig eine Neigung zur Somatisierung auf, d. h. eine Tendenz zur „Verkörperlichung seelischer oder psychosozialer Probleme“, früher auch als psychosomatische oder funktionelle bzw. Befind­lichkeitsstörungen bezeichnet (siehe das entsprechende Kapitel). Ferner ein Hang zur Depressivität (was noch keine krankhafte Depression sein muss) und Ängstlichkeit (was nicht identisch ist mit einer krankhaften Angststörung).

Was die Persönlichkeitsstruktur anbelangt, so häuft sich offenbar eine über­genaue, mitunter fast pedantische (übertrieben exakte) Wesensart, die bis zur ausgeprägten Zwanghaftigkeit gehen kann. Beeinträchtigend bis quälend sind auch hypochondrische Neigungen mit überzogener Selbstbeobachtung, die immer gleich an eine Krankheit denken lassen und von dieser „fixen Idee“, also unkorrigierbaren Vorstellung trotz an sich stichhaltiger Gegenbeweise nicht mehr los kommen.

Auch lassen sich relativ viele psychosomatischen Störungen diagnostizieren, bei denen sich also seelische und psychosoziale Belastungen in körperlichen Beschwerden ausdrücken, obgleich sie fachärztlich nicht nachweisbar sind, und seien es noch so viele Untersuchungsgänge.

Das Gleiche gilt für konkrete psychische Krankheitsbilder, teils die erwähnten (diesmal krankhaften) Depressionen, Angst- und Zwangsstörungen, gelegent­lich aber auch Psychosen (Geisteskrankheiten), z. B. eine Schizophrenie mit Wahnideen in Bezug auf verschiedene Umweltgifte (Vergiftungs- und damit gelegentlich auch Verfolgungs- und Beeinträchtigungswahn).

Wie die Fachärzte in den (vor allem psychiatrisch orientierten) Umwelt-Ambu­lanzen immer wieder betonen, handelt es sich bei ihrer Klientel um meist sehr „schwierige“, „aufwendige“, d. h. den ärztlichen Vorschlägen gegenüber skep­tisch eingestellte Patienten, die oftmals nicht nur „jammern und klagen“, sondern auch umfassende Informationen (z. B. aus dem Internet) mitbringen. Diese übertragen sie dann auf ihr eigenes Leidensbild, um sie dann von den Spezialisten erläutert zu bekommen - in ihrem letztlich unkorrigierbaren Sinne, wie viele Experten bedauern, weil dadurch eine realistische Aufklärung er­schwert wird.

Die Fachleute ihrerseits gehen deshalb erst einmal mit ihren technischen Mög­lichkeiten vor (z. B. Labor), um sich der geklagten toxischen („Vergiftungs-„) sowie Intoleranz-(Überempfindlichkeits-)Reaktionen anzunehmen, um Aller­gien und Pseudo(Schein)-Allergien u.a. auszuschließen. Danach aber geht es auch um die Abklä­rung möglicher psychosomatischer, seelischer und anderer Erkrankungen mit psychischem Hintergrund.

Die häufigsten Beschwerden sind z. B. Schleimhautreizungen, Atemnot, Magen-Darm-Beschwerden, Herzrasen und Kopfschmerzen.

Je nach Klientel bzw. fachlich vorgegebener Arbeitsweise der Umwelt-Ambu­lanz gibt es zwar verschiedene Statistiken, doch scheinen die Hälfte bis zwei Drittel und mehr auf eine allergische oder pseudo-allergische (also eingebildet allergische) Erkrankung zurückzugehen. Etwa jeder Zweite leidet aber auch unter einer psychosomatischen oder psychischen Krankheit (was schon mehr als 100% bringt, weil es sich oft um so genannte Mehrfach-Diagnosen handelt, die in einigen Ambulanzen statistisch gesehen sogar als die Regel bezeichnet werden).

Weitere Einzelheiten zu den bisher vorliegenden Erkenntnissen, wie sie vor allem in Berlin auf dem Psychiatrie-Kongress vorgetragen wurden, siehe nachfolgender Kasten:

Multiple chemische Sensitivität - MCS - eine Übersicht

Bei der Multiplen chemischen Sensitivität (MCS) finden sich nach bisherigem psychiatrischem Wissensstand folgende Hinweise:

- Die Persönlichkeitsstruktur soll jenen Patienten ähnlich sein, die unter einem chronischen Müdigkeits-Syndrom leiden (siehe das entsprechende Kapitel über chronische Müdigkeit).

