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WETTER, KLIMA UND SEELISCHE KRANKHEIT

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Reagieren Depressive, Neurotiker, Schizophrene, Alkoholiker, Rauschdrogenabhängige u.a. stärker auf Witterungseinflüsse?

Laut Medizinmeteorologie soll etwa jeder dritte Bundesbürger wetterfühlig sein. Frauen mehr als Männer, Ältere mehr als Jüngere - und Kranke natürlich häufiger als Gesunde. Dies betrifft vor allem körperliche Leiden. Doch auch seelische Störungen sind nicht ausgenommen, im Gegenteil.

Besonders beeinträchtigt sind Depressive. Hier finden sich übrigens noch zwei ungewöhnliche Aspekte: Zum einen die negative Reaktion auf Schönwetterlagen (was eher psychologisch zu verstehen ist, da die Patienten sich nicht mehr freuen, nicht mehr genießen und nicht mehr aktiv sein können). Zum anderen die sogenannte Lichtmangel- oder Winterdepression mit einem zwar leichteren, aber dafür monatelangen Stimmungstief in der dunklen Jahreszeit.

Patienten mit einer Neurose leiden übrigens ähnlich unter Witterungseinflüssen. Dagegen scheinen schizophren Erkrankte und Suchtkranke im fortgeschrittenem Stadium weniger beeinträchtigt. Doch das ist keine beneidenswerte Robustheit, das ist die Folge eines langjährigen Krankheitsbildes, das nach und nach auch die Reaktionsfähigkeit auf natürliche Einflüsse wie Wetter und Klima mindert.

Manche Selbstmord-Statistiken sprechen sogar von einem verhängnisvollen Einfluss bestimmter Witterungslagen ("das Wetter als Mörder?"). Doch das ist ebenfalls differenzierter zu sehen. Eine suizidale Entwicklung ist oft langwierig und vor allem mehrschichtig begründet. Eine bestimmte Witterungslage oder ein Wetterwechsel können hier lediglich eine Art letzten Anstoß geben. Das allerdings scheint zumindest statistisch nicht völlig abwegig zu sein.

Nachfolgend eine kurze Übersicht zum Thema Wetter, Klima und seelische Krankheit.

Das Klima bleibt weitergehend unveränderlich, die Jahreszeiten wechseln alle drei Monate (zumindest theoretisch), das Wetter aber konfrontiert uns in diesen Breiten fast täglich mit Überraschungen. So halten es viele für die Ursache ihrer Unpässlichkeiten, Beschwerden oder Erkrankungen.

Dabei vergisst man aber gerne: Das Wetter hat nicht nur die Menschheit, sondern auch die Erde seit ihrer Entstehung begleitet. Es gehört als Umweltreiz der ersten Stunde dazu. Leben ohne Wetter ist undenkbar.

Das Wetter ist also ein natürlicher Einflussfaktor und unsere Reaktion darauf etwas völlig Normales. Wahrscheinlich handelt es sich um einen uralten Schutzreflex, der zu jeder Zeit Mensch und Tier vorwarnt: Wetter als "Umwelttraining". So braucht auch der moderne Mensch für sein Wohlbefinden die ständige Stimulation wechselnder Witterungseinflüsse. Ein Beweis sind vollklimatisierte Räume und sogar ungewohnt lange Schönwetter-Perioden mit ihren entsprechenden Folgen.

Wetterfühligkeit - ein Volkskrankheit?

Die Meinungsforscher sind der Ansicht, dass sich mindestens die Hälfte, wenn nicht gar zwei Drittel unserer Bevölkerung durch das Wetter in ihrem Wohlbefinden gestört fühlen. Die Zahl nimmt offenbar zu. Damit wäre die Wetterfühligkeit die häufigste gesundheitliche Klage unser Zivilisation. Doch das muss man kritisch hinterfragen.