- Das Leiden findet sich vorwiegend in reichen Industrieländern. Und dies vor allem bei Einzelpersonen, die zwar häufig von Umwelt-Belastungen beein­trächtigt sind (z. B. Insektizide, Biozide), jedoch in toxikologisch (was Gifte und Vergiftungen anbelangt) unbedenklichen Konzentrationen. Beispiele: Innenräume oder Anwohner von Müllverbrennungsanlagen.

- Meist handelt es sich um eine Vielzahl von Beschwerden, die mehr als ein Organ betreffen (z. B. Kopf, Herz, Atmung, Magen-Darm, Haut sowie die Schleimhaut von Augen, Mund und Nase).

- Organisch findet sich in der Regel ein normaler körperlicher Befund, oft aber auch in der fachärztlichen Prüfung eine (Über-)Reaktion bei selbst niedrigen Dosen, denen der Patient zur diagnostischen Abklärung ausge­setzt wird (und die in der durchschnittlichen Allgemeinbevölkerung keinerlei Reaktionen auslösen würde).

- Viele der Betroffenen dokumentieren sehr genau sowohl ihre „chemische Exposition“ (z. B. örtliche oder zeitliche Beeinträchtigungen) als auch die darauf drohenden Befindlichkeitsstörungen mit allen seelischen, psycho­sozialen und körperlichen Folgen. Und dies unterstützt durch einen meist höheren Bildungsstand und ein im Laufe der Zeit erworbenes umfang­reiches Wissen über alle mögliche Belastungsursachen.

- Ursächlich wird in zumindest einigen Fällen eine Über-Empfindlichkeit dis­kutiert, vor allem was die Schleimhautreizung von Augen, Nase, Mund und Rachen anbelangt (z. B. zentral-nervös gesteuert, d. h. durch überempfind­liche Reaktionen bestimmter Gehirnzentren?).

- Häufig findet sich aber auch so genannte disponierende Faktoren, die die Über-Anfälligkeit erst richtig zum Ausbruch kommen lassen. Beispiele: psy­chosozialer Stress, depressive oder Angst-Reaktionen, zwischenmensch­liche Belastungen oder berufliche Überforderungen u.a. Dann kann es zur Übertragung seelischer und psychosozialer Probleme auf die angeschul­digten Umwelt-Schadstoffe kommen (meist Chemikalien), wobei sich aber die unmittelbare Nachbarschaft, oft auch die eigenen Familienmitglieder vielleicht belästigt, aber kaum gesundheitlich geschädigt sehen.

- Relativ charakteristisch ist auch die Einstellung der Betroffenen, was die in ihren Augen „wirklich zuständigen Experten“ anbelangt. Das sind meist ausgewiesene Fachleute, die sich mit Umwelt-Schäden befassen müssen, ggf. auch Internisten, Allergologen, Augen- und HNO-Ärzte, Rheumato­logen u.a. - nur nicht Psychiater, Nervenärzte, Psychologen usw., deren Kontakt gemieden oder deren konkrete Diagnose schon von vornherein vehement zurückgewiesen werden („ich bin nicht verrückt, sondern das Opfer bestimmter Umweltbelastungen, die natürlich von den Verursachern oder Behörden aus politischen oder Kostengründen grundsätzlich in Ab­rede gestellt werden“).

Was kann man tun?

Über die therapeutischen, vielleicht sogar präventiven (vorbeugenden) Möglichkeiten soll hier nur so viel gesagt werden (Einzelheiten siehe spezielle Fachliteratur):

Die ausgeprägte und leider oft auch unkorrigierbare Überzeugung vieler dieser Patienten, dass ihre Symptome durch Umwelteinflüsse und sonst gar nichts verursacht sind, führt auch dazu, dass sie jegliche psychologische oder gar psychiatrisch orientierte Behandlungsangebote irritiert bis empört zurück­weisen („unverfrorene Psychiatrisierungs-Versuche“). Das ist übrigens ein Ver­haltensmuster, das auch viele Patienten mit chronischem Müdigkeits-Syndrom und Fibromyalgie zeigen, zwei Leidensbilder, von denen man annimmt, dass sie ohnehin häufig mit umweltbezogenen Gesundheitsstörungen zusammen vorkommen, vielleicht sogar ein und dasselbe Leiden mit unterschiedlichem Schwerpunkt sein könnten (siehe die entsprechenden Kapitel).