Zwar handelt es sich hier meist um repräsentative Befragungsergebnisse. Doch solche Untersuchungen haben auch einen Nachteil: Sie werden nicht selten dann durchgeführt, wenn die Witterungssituation wieder einmal ungünstig und für die Jahreszeit unbefriedigend ausfällt. Die Betroffenen machen dann eher Angaben über ihren Unmut zur aktuellen Wetterlage als über ihre wirkliche Reaktion auf meteorologische Reize.

Trotzdem vermutet man inzwischen auch in der Medizinmeteorologie aufgrund entsprechender Analogieschlüsse, dass mehr als ein Drittel der deutschen Bevölkerung wetterfühlig ist. Das wären dann immerhin über 25 Millionen Mitbürger.

Allerdings hängt der Grad der Wetterfühligkeit von bestimmten Faktoren ab. Dazu gehören Lebensalter, Geschlecht und vor allem Gesundheitszustand (siehe später).

Das Wetter als "Massenexperiment"

Wenn wir also vermehrt über "unsere" Witterungsverhältnisse klagen, so wird dies weniger von den meteorologischen Bedingungen verursacht, eher von unserem Verhältnis zum Wetter, das im Laufe der Zeit offenbar gestört worden ist. Der natürliche Schutzreflex ist abgeblasst, verloren gegangen oder krankhaft übersteigert. Vor allem muss zu denken geben, dass das Wetter nur eine Minderheit (nämlich ein Drittel) beeinträchtigt, und auch hier mit ganz unterschiedlichem Ausprägungsgrad und Beschwerdemuster. Wie ist dies möglich?

Jedes Lebewesen wird im Rahmen seiner klimatischen Bedingungen und seines engeren meteorologischen Einflussbereiches von allen Witterungsreizen gleich stark beeinflusst. Niemand kann flüchten (es sei denn in andere Klimazonen) und sich dauerhaft und wirkungsvoll schützen. Das ist aber auch nicht nötig. Denn ein gesunder Organismus reguliert dies ohnehin so aus, dass er nicht bewusst in seinem Befinden beeinträchtigt wird. Ist er jedoch durch Anlage, Krankheit, Alterungsvorgänge oder Zivilisationsschäden in seiner Reizbeantwortung geschwächt, kann dies Anlass zu Beschwerden geben. So kann ein Wetterumschwung kurz vor Ausbruch einer Krankheit oft den letzten Anstoß dazu geben.

Das Wetter ist also ein gewaltiges "Massenexperiment". Es dient gleichsam als Gradmesser für die individuelle Gesundheitslage eines jeden Lebewesens - und letztlich einer ganzer Nation (die Deutschen, aber auch die angrenzenden mitteleuropäischen Nationen sollen besonders wetterfühlig sein).

Warum aber trifft es den einen mit diesem und jenem Symptom und den anderen nicht? Die Lösung ist relativ einfach: Jeder erkennt im Grunde an, dass das Wetter etwas Natürliches ist. Es kann uns den Urlaub verderben, aber es kann von sich aus nicht weh tun, wenn man einmal von Blitz und Hagelschlag absieht. Stets hat es aber bei bestimmten Witterungslagen die Eigenschaft, dort unnachgiebig zu wirken, wo der Betroffene eine Schwachstelle, gleichsam eine "gesundheitliche Bresche", medizinisch gesprochen einen Ort des geringeren Widerstands gegen Einflüsse aller Art zeigt. Und der beharrlichste Einfluss ist zweifellos das Wetter, Tag für Tag, Monat für Monat, Jahr für Jahr.

Das bezieht sich allerdings nicht nur auf körperliche, sondern auch und vor allem auf seelische Störungen. Einzelheiten dazu später.

Wetterfühligkeit - ein Beschwerdebild mit vielen Gesichtern

In früheren Untersuchungen kamen immer wieder die gleiche wetterabhängigen Beschwerden zur Sprache: Kopfschmerzen, Schlaf- und Kreislaufstörungen, "rheumatische" Beschwerden, Missempfindungen an Operationsnarben und Knochenbruchstellen u.a. Sicherlich sind das die unangenehmsten, keinesfalls aber alle.

Die häufigsten wetterabhängigen Symptome sind jene, die man zwar als lästig, aber nicht ernsthaft beeinträchtigend einstuft: Mattigkeit, Arbeitsunlust, Reizbarkeit, missmutige Stimmungslage. So etwas nennt man Befindensschwankungen, sie gehören zum alltäglichen Leben. Etwas anderes ist es mit ernsteren Merk- und Konzentrationsstörungen, gesteigerter Vergesslichkeit, vermehrter Fehlerneigung und wachsender innerer Unruhe, Anspannung und Nervosität. Das kann schon hinderlicher werden.

Sehr viel unangenehmer sind verschiedene Arten von Kopfschmerzen (vom Spannungskopfschmerz bis zur Migräne), Ein- und Durchschlafstörungen, Schmerzen an Knochenbruchstellen und Operationsnarben u.a. Problematisch sind auch Herz-Kreislaufstörungen mit Flimmern vor den Augen, Schwindelzuständen, Herzklopfen oder -stichen u.a.

Zahlenmäßig nicht so bedeutsam sind sogenannte vegetative Symptome wie feuchte Handflächen, Schweißausbruch, Zuckungen, überempfindliche Haut, Appetitlosigkeit, häufiges Wasserlassen, ja sogar Störungen der Sinneswahrnehmungen wie nachlassende Riech-, Geschmacks- und Gehörleistung, insbesondere aber der Sehkraft (was in der Regel wieder auf die Kreislauflage zurückgeht, meist durch Blutdruckabfall).

In seelischer Hinsicht beeinträchtigen vor allem leichtere Stimmungsschwankungen und Angstzustände, ohne dass deshalb gleich eine Depression oder Angststörung vorliegen muss.

Wetter und seelische Störungen

Zu den wichtigsten Einflussfaktoren einer Wetterfühligkeit gehören - wie bereits erwähnt - Lebensalter (je älter desto ausgeprägter, allerdings leiden schon Kinder und Jugendliche unter Wetterfühligkeit), Geschlecht (Frauen in der Regel ausgeprägter und häufiger als Männer) und vor allem die Gesundheitslage. Bei körperlichen Leiden ist dies nachvollziehbar, beginnend von Angina pectoris bis zum Wurzelreizsyndrom ("Hexenschuss", Ischias). Einzelheiten siehe das entsprechende Kapitel in der Internet-Serie Psychiatrie heute.

Bei seelischen Störungen kann man sich das schon nicht mehr so problemlos vorstellen. Doch das ist ein Irrtum. Psychisch Kranke sind besonders hart betroffen, wenngleich nicht alle und auch nicht bei jedem Krankheitsbild alle gleich intensiv. Auch hier spielen Alter, Geschlecht und individuelle Reaktion eine Rolle - und natürlich das jeweilige Leiden. Was heißt das im Einzelnen?

Depressive - am stärksten belastet?

Unter Stimmungsschwankungen leiden viele Menschen. Eine ausgeprägte Depression ist aber etwas anderes. Sie soll inzwischen fast jeden Zehnten treffen. Auf jeden Fall ist sie das unter Laien gefürchtetste seelische Krankheitsbild - nicht zu Unrecht (man denke nicht nur an die depressive Qual, sondern auch ihre Extrem-Folge: die Selbsttötungsgefahr). Einzelheiten zur Depression siehe das entsprechende Kapitel in Psychiatrie heute.

Laut entsprechender Untersuchungen halten sich mehr als die Hälfte aller Depressiven für wetterfühlig und klagen an entsprechenden Tagen vor oder während Wetterfronten-Wechsel verstärkt über Schlafstörungen, Kopfschmerzen, vegetative Beschwerden wie Schweißausbrüche, Appetitlosigkeit, Geschmacksstörungen, dazu Angstzustände, Vergesslichkeit, Müdigkeit, Unwohlsein, Herzbeschwerden u.a.

Wetterfühlige Depressive gehören dazu noch zu jenen Patienten, die eine ausgeprägte Vorfühligkeit entwickeln und damit zeitlich noch ausgedehnter zu leiden haben als alle anderen Betroffenen.