Wichtig ist auf jeden Fall eine gründliche Erhebung der Vorgeschichte (Fach­begriff: Anamnese), die auch der Hausarzt und später jeder Nicht-Psychiater, also Facharzt jeglicher medizinischer Disziplin durchführen kann, wenn sie nur psychologisch-psychiatrischen Grundkenntnissen angepasst ist. Sie kann zwar viel Zeit kosten, versetzt aber letztendlich in die Lage, auf umfangreiche und damit kostenintensive laborchemische oder apparative Untersuchungen zu verzichten, wenn sich der Arzt dabei sicher ist und diese Erkenntnis auch überzeugend herüberbringt. Dies ist glücklicherweise immer öfter gegeben.

Es gibt aber eine wachsende Zahl von Betroffenen, die solche „negativen“ oder gar als „verschleiernd“ empfundenen Untersuchungs-Ergebnisse in Zweifel ziehen und mit weiteren Arzt-Konsultationen reagieren. Das führt nicht nur zu den erwähnten unnötigen Kosten, es heizt auch einen Teufelskreis der Unsicherheit, der Skepsis, ja des Misstrauens und schließlich eine empörte, gegenüber der Medizin fast feindselige Einstellung an, die besonders den Patienten selber ruiniert: seelisch („ich bin schon völlig fertig“), geistig („es dreht sich nur noch um dieses Problem“), zwischenmenschlich („mich will ja keiner mehr anhören, ich ziehe mich bereits zurück“), beruflich („da merkt man auch schon, dass ich mit den Gedanken dauernd irgendwo anders bin“) und vielleicht sogar körperlich („da mir keiner helfen will, habe ich jetzt begonnen, Abklärung und Therapie selber in die Hand zu nehmen“).

Sicherlich, so mahnen die Experten, es gibt Ursachen, die sind nachvollzieh­bar, medizinisch beweisbar und damit auch diagnostizierbar, therapierbar und als Schadstoff schließlich neutralisierbar. Hier ist die Medizin weiter, als die meisten der enttäuschten Patienten glauben, die sich nach negativer Befund­erhebung („es liegt keine beweisbare Schädigung vor“) frustriert zurückziehen. Natürlich gibt es auch Bereiche, die selbst in Fachkreisen zur Diskussion ste­hen, für und wieder, und deshalb für die Betroffenen tatsächlich wenig erbrin­gen - derzeit. Das geben die Experten auch zu. Nur können sie gegen eine Beschwerde, die sich medizinisch nicht nachweisen lässt, therapeutisch auch nichts ausrichten. Reine Vermutungen reichen nicht aus, die gewünschte gezielte Behandlung einzuleiten - und um die geht es den Betroffenen ja letztendlich.

In der Mehrzahl der bisher dokumentierten Fälle aber sind es andere Ursa­chen, oft im seelischen Bereich gelegen, die die Betroffenen aber nicht akzep­tieren wollen - sehr zu ihrem Nachteil. Denn wenn ihnen geholfen werden kann, dann sollte dies doch der wichtigste Aspekt sein, selbst wenn es eine als „ehrenrührig“ empfundene seelische Beeinträchtigung ist.

Denn die Seele hat ohnehin „Konjunktur“. Psychische Störungen sind die der­zeit am schnellsten zunehmenden Beeinträchtigungen, von Angst bis Zwang, und dies in Dutzenden von unterschiedlichen Leiden, wobei die gefürchteten „Geisteskrankheiten“ längst in der Minderheit sind. Es gibt mehr auf dem Gebiet der Seelenheilkunde, als sich die meisten vorstellen können. Und man kann mehr tun, als viele erwarten, die sich nur deshalb zurückhalten, weil sie bei einer solchen Diagnose lediglich an eine Stigmatisierung (oder gar Diskri­minierung), nicht an konkrete Hilfe glauben.

Doch die ist möglich, selbst oder sogar bei Multipler chemischer Sensitivität, wenn eine organische Ursache ausgeschlossen und eine seelische festgestellt wurde. Man sollte sich nicht sperren, man sollte es nutzen. Denn wie sagte schon der Philosoph Arthur Schopenhauer: „Die Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts“. Das gilt auch und inzwischen vor allem für den seelischen Bereich (Prof. Dr. med. Volker Faust).

Weitere Informationen siehe die Kapitel Chronische Müdigkeit, Fibromyalgie u.a.

Bei allen Ausführungen handelt es sich um allgemeine Hinweise.
Bei persönlichen Anliegen fragen Sie bitte Ihren Arzt.
Beachten Sie deshalb bitte auch unseren Haftungsausschluss (s. Impressum).