Darüber hinaus ist der Depressive nicht nur auf einzelne Witterungseinflüsse programmiert, unter denen er dann besonders zu leiden hätte, wie das bei anderen seelisch Kranken die Regel zu sein scheint. Depressive leiden gleichsam unter der geballten Wucht sämtlicher Wetterstörungen, ob in Richtung Wärme (vor allem Föhn) oder Kälte. Besonders schlecht scheint das schwüle Sommerwetter vertragen zu werden, vor allem von den sogenannten endogenen (biologisch begründbaren) Depressiven.

Schönwetter setzt den Depressiven besonders zu

Eines aber unterscheidet die Depressiven in scheinbar kurioser Weise vom Rest aller übrigen Wetterfühligen, ja von der gesamten Bevölkerung: ihre scheinbar paradoxe Reaktion auf Schönwetterlagen.

Bei strahlendem Sonnenschein fühlen sie sich nämlich bedrückter (bis hin zur verstärkten Selbsttötungsneigung), bei trübem Wetter empfinden sie etwas Erleichterung. Warum? Das hat weniger medizinmeteorologische, das hat mehr psychologische Gründe. Ein Depressiver, der von Schwermut und Freudlosigkeit gedrückt zu nichts mehr fähig ist, fühlt sich natürlich noch trostloser, wenn bei Schönwetter alles "jubilierend ins Freie strömt - und man bleibt allein zurück, melancholisch, unfähig zum Genuss und wahrscheinlich nie mehr gesund werdend" (Zitat eines Betroffenen, wobei Letzteres natürlich nicht stimmt).

Bei schlechtem Wetter hingegen, wo "alle die Flügel hängen lassen", fühlt sich der Betroffenen halbwegs unter seinesgleichen. Dann ist man nicht ganz zu alleine mit seiner gedrückten Stimmung und unüberwindbaren Initiativelosigkeit.

So ziehen manche Depressive aus dem in unseren Breiten überwiegend unbefriedigenden Witterungslagen doch noch einen gewissen Vorteil, auf den sie allerdings gerne verzichten würden, dürften sie dafür gesund bleiben.

Die Lichtmangel-Depression - ein neues Leiden in unseren Breiten?

Und ein zweiter Aspekt muss bei den Depressionen aufgeführt werden: die Lichtmangel-Depressionen, wegen ihrer jahreszeitlichen Häufung auch Winter-Depression, in Fachkreisen saisonal abhängige Depression genannt. Um was handelt es sich hier?

Jahreszeitliche Veränderungen der Stimmung und Aktivität sind seit alters her bekannt. Von früher berichtete man nicht nur von zunehmenden Stimmungsschwankungen, schlechter Laune, verminderter Tatkraft, verstärkter Müdigkeit, erhöhtem Schlafbedürfnis und gesteigertem Appetit in den Herbst- und Wintermonaten, sondern auch von regelrechten Winterdepressionen, die oft von einer leichten bis mittelstarken Hochstimmung im Frühjahr abgelöst wurden.

Heute nehmen diese "Wintertiefs" offenbar zu, und zwar im gesamten Mitteleuropa (früher vor allem in Kanada, Skandinavien, Finnland usw.). Betroffen sind besonders die mittleren (also sogenannten "besten") Lebensjahre und das weibliche Geschlecht. Die Dauer erstreckt sich auf einige Monate zwischen Herbst und Frühjahr.

Neben dem typischen depressivem Beschwerdebild, das sich auch bei der Winterdepression findet, trifft man bei dieser Art von Melancholie aber vor allem auf zwei charakteristische Besonderheiten: eher eine Appetitzunahme (statt Appetitlosigkeit), vor allem ein verstärktes Verlangen nach Kohlenhydraten (Süßigkeiten und Teigwaren) mit entsprechender Gewichtszunahme sowie eine verlängerte (wenn auch nicht erquickliche) Gesamtschlafzeit (sonst leidet der Depressive vor allem an Schlaflosigkeit).

Die Therapie, Behandlungsvorschläge seien hier nur ausnahmsweise am Rande vermerkt, ist relativ einfach, nämlich ein täglicher Gesundmarsch bei Tageslicht (Sonne ist nicht einmal zwingend, doch wenn sie scheint, soll man es doppelt nützen).

Wetter und Schizophrenie

Von den schizophren Erkrankten, zumindest den schwerer betroffenen Patienten in der psychiatrischen Fachklinik, geben höchstens ein Drittel an, unter Wetterfühligkeit zu leiden. Doch in Wirklichkeit dürften auch diese Kranken ausgesprochen empfindlich reagieren, vor allem auf Witterungsveränderungen zur warmen oder gar heißen Seite hin, in Einzelfällen auch auf Temperaturabfall. Besonderheiten im Beschwerdebild lassen sich nicht erkennen. Allerdings muss man wissen, dass viele Schizophrene im fortgeschrittenem Krankheitsstadium durch ihr Leiden meist so absorbiert sind, dass sie auf feinere Umwelteinflüsse, z.B. das Wetter, kaum adäquat zu reagieren in der Lage sind.

Andererseits weiß man aufgrund entsprechender Untersuchungen, dass Schizophrene offenbar über ein nur mangelhaft funktionierendes Thermoregulationszentrum im Zwischenhirn verfügen, also abrupten oder ausgeprägten Witterungs-, insbesondere Wärmeeinflüssen hilfloser ausgesetzt sind als Gesunde. Deshalb dekompensieren sie auch häufiger während der Sommerzeit und seltener in den kälteren Perioden, wie man an der unterschiedlichen Zahl der Klinikaufnahmen abzulesen kann.

Wetter und Neurose

Die Neurose gilt als eine besondere Form der abnormen Erlebnisverarbeitung und geht oftmals auf frühkindliche Störungen zurück. Auch wenn man heute diese Krankheiten differenzierter sieht, bleiben doch im Wesentlichen Angst- und Zwangsstörungen, psychosomatisch interpretierbare Beschwerden (seelische Störungen die sich körperliche äußern), vegetative Beeinträchtigungen, depressive Verstimmungen und ggf. zwischenmenschliche und berufliche Folgen die entscheidenden Belastungen.

Nach ihrer Wetterfühligkeit befragt, geben zumindest die schwerer beeinträchtigten Patienten in jedem zweiten Fall an, unter Witterungswechsel zum Warmen und Kalten hin zu leiden. Das Beschwerdemuster ähnelt dem der Depressionen mit Müdigkeit, Missmut, Nervosität, Unwohlsein, Angstzuständen, depressiven Verstimmungen, mit Kopfdruck, Schlafstörungen, Appetitlosigkeit, Herz-Kreislauf-Beschwerden u.a.

Eindrucksvoll ist auch hier ihre Wetter-Vorfühligkeit. Ein jahreszeitliches Beschwerdemaximum scheint sich nicht abzuzeichnen. Neurotiker "leiden immer gleich".

Wetter und Suchtkrankheiten

Über Medikamentenabhängige gibt es keine Untersuchungen zur Wetterfühligkeit. Sie sind auch schwer zu erfassen. Ähnliches gilt im Grunde auch für Rauschgiftsüchtige, doch weiß man wenigstens von jenen, die eine Klinikbehandlung benötigen, dass sie zumindest zu Beginn ihrer "Drogenkarriere" zu den wetterfühligeren Menschen gehören. Da eine Suchtkrankheit in der Regel auf eine bestimmte Wesenart, Persönlichkeits- und psychosoziale Entwicklung zurückgeht, bis der Suchtstoff schließlich zusätzlich zerstörerisch eingreift, kann man sich gut vorstellen, dass so manche Rauschendrogen- und Alkoholkranken schon früh zu neurotischen und depressiven Reaktionen neigten - und im jeweiligen Suchtmittel Trost und Rettung suchten. Demzufolge reagieren sie auch ähnlich wie Depressive und Neurose-Kranke auf meteorologische Einflüsse.

Wenn dann allerdings der Suchtstoff "Körper, Geist und Seele" abzubauen beginnt, dann ist auch die seelisch-körperliche Reaktionsfähigkeit beeinträchtigt. Das zeigt sich vor allem bei fortgeschrittenen Alkoholkranken, wenn man sie nach Witterungseinflüssen befragt. Hier sieht es mitunter so aus, als hätte man es mit besonders widerstandsfähigen Menschen zu tun, auf jeden Fall bei jenen Alkoholikern, die bereits einer Klinikbehandlung bedürfen. Und je älter sie werden und je länger ihre Krankheit dauerte, desto weniger scheinen sie unter Witterungseinflüssen zu leiden.

Das aber ist kein beneidenswert robustes Reaktionsvermögen, sondern die Folge eines systematischen seelisch-körperlichen Abbaus im Laufe jahrelangen Missbrauchs. Da damit nur noch zu Beginn der Sucht mit einer entsprechenden, im Grunde ja "normalen" Reaktion auf Witterungsreize zur rechnen ist, hört man im Allgemeinen eher von jüngeren Alkoholkranken, dass auch sie (noch) unter Wetterwechsel zu leiden haben - später weniger und weniger.

Wetter und Selbsttötungsgefahr

In diesem Zusammenhang sei noch kurz auf ein Phänomen eingegangen, dass die Medizinmeteorologie und Psychiatrie schon früh beschäftigte: der wetterabhängige Suizid. Hier lassen sich nämlich in vielen Statistiken überzufällige Häufungen erkennen, vor allem kurz vor einem Wetterwechsel.

Doch sollte man eines nicht vergessen: Die "meteorologische Gefährdung" eines Lebensmüden ist nur ein Teil einer bisweilen langen und qualvollen Entwicklung. Das Wetter ist kein Mörder. Das Problem liegt zumeist in zwischenmenschlichen Schwierigkeiten, häufig auch in einer körperlichen und vor allem seelischen Krankheit, die als aussichtslos empfunden wird. Das Wetter bzw. der Wetterwechsel wäre dann nur der letzte Anstoß im Rahmen einer solchen suizidalen Entwicklung.

Und hier gilt nach wie vor der Satz, der auch das Wetter als suizidalen Zusatzfaktor relativiert: Selbstmord, das ist die Abwesenheit der anderen.

Schlussfolgerung

Millionen von Menschen sind wetterfühlig. Doch Wetter und Klima haben in unseren gemäßigten Breiten keinen so überwältigenden Einfluss auf die Gesundheit, wie manche Betroffene befürchten. Dafür spielen zu viele unterschiedliche Faktoren im Leben eine Rolle. Doch ist der Einfluss auch nicht so gering, dass man ihn völlig vernachlässigen könnte. Die Lösung liegt in der Mitte. Das Wetter ist einer von mehreren Einflussfaktoren. Und wenn mehrere zusammenkommen (z.B. Krankheit und Wetter), so wird man es wohl nicht gänzlich übergehen dürfen.

Doch gegen das Wetter "ist kein Kraut gewachsen", man kann es nicht ändern, man muss es hinnehmen (es sei denn, man wechselt die Gegend). Ändern kann man hingegen gesundheitliche Schwachstellen. Ist es eine Krankheit, gilt es das Problem mit dem zuständigen Arzt zu lösen. Ist es aber die Lebensweise, und das dürfte bei der Mehrzahl der Wetterfühligen eine Rolle spielen, dann gilt es sich selbst zu fragen, was man tun könnte.

Und hier gibt es in der Tat Möglichkeiten, wie die Medizinmeteorologen und Ärzte immer wieder anmahnen (körperliche Aktivität, ausreichend Schlaf, roboriernde Maßnahmen wie Bürstenmassagen, Wechselduschen, Sauna, gesundes Nahrungsverhalten u.a.).

Nur getan wird wenig, dafür viel geklagt, z.B. über das Wetter. Hier sollte man umdenken (Prof. Dr. med. Volker Faust).

Bei allen Ausführungen handelt es sich um allgemeine Hinweise.
Bei persönlichen Anliegen fragen Sie bitte Ihren Arzt.
